Pedaltiegel mit Schwungrad zu verkaufen
Er hat mir seit 2004 treu gedient. Briefpapier, Eheurkunden, Einladungen, kleine Plakate und das zweite der bibliophilen Büchlein von Max Goldt sowie die Umschläge der Bände 2 bis 4 wurden auf dieser Maschine gedruckt.
Aber nun steht sie seit Jahren still. Wird nur noch alle paar Monate der Pflege-Routine unterzogen, entstaubt, ein wenig geölt und gestreichelt.
Es wird Zeit, daß der Nußknacker einen neuen Rumpelkutscher findet.
Gebaut wurde diese Maschine um 1900 von der Maschinenfabrik »Emil Kahle« in Leipzig-Paunsdorf.
Ich habe sie in einem nicht verwendbaren Zustand aus einem Privatmuseum gekauft, woraus sie aus Platzmangel weichen mußte. Zu dritt hievten wir sie mit Mühe auf einem Transporter. In Berlin legten wir einen dicken Strick um die vor dem Haus Schonensche Straße 38 stehende Laterne und ließen das Fundament langsam auf einer Schräge aus Brettern ins Souterrain. Anno 2003 hatte ich diese Werkstatt erst bezogen.
Wir bekamen sie aber nicht aufgestellt. Die Maschine lag schwer auf dem Boden und ließ sich von uns dreien nicht aufrichten. Da rief ich eine Freundin an und bat sie, mir ihren Sohn mit ein paar von dessen Freunden zu leihen. Dieser Sohn war nämlich damals ein junger Polizist und Kampfsportler.
Er kam rasch mit seinen Freunden nach dem Fußballtrainig vorbei, und drei der überbreiten Herren stellten die Maschine spielerisch auf die Füße.
Anschließend mußten einige Teile neu gedreht werden. Damals noch ohne CNC-Fräsen. Und ich mußte erst einmal eine Zeichnung der Walzenspindeln und Laufräder anfertigen. Ein Schlosser nahm sich der Sache an. Und der Tischlermeister Horst Wrede aus Emmen baute die fehlende Ablage, deren Maße ich einem alten Buch über ähnliche Maschinen so ungefähr entnehmen konnte.
Ein zweiter Schlosser, damals noch auf einem Hof in der Kastanienallee, in der es heute nur noch ständig wechselnde Firlefanzgeschäfte gibt, baute mir die Befestigung für den Aufzug und eine Muffe zum Festhalten des Schwungrades.
Anschließend wurden die vier Walzen neu mit Gummi bezogen.
Und dann verdiente diese Maschine zusammen mit einem Handtiegel nicht nur meinen Lebensunterhalt, sondern auch das Geld für meinen ersten Heidelberger Tiegel. Der ihr dann die Arbeit abnahm. Im Jahr 2013 zog die Maschine mit mir nach Weißensee in die jetzige Werkstatt. Aber hier hatte sie kaum noch zu tun, obwohl sie, das ist einer ihrer Vorzüge, ein etwas größeres Druckformat als der Heidelberger hat und auch über das Format weit herausragende Materialen bedrucken kann. Nun ist es also an der Zeit für einen neuen Standort, und für 3500 Euro brutto kann die Maschine abgeholt werden.
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Wenn die Maschinen nicht sprechen, spricht die Musik
Vodka unterschneiden
An dieser Karte hatte mich von Anfang an, also schon vor zehn Jahren, die Lücke zwischen V und o gestört. Dem V fehlt der sogenannte Überhang, also ein Überstehen des Buchstabens über dem bleiernen Kegel der Type. Dadurch steht das kleine o zu weit ab vom V.
In späteren Auflagen habe ich die Zeile leicht gesperrt, um den Unterschied dieses Buchstabenabstandes unauffälliger zu machen. Die Schrift läuft so eng, daß sie eine kleine Erweiterung gut verträgt. Aber ganz befriedigend war das nie. Wörter mit ungewollten Löchern sind nur unschön. Manchmal überliest man das, in Texten würde ich mich nicht lange damit befassen. In der kursiven Walbaum reißen V und W auch solche Löcher. Das ist auf manchen Drucksachen wie Visitenkarten dann vielleicht der Grund, eine andere Schrift zu verwenden.
Das Unterschneiden, das hier ein Abfeilen beider Typen mit der Metallfeile war, ist riskant. Eine falsche Bewegung führt zur Zerstörung des Buchstabens dieser im übrigen seltenen Schrift »Wiener Grotesk«, zuerst gegossen anno 1912. Und man muß schon recht dicht ran ans Schriftbild mit der groben Feile.
Aber es ist gelungen, die beiden Lettern sind sich nähergerückt. Hier ein Foto vom Bleisatz. Der auf dem Kopf steht, wie ein Setzer und Drucker ihn sieht, denn wir stellen Spiegelschrift auf den Kopf, um sie von links nach rechts in der gewohnten Richtung lesen zu können. Das können Sie übrigens selbst ausprobieren: Liest sich Schrift in einem Spiegel leichter, wenn man sie kopfstellt?
Und mit diesem Schriftbild bin ich zufrieden. Kaufen kann man die Karte hier im Online-Shop der Werkstatt.