Fremdlinge?
Als ein die Grundwerte Freiheit und Demokratie, Humanität und Toleranz verpflichteter Schweizerdegen stelle ick mir jejen die fremdenfeindlichen Äußerungen jenes Schriftsetzers, der durch die SPD (zur Zeit stellvertretender) Präsident des Deutschen Bundestages (“Ossi-Bär” (Titanic), “Schrippen-Freund” (Augsburger Allgemeine)) jeworden is. Ick trete ein für die Freiheit Andersbackender und Anderssprechender, für Toleranz und Gleichberechtjung.
Natürlich sind in einer Großstadt Menschen aus anderen Gegenden willkommen. Erst durch sie wird die Stadt zur Metropole. Man konnte Ostberlin nie eine solche nennen. Die Stadt, in die der spätere Schrippen-Freund und ewige Provinzler im Alter von Anfang 20 (heute ist er 69) zugezogen ist und die er nun als “Eingeborener” (so lügt er im Interview mit der Berliner Morgenpost) gegen fremde Gewohnheiten verteidigen zu müssen meint, weil er aus seinem Kiez nie herausgekommen ist. Daß ein ostpreußischer Thüringer den Krempel schätzt, den die Berliner Bäcker in der Mehrheit als Nahrungsmittel anbieten, läßt deutlich erkennen, was das für ein Herr ist. Ein armer Herr nämlich, dem Weltläufigkeit unheimlich sein muß. Ich (vierte Generation in Prenzlauer Berg) würde begrüßen, wenn die Berliner Bäckereien von guten Handwerkern aus Süddeutschland und Österreich übernommen würden. Und die Kneipen mit Küche auch. Berliner Hausmannskost (“Wurst”) ist ja so was von ungenießbar!
Die Großstadt ist immer ein Übernahmeprojekt, das ist ihr Naturell. Ein überaus liebenswerter Einwanderer aus der Nachbarschaft des Schwabenlandes ist dieser Original Heidelberger Tiegel, der mit einem Original-Berliner (icke) ausgezeichnet harmoniert. Er ist jetzt ein Berliner. Und damit dem “Schrippen-Freund” aus Thüringen weit voraus.
Der im Abtreten begriffene Politiker und Schrippen-Freund gibt einer Bewegung des Neides und der Mißgunst seine miesepetrige Stimme. Ihn stören vermutlich nicht die “Wecken” und die Namen für schwäbische Kuchen, sondern das Geld, das an den Kollwitzplatz geschwemmt wurde, eine Gegend, die vor zwanzig Jahren abrißreif war und mit westdeutschem Geld gerettet wurde. Ich kenne niemanden, der davon “verdrängt” wurde. Teile meiner Familie zogen nach Westdeutschland und auf andere Kontinente, um dort zu arbeiten, sie zogen auch ins Berliner Umland, weil sie ein Häuschen mit Garten der städtischen Unruhe vorzogen. Nur ich bin dageblieben, weil ich es hier immer nett genug fand, um zu bleiben und eine Druckerey zu eröffnen, was mir in der DDR nicht möglich gewesen wäre.
Ich bitte meine zugezogenen Kunden in Berlin und meine Kunden in der Ferne, die Äußerungen des Schrippen-Freundes als überkommenes Zeugnis der alten Berliner Mißlaunigkeit zu nehmen, die wir noch nicht ganz überwunden haben. In der DDR-Hauptstadt haben wir nur die DDR-Bürger unter Murren sich integrieren sehen, den Sachsen Ulbricht und den Saarländer Honecker an der Staatsspitze. Gastarbeiter wie Vietnamesen und Mosambikaner haben wir in Plattenbau-Ghettos versteckt, deshalb kennen wir Ostberliner erst seit zwanzig Jahren, was eine richtige Großstadt ausmacht. Damit kommen manche Leute wie der Schrippen-Freund nicht zurecht. Er sortiert noch in gute und schlechte Fremde, und Leute mit größerer Börse mag er nicht.
Neid in Verbindung mit Fremdenfeindlichkeit ist ein altes deutsches Muster, deshalb finde ich es direkt widerwärtig, wie sich dieser Schrippen-Freund aufführt. Man könnte sich schämen für solche Nachbarn. Deshalb rufe ich den Blog-Lesern aus Nah und Fern zu: Wir Berliner sind nicht alle so. Wir oder unsere Vorfahren sind alle einmal zugezogen, unsere Gemeinsamkeit ist die Herkunft aus aller Welt, und der echte Großstädter weiß das auch. (In meiner Familie gibt es übrigens einen fleißigen Stammbaumforscher, der durch genetische Untersuchungen ermittelt hat, daß wir bei irgendeiner Völkerwanderung aus Asien hierhergeraten sind.)
tags: heidelberger tiegel, wolfgang thierseKommentare [15]
Karte zur Taufe
Zur Taufe fehlte mir bislang eine Karte. Ein Freund hatte diese schöne Idee, die dann gleich mit Originalmaterial umgesetzt wurde. Kreuze aus Messing und Holz sind in der Akzidenzdruckerei reichlich vorhanden, und die Wellen entstammen dem Schmuck zur Anglaise, der Englischen Schreibschrift. Die Klappkarte wurde mit einem Farbschnitt ausgestattet. Sie wird im Online-Shop offeriert.
Kommentare [2]
Farbschnitt an der Graupappe und ein bedeutendes Loch
Die kleine Karte aus Graupappe, über die ich hier vor ein paar Tagen ausführlicher sprach, hat nun einen Farbschnitt in Englischrot bekommen und ist fertig.
Zu einem ersten Erfolg ist die gemeinsame Arbeit mit den Künstlern Hauck & Bauer gelangt. Das unterfränkische Comic-Duo (seit 1978) muß geahnt haben, wie groß meine Sehnsucht nach Bedeutungsaufladung war und fertigte ein Kunstwerk an, das diesen Mangel beseitigt.
Die gezeigte Postkarte habe ich an dieser Stelle beschrieben und mich dabei so verausgabt, daß ich hier kein weiteres Wort verlieren kann.
