Fälschfilm
Am gestrigen Freitag wurden in der Werkstatt englische Pfundnoten gedruckt für eine Dokumentation über die Fälscherwerkstatt im Konzentrationslager Sachsenhausen. Die Aufnahmen für den Buchdruck dieser Noten wurden an drei Pressen gemacht, das Drucken selbst im Heidelberger Tiegel. Ende Januar wird man im ZDF erst den langweiligen, aber auch nicht ohne fulminante Dümmlichkeit hergestellten deutschen Kitschfilm über diese Fälschungswerkstatt sehen können, eine typische KZ-Schmonzette mit gutaussehenden Opfern zur Identifikation und schlecht aussehenden Opfern zum Gruseln sowie schicken Nazis (ich sehe Uniformen natürlich genauso gern wie wir alle, aber lieber in Parade mit schöner Marschmusik), aus der man über das Geschehen so gut wie nichts erfährt, und anschließend die Dokumentation über die Fälschungswerkstatt, in der man hören wird, daß alles ganz anders war als im Spielfilm und wie es wirklich gewesen sein dürfte. Der Spielfilm vermittelt gelegentlich den Eindruck, man betrete ein physikalisches Labor in Amerika, wo die Bombe erforscht wird: Herren in weißen Kitteln über optischen Geräten an großen Tischen, dazwischen Uniformen. In Wirklichkeit waren in der Fälscherbaracke über 100 Leute untergebracht, die zwischen den Maschinen schliefen (im Spielfilm freuen sich die Gefangenen über weiche Betten). Nun, man wird in der Dokumentation sicherlich mehr darüber erfahren.
In meiner Werkstatt wurden nur Produktionsbilder angefertigt, allerdings mußte ich dazu eine Art KZ-Kleidung anziehen, weil ich gelegentlich durchs Bild wische. Die Fälscher trugen keine Streifenanzüge, sondern bekamen ihre Klamotten von den KZ-Leichen.
Für die Druckplatten wurde ein originaler Geldschein gescannt und retuschiert. Davon wurden Magnesiumätzungen hergestellt. Von den Originalplatten kenne ich nur Schwarzweiß-Fotos aus einem Buch über die Ereignisse in Sachsenhausen und weiß nicht, wie sie hergestellt worden sind. Ich vermute aber, daß für die hohen Auflagen und die Abbildungsgenauigkeit die Bleiplatten galvanisiert, also mit Kupfer überzogen wurden.
Deshalb habe ich die Magnesiumplatten mit Bronzepaste gefärbt.
So schön beleuchtet war der Heidelberger Tiegel noch nie. Meine Maschine ist von 1952, aber in dem Film wird es keine oder nur sehr wenige Aufnahmen von der gesamten Maschine geben, die ja in etwas reduzierter Form von 1926 an gebaut worden war.
Es war mir auch ein schöner Anblick, so viele Menschen um meine Maschine versammelt zu sehen, die sich liebevoll um ästhetisch wertvolle Aufnahmen bemühten. Eine Maschine wird nicht häßlich, weil sie im KZ steht, und die Romantik des Fälschens wohnt vielleicht selbst diesen harten Umständen inne. Da ich das gerade schreibe, frage ich mich, ob die Dokumentation wohl auch einen kitschigen Schmierfilm bekommen wird. Vielleicht kann man das gar nicht vermeiden, wenn man etwas Historisches fürs Fernsehen macht?
Andererseits ist so eine Werkstatt für einen Gefangenen ein Trost über widrige Umstände. Wie ich als NVA-Soldat erfahren habe, mochten wir alle den Aufenthalt in den Maschinenräumen der Militärdruckerei am liebsten. Die Maschinen sind gute Werkzeuge, und sie zwingen zur sachlichen Vernunft, wenn man mit ihnen arbeiten will. Sie geben dem Gefangenen Wärme und Geborgenheit, glaube ich. Und sie entziehen ihn als nützlichen Arbeiter der Willkür der Aufseher. Wenn wir schöne Maschinenbilder sehen, sehen wir das, was der Gefangene sieht. Drucktechnik oder den Setzkasten zu pflegen, ist viel schöner, als sich von einem Wärter anbrüllen zu lassen.
Hier sind die Platten in der Maschine zu sehen. Beim Einrichten der Form habe ich darauf geachtet, keine Aluminiumstege zu verwenden, weil ich glaube, daß es diese erst in der Nachkriegszeit gab. Ansonsten habe ich nicht darauf geachtet, altes Material zu verwenden, denn damals war der Buchdruck eine zeitgemäße Drucktechnik, und man hatte gußfrische Schriften, namentlich, wenn gefälscht wurde. Nehme ich an. Gefälscht wurden nicht nur Banknoten, sondern auch Pässe, Briefmarken und andere Urkunden und Wertpapiere.
In einem zweiten Druckgang wurden die Noten dann noch numeriert. Sollte ich den Sendetermin rechtzeitig erfahren, teile ich ihn hier mit.
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Allerley aus der Druckerey
Aus der beinahe fiebrig arbeitenden Werkstatt gebe ich heute ein paar Eindrücke.
Diese Prägung ist recht klein auf einer Weihnachtskarte für eine Berliner Anwaltskanzlei, wird aber ihre Empfänger hoffentlich entzücken.
Ein junger Unternehmer hat sich eine ganz andere Weihnachtskarte ausgedacht und selbst entworfen.
Es war vergnüglich, so etwas zu drucken.
Das ist die Platte des Innenlebens, ein Notenständer eigener Art, wie eine Freundin bemerkte, nach digitaler Vorlage belichtet und geätzt.
Eine Seekarte soll die Richtung ins neue Jahr weisen, sie wird versandt von dem Berliner Grafikdesigner Frank Rothe und seinen Kollegen.
Die Brüchigkeit der Schrift wurde in der Vorlage angelegt.
Und erschien wunschgemäß im Druckbild.
Für eine Geburtsanzeige durfte ich aus der Futura im Bleisatz einen Psalm setzen.
Und auf Baumwollkarton drucken.
Schließlich war der Architekt Robert Patz zu Besuch und schaute sich um:
Von Axel Bertram ist ein neues Buch erschienen. Sein Lebenswerk in Abbildungen, herausgegeben von Mathias Bertram. Ich habe es für die Süddeutsche Zeitung gelesen, meine Besprechung erscheint am Mittwoch, dem 12. Dezember, im Feuilleton. Ich empfehle dieses Buch wärmstens. Der Leser wird erleuchtet: Bertram ist der vielseitigste deutsche Gebrauchsgrafiker, seit es diesen Beruf gibt. Diese großartige Monografie läßt den Betrachter staunen und einen großen Künstler bewundern. Nebenbei ist das Buch eine Art Geschichte der ostdeutschen Gebrauchsgrafik. Mehr dazu morgen im SZ-Feuilleton. Ich weiß gar nicht, ob ich jemals angesichts eines Buches über Gebrauchsgrafik (heute nennt man’s Grafikdesign) mehr aus dem Häuschen war.
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Eine täuschende Neujahrskarte aus Magenta und Cyan
Der Designer Markus Remscheid (Agentur H2D2) hatte sich nach den Maßen der Holzlettern in meiner Werkstatt erkundigt, er würde gern einmal damit arbeiten, am besten für seine Neujahrskarte. Ich sandte ihm von allen Holzschriften die Maße eines großen H und eines kleinen n, digital sind sie ja nicht verfügbar. Mit einer sehr genauen Skizze kam Herr Remscheid in die Werkstatt, die vier Ziffern standen flugs im Schließrahmen, und auch die lasierende Farbe anzumischen für den hier gezeigten Trick, war kein Problem: die rote Farbe “verschwindet” hinter einem roten Transparentpapier. Der Umschlag zeigt deshalb eine (blau gedruckte) 2012.
Mit dem Herausziehen der Karte wechseln die Zahlen, das Magenta wirkt kräftiger und die 2013 tritt in den Vordergrund.
Dem Designer ging es nicht nur um die Trick-Wirkung, sondern auch um die typische Oberfläche von großen Schriften im Buchdruck, wenn sie nicht ganz flächenschließend gedruckt wurden, also nicht mit voller Farbe und vollem Preßdruck.
Die Karten wurden mit einem Farbschnitt in der Farbe der Agentur ausgestattet.
Gedruckt wurde auf einen 715 Gramm pro Quadratmeter schweren Feinkarton, so daß man den Farbschnitt auch noch an der liegenden Karte (es ist beinahe ein Brettchen) deutlich wahrnimmt.
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