Der jüngere Bruder Bär

25. August 2010

Vor gut einem Jahr habe ich meine Druckermarke, den oben abgebildeten Bären, hier vorgestellt. Nun ist dieser Holzstich mit einigem Retusche-Aufwand zwar reproduzierbar, wie ich erst hier und dann hier beschrieb. Aber für Stempel, Prägungen und Brandprägungen ist er zu filigran gearbeitet.

So bat ich des Bärchens Vater, den Grafiker, Holz- und Metallstecher Hans-Joachim Behrendt, mir eine grafische Version zu erschaffen, die diesen Reproduktionsansprüchen genügt. Und binnen weniger Tage wurde ich nun mit dieser Arbeit überrascht.

Ich habe das Bild in meiner Hand fotografiert, damit man die Größe des Originals ahnen kann. Freuderfüllt ob über dieser Arbeit bin ich nun, denn sie ist meisterlich gemacht. Zum einen hat Behrendt den Ausdruck des Bären, seine Persönlichkeit, genau getroffen. Ein freundliches Gesicht, das Humor und Geist verrät. Eine Wesensart, die ich schon im Holzstich-Bären als erstrebenswert ansehe. Nun mahnt mich also auch noch ein Bärenbruder, freundlich zu sein und mich um Bildung zu bemühen. Zweitens bewundere ich die grafischen Kunstgriffe. Das Bild ist nicht nur einfach von den feinen Linien befreit worden, sondern es wurden Akzente hineingesetzt: Die Ohren, der rechte Daumen, die linke Buchseite als Imagination einer Abbildung, die nun ausgefüllten Abschlüsse der Parierstange des Degens gegen den weißen Knauf des Heftes. Schaut man sich den Bären im Detail an, findet man weitere grafische Überlegungen umgesetzt, die dem Meister Petz Leben einhauchen.

Hans-Joachim Behrendt hat die Arbeit in Schabtechnik ausgeführt. Schabkarton wird mit einer weißen und weichen Kreideschicht überzogen, die leicht abzuschaben und abzukratzen ist. Die Kreideschicht wird schwarz gefärbt mit einer Farbe, die nicht bis in den Papieruntergrund vordringt. Danach wird aus der schwarzen Fläche das Bild geschabt. Auf diesem Foto lassen sich Spuren der Arbeit erkennen.

In der Verkleinerung neben der Reproduktion des Holzstiches in Originalgröße ist die Wirkung eines Stempels oder einer Prägung zu ahnen. Mit Farbe kann hier nichts mehr zulaufen, und für eine Prägung sind die Innenräume weit genug. Ich werde als erstes einen Stempel anfertigen lassen.

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Leserzuschriften

  1. Simon Wehr am 25. August 2010 # :

    Sehr schöne Arbeit. Insbesondere die Umsetzung in Schabtechnik finde ich faszinierend. Ein wenig Comic-Charakter hat er bekommen, der Petz. Aber noch in feinem Maße.

    Als Laie gefragt: Wer so arbeitet, muss jeden Strich gekonnt platzieren, oder? Es sieht nicht so aus, als könne man in dieser Technik korrigieren. Wobei das für Holz- und Metallstecher nichts Ungewohntes sein kann.

  2. ben_ am 25. August 2010 # :

    Ghost Dog: “In ancient cultures bears were considered equal with men.”
    Hunter: “This ain’t no ancient culture here, mister.”
    Ghost Dog: “Sometimes it is.”

    Das Zitat fiel mir sofor ein, als den Artikel las und mir gefällt am jungen Bären besonders der gütige Ausdruck um die Augen.

  3. MZS am 25. August 2010 # :

    In Schabtechnik kann man nur etwas wegnehmen, man kann nichts hinzufügen. Was man einmal abgeschabt hat, ist weg. Man könnte freilich digital retuschieren, aber Könner wie Hans-Joachim Behrendt liefern perfekte Originale, sie denken gar nicht an digitale Retusche.

    Herr Behrendt sagte mir heute anläßlich meiner telefonischen Dankbarkeitsausschüttung, es sei doch nur eine Umsetzung, keine neue Zeichnung, also keine große Sache. Mich beschleicht heftige Wehmut, wenn ich so etwas höre, denn bevor der Computer in die grafische Welt eingriff und alles glättete und egalisierte und die individuelle Handschrift ebenso vertrieb wie die Sichtbarkeit einer Handarbeit an sich, und bevor die Gier nach Geld das Buchgewerbe so beherrschend vereinnahmte, saßen in den Verlagen und den Grafikbüros Menschen, die zeichnen und schreiben konnten und die sich auf einen Kanon grafischer Kenntnisse stützten. Das waren damals meine Vorbilder und Autoritäten. Der Schriftsetzer schaute zum Grafiker auf, denn der Grafiker konnte zeichnen, tuschen, malen, schaben, schreiben und kannte die Geschichte der Typografie und der Schrift. Wenn in der Zeitung eine Vignette in einem bestimmten Stil gebraucht wurde, machte das irgend jemand in der Grafikabteilung.

    Daß der Gedanke, den Schönschreibunterricht abzuschaffen, überhaupt jemals gedacht würde, fiel niemandem ein. Handschriften von unter 40jährigen sehen heute oft aus wie solche von desinteressierten Grundschülern der 1970er Jahre. Und den grafischen Konsens gibt es nicht mehr. Es gibt nicht ganz wenige Grafikdesigner mit reichen Kenntnissen und Fähigkeiten, aber grafisches Design in der Masse leidet an fehlendem handwerklichen Können und einer Überschätzung der eigenen Entwurfsidee, die selten mehr als modisch ist. Man schaue sich nur mal in einer Buchhandlung um. In der Belletristik sind gefühlte vier Fünftel der Buchtiteltexte aus gebogenen kursiven gesperrten Renaissance-Minuskel-Zeilen auf Ausschnitte alter Gemälde mit Weintrauben, Frauen oder Knaben geklatscht, diese Geistesarmut, dieses Retorten-Design ist grauenvoll. Und Firmenzeichen bestehen fast ausschließlich aus digital bearbeiteter Schrift, und man diskutiert ernsthaft über Schlagschatten und Lichteffekte. Und dann sagt mir ein Könner wie Behrendt, sein Bär sei doch nur eine grafische Variante und will den von mir angebotenen Preis drücken. O tempora, o mores.

    Vielen Dank für das hübsche Zitat aus diesem schönen Film!

  4. Guenter am 27. August 2010 # :

    Fehler bei der Arbeit mit Schabekarton einfach mit Tusche übermalen, trocknen lassen und danach erneut schaben.

  5. Ein Bärenfreund am 28. August 2010 # :

    Den jungen Braunen (es ist sicher kein Eisbär) sehe ich mit Freuden! Freundlich, offen, vital und gekonnt. Letzteres zeigt sich mir besonders am rechten Fuß: Obwohl man diesen im Seitenprofil anschaut, sind sämtliche Zehen abgebildet (also eine Mischung aus Profil und Draufsicht, die trotzdem nicht anatomisch verwundert) – das ist heraldisch konsequente Meisterschaft (Picasso wurde für sowas Ähnliches gefeiert). Ebenso die Ausnutzung der Räume und die merklich “dual gedachten” Formen und Binnenformen (die Weißräume wirken nicht wie etwas, das durch Formung des Schwarzen zwangsläufig übrig geblieben ist, sondern wurden ihrerseits auch [gleichzeitig] sorgfältig organisiert) – wirklich toll! Immer wieder verblüfft bin ich auch vom Erfindungsreichtum der Wappenkünstler, komplexe Partien wie Augen und Lider mit so wenigen, insgesamt optisch immer gleich starken Linien zu stilisieren. Das ist schwer — und zwar sehr …

  6. S G S am 2. September 2010 # :

    Ah,ich habe mich entdeckt! Wenn das eine Aufforderung sein soll – ich nehme sie gerne an. Die Vorschreiber haben zu dem jüngeren Bruder des Bären schon sehr viel treffliches gesagt, dass mir als Laie kaum etwas anderes übrig bleibt als vollinhaltlich zuzustimmen.
    Was besticht, ist die Leichtigkeit des Bruder Petz, die Freundlichkeit (was bei dieser Gattung wohl nicht so häufig ist außer im Märchen), sozusagen die einladende und zugleich repräsentierende Haltung.
    Man möchte ihn nun öfter sehen!

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