Englische Schreibschrift im Bleisatz
Sie ist schön, sie ist auch schwierig zu setzen. Die Überhänge sind oft so groß, daß Blindmaterial beschnitten werden muß, um unter die überhängenden Schultern der Lettern zu passen Sie hat etliche Buchstaben in zwei Ausführungen, ein z mit Unterlänge, eines ohne, ein e mit auslaufendem Schwung, eines ohne, ein t mit breitem Querstrich, eines mit schmalem, ein englisches r für Innenräume von Worten, und ein deutsches mit auslaufendem Schwung für einen Abschluß, das aber nicht vor ein Komma gesetzt werden darf, weil sonst eine Lücke entsteht.
Der Drucker darf sie nicht grob abwischen, damit der Putzlappen nichts von den zarten Linien und Schwüngen abreißt, falls er hängenbleibt. Die wird nur ganz vorsichtig auf Höhe geklopft, und eine Unebenheit muß man beim Überstreichen des Satzes mit dem Klopfholz gleich überprüfen. Vor dem Schließen der Druckform wird jeder Wortzwischenraum nach einem Überhang nachgesehen, denn was beim Schließen der Form nicht passend gesetzt ist, bräche ab, und groß wäre der Jammer des Setzers, denn diese Schrift ist unersetzlich.
Hier steckt eine große Hochzeitseinladung in der Maschine. Offenes Format DIN A4. Auf Baumwollkarton gedruckt und für den Versand im gefütterten, wunderschön knisternden Kuvert aus Echt Bütten mit gerissenen Büttenrändern zu rillen. Eine Blindprägung wird allerdings auch noch auf die erste Seite gebracht.
Das Foto war nicht für eine so starke Vergrößerung vorgesehen, deshalb nicht ganz scharf. Aber man sieht das falsche e mit dem Schlußschwung.
Nach der Korrektur. Es ist sehr viel Arbeit, es ist kompliziert; die Excelsior zu setzen kostet auch deutlich mehr Geld als jede andere Satzarbeit, aber ich mache es gelegentlich furchtbar gern. Es ist die komplizierteste Textarbeit. Man muß beispielsweise auch die Wortzwischenräume an die Buchstaben anpassen. Folgt einem Kleinbuchstaben ohne Schwung ein Großbuchstabe mit einem weit anlaufenden Anstrich wie das A, so wird der Wortzwischenraum reduziert. Folgt auf ein n ein W, wird kein Zwischenraum gesetzt, weil jener genügt, der sich aus der Zusammenstellung dieser Lettern natürlich ergibt.
Noch ein Hinweis: Das Bleisatzmagazin Rheinland hat mit einem Räumungsverkauf begonnen.
tags: anglaise, englische schreibschrift, excelsior, hochzeitsdrucksachen, hochzeitseinladungenBrachialgebrochene Type
Im “Polizeiruf” “Das vergessene Labor” (DEFA, DDR-Fernsehen 1984), in dem es übrigens schöne Szenen mit der wunderbaren Käthe Reichel als überspannte Witwe zu sehen gibt, wurde eine “Schaftstiefelgrotesk” im Vorspann (erstes Bild) und im Abspann (zweites Bild) verwendet.
Der Filmtitel bezieht sich auf im 3. Reich entwickelte giftige Chemikalien, und die DEFA-Grafiker haben die passende Schrift dazu ausgewählt, eben so eine klobige nach gotischer Art, wie sie nationalgesinnte Schriftzeichner der 1920er und frühen 1930er Jahre für geeignet hielten, Deutschtum darzustellen. Allerdings eben doch derart häßlich, daß selbst Adolf Hitler sie grausig unmodern fand, obwohl sie ausgezeichnet zu Barbaren paßt. In der DDR pflegte man einen angemessenen Umgang mit gebrochenen Schriften und wußte sie einzusetzen. Als ich den Vorspann mit dieser Schrift sah, ahnte ich, daß es in dem Film um ein Nazi-Labor geht. Es gibt nicht viele Schriften mit einer derart kräftigen Aussage, die man selbst dann nicht unterlaufen kann, wenn man sie orange einfärbt.
Altes Päckchen
Als ich eine englischsprachige Hochzeitseinladung aus der Englischen Schreibschrift Excelsior setzte, fehlten mir plötzlich einige “h”. All dieses the und there und thing und thang und thung – dafür ist der deutsche Gießzettel nicht gemacht.
Bevor ich verzweifelte, denn die Text war fast fertig, und es fehlten nur noch drei “h”, fiel mir dieses Päckchen ein. Vor ein paar Jahren erworben, ich weiß nicht mal mehr, woher. Über Umwege sicherlich, denn die Excelsior bezog man von der Bauerschen Gießerei in Frankfurt und später Barcelona, wenn ich mich recht erinnere. Und diese hier kommt aus einem holländischen Betrieb.
Unter dem Pappdeckel Butterbrotpapier.
Und auch in einer Sprache für mich.
Aber interessant ist das nicht, denn solche Ware kann man nirgends mehr reklamieren. Gußfrische Englische Schreibschrift. Ein Schatz.
Wieder so ein Paket, das Jahrzehnte, nachdem es eingepackt wurde, ausgepackt wird. Eine Schrift, die Jahrzehnte darauf harrte, in Gebrauch genommen zu werden.
Ich habe allerdings erst einmal nur die benötigten Buchstaben aus dem ausgebundenen Satz geholt.
Ist es nicht ein herrlicher Anblick?
In den nächsten Tagen wird die Schrift in den Setzkasten zum vorhandenen Bestand gesteckt, sofern die Schriftlinien der alten und der “neuen” übereinstimmen. Das werde ich noch genau prüfen.
Ich bin erst einmal froh, daß ich die Hochzeitseinladungen drucken kann.
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