Der erste Druckbogen · 18. Mai 2010

Eine volle geschlossene Druckform mit Buchseiten — ein schöner Anblick für den Drucker. Am Wochenende habe ich den ersten Bogen des neuen Buches von Max Goldt gedruckt. Neulich hatte ich einen Titel für das Buch präsentiert, aber inzwischen wurde der wieder verworfen, so nenne ich das Buch für mich derzeit nach seiner Umschlagfarbe: das Rote.

Weil ich vorher im Heidelberger Tiegel vom Klischee auf einen dicken Karton geprägt hatte, habe ich den Druck vorsichtshalber stark zurückgenommen. So sieht dann der erste Abzug aus. Es genügt, um den Stand der Form einzurichten.

Mit mehr Druck und Farbe lassen sich dann weitere Korrekturen ausführen. So tastet man sich langsam vor zum guten Druck, also einem fehlerfreien in richtiger Position.

Nach den groben kommen die Feinkorrekturen, hier waren die Versalien besser auszugleichen.

Und weil hier die mittlere Frakturzeile nicht in Grün mitgedruckt wird, kann auch der Raum enger werden, als es die Lettern mit ihren Ober- und Unterlängen erlauben.

Die Solemnis soll nicht zu stark gesperrt (spationiert) werden, wie ihr Entwerfer Günter Gerhard Lange mir erklärt hatte. Ein wenig Harmonisierung braucht sie aber auch.

Schrift und Weihachtsornamente sind auf 12p-Kegel gegossen, also etwa 4,5 mm hoch.

Nach den Korrekturen im Satz und in der Presse zieht der Drucker sehr zufrieden den ersten guten Bogen aus der Ablage des Tiegels.

Und dann geht es los mit der Auflage. Ich lasse die Maschine nicht sehr schnell laufen, für 2000 Druck braucht sie dann doch deutlich mehr als eine Stunde, zumal mit Unterbrechungen, um neue Farbe aufzutragen.

Damit die Farbe nicht auf der Rückseite abzieht, bleiben die Bogenstapel niedrig. So wird der Druck auf die unteren Bogen nicht so stark. In den nächsten Tagen folgt die zweite Farbe. Die ersten Druckbogen fertig zu sehen, ist ein überaus erfreulicher Anblick. Der erste Druckgang von etwa 25, es liegt noch viel Arbeit vor mir. Der Bleisatz wird gleich wieder abgelegt, denn mir fehlt der Platz für 32 Buchseiten Satz.

— Martin Z. Schröder

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Es weihnachtet am Schwimmbecken | Über Kreativgetöse · 13. Mai 2010

Endlich beginnt die Satzarbeit am neuen Buch von Max Goldt. Ich kam einfach nicht eher dazu, und eigentlich wollte ich auch noch mehr Satz ablegen, bevor ich mit der großen Arbeit beginne. Sei’s drum, der Ablegesatz kann warten, es muß losgehen, sonst läuft mir die Zeit davon und nimmt die Lust womöglich mit. Hier zu sehen ist ein Bild vom Bau des ersten Druckbogens im Schließrahmen des Heidelberger Tiegel, bestehend aus Seite 5 und Seite 28, was sich aus der Heftung eines Buches von 32 Seiten erklärt, deren Druckbogen ineinandergesteckt werden und so der äußerste Bogen die erste und die letzte Seite trägt, was sich nach innen hinein fortsetzt, bis auf der einzigen echten Doppelseite (ein Fachbegriff) die inneren Seiten, also 16 und 17 nebeneinander gedruckt werden. Ob der Drucker die richtigen Seiten in die Druckform zueinandergestellt hat, ergibt sich aus dem Addieren der Seitenzahlen. Deren Summe muß immer eines mehr als die Seitenmenge des gesamten Buches ergeben. Also 5 und 28 sind ebenso 33 wie 16 und 17.

Links in der Druckform die Seite 28, die den Titel “Drei Weihnachtsbilder” trägt, gesetzt aus der Solemnis von Günter Gerhard Lange. Drum herum gibt es Tannenzweige, Sterne und Kerzen — und es ist merkwürdig, im Monat Mai mit Ornamenten zu arbeiten, die gewöhnlich nicht vor Oktober und nicht nach Dezember in Dienst genommen werden.

Rechts ein Text mit der Überschrift “Insgesamt so sieben Leute”. Hier werden zwei Futura-Schnitte mit der Sinkwitz-Gotisch vereint. Diese Buchseite wird übrigens nach dem Auflagendruck zusätzlich als werbender Handzettel gedruckt, was der erste Grund ist, diesen Bogen als ersten zu drucken. Er wird zweifarbig in grün und rot gemacht, es dauert also noch ein paar Tage, bis er fertig zu sehen sein wird.

Als ich am Mittwoch die Arbeit abends beendete und fotografierte, stellte sich mir dieses Bild dar, das mich an ein Schwimmbecken erinnert. Es ist eine Freude für den Schriftsetzer und Drucker, die Typografie, den späteren Druck, hinter den Kulissen als eine tiefe, dreidimensionale und mit den Händen nach Augenmaß zu formende Welt in wirklicher Größe wahrzunehmen, nicht als reine Oberfläche, in einen verfremdenden Maßstab gesetzt, wie es am Bildschirm meistens notwendig wird. Ich frage mich eben, inwiefern dieses Bild die Arbeit der mittelalterlichen Typografen beeinflußt hat. Vielleicht gar nicht, waren sie doch nicht der Kreativität, sondern der Schönheit des Überkommenen verpflichtet. Gebrauchsgrafische und typografische Kreativität, die nicht dient, sondern nur die grafische Idee an sich herausstellt, wird überschätzt, weil sie in den allermeisten Fällen nur modisch ist in einem Bemühen um Andersartigkeit. Es bedarf vielmehr der unsichtbaren Kreativität, der Lösung kleiner Probleme für ein schönes Gesamtbild, das keine Mühe im Schöpfertum zeigen soll.

Ich lese im Internet oft über die Mühen, die von Anfängern, also Studenten etwa, beispielsweise an Plakate gesetzt werden. Die wenigsten Gebrauchsgrafiker werden später Plakate machen, und man sollte diese Arbeit überhaupt wenigen Spezialisten überlassen, denen eine grafische und kalligrafische Ausbildung mehr dienen würde als eine typografische, von der man für große Flächenwirkung nur einige Grundlagen benötigt. Plakate sind wie Handzettel kurzlebig und verdienen so viel Aufmerksamkeit nicht. Die wenigsten können als Kunstwerke gelten, die meisten sollen bloß etwas verkaufen und biedern sich dem Betrachter an und schwatzen ihm etwas mit Laustärke und ohne Geschmack auf.

Bedeutsamere Arbeiten scheinen mir erstens das Buch zu sein, und zwar nicht das heute oben beschriebene, von mir begonnene typografische Liebhaberbuch, sondern das Lesebuch, weil wir es für unsere eigene Bildung benötigen, viel mehr als alle anderen Drucksachen. Und zweitens Akzidenzen wie Speisekarten und Einladungen, die schönen Erlebnissen einen gefälligen Rahmen geben sollen. Eine Speisekarte verspricht weniger Anerkennung als eine Reklame für ein Produkt, sie bringt keine Preise ein, sie ist aber in Wirklichkeit wichtiger als der ganze Ramsch von Design, der, umtanzt von Meinungsblasen, auf bunten Veranstaltungen von Designclubs gefeiert wird, deren gleichförmige Aufgeregtheit daraufhin deutet, daß sie selbst Produkte sind, die Hersteller und Verbraucher definieren — mit zweifelhaftem Gewinn.

Ein Beispiel für dieses Getöse findet gerade in Frankfurt statt, mit Internet-Stars und Box-Weltmeister und Top-Kreativen und Future-Congress und Kreativer Elite und einer 350köpfigen Jury — und die Sprache entlarvt die Absicht: “Vom 12. bis 16. Mai 2010 wird sich die Stadt Frankfurt in ein Kreativ-Mekka verwandeln: Der Art Directors Club für Deutschland e.V. veranstaltet in der Main-Metropole den ADC Gipfel 2010. Das Festival ist das größte Branchentreffen dieser Art im deutschsprachigen Raum. Den Auftakt des diesjährigen Gipfeltreffens bildet …”

Mekka ist ein islamischer Wallfahrtsort, zu dem man pilgert. “Gipfeltreffen in der Metropole” — Ein Kindergeburtstag ohnegleichen. Aber genagelt wird auch: “Die Gewinner des ADC Wettbewerbs werden am Abend des 15. Mai 2010 geehrt und mit einem bronzenen, silbernen oder goldenen Nagel ausgezeichnet. Auf der Gala trifft sich alljährlich die kreative Elite, um mit den Wettbewerbsgewinnern zu feiern.” Gibt es Galas nicht auch auf Kreuzschiffahrten? Was mir dazu einfällt, behalte ich für mich.

— Martin Z. Schröder

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Bleigefüllte Gummiroulade · 26. Mai 2008

Neulich wurde ich gefragt, ob ich mich durch die technischen Grenzen des Bleisatzes eingeschränkt fühlen würde. Ich antwortete darauf, daß der Bleisatz in den vergangenen Jahrhunderten den Reichtum seiner Möglichkeiten gezeigt hätte und auch mit dem Foto- und digitalen Satz die Schönheit der Werke von Gutenberg und Manutius nicht zu übertreffen seien.

Typografische Meisterschaft kann durch Reichtum technischer Möglichkeiten sogar erschwert werden. Wer nur eine Schrift zur Verfügung hat, wird sich auf das Studium dieser konzentrieren müssen und alle Möglichkeiten ihrer guten Anwendung aus ihr herauskitzeln. Die Vergangenheit des Bleisatzes hat es gezeigt, bis weit in unsere Zeit hinein, ich erinnere an Giovanni Mardersteig und seine Schrift Dante, deren Satz er zur Meisterschaft trieb.

Die berühmtesten mittelalterlichen Druckereien, in denen die Schrift auch geschnitten und gegossen wurde, verfügten nicht einmal über die Varianten der Werkstatt späterer Drucker, sie kamen mit einer Type in ganz wenigen Größen aus. Die Werke gelten bis heute als Meisterleistungen des “Designs”.

Die geläuterte reine Form eines klassizistischen Buchtitels ist ein größeres Ereignis als das Spiel mit den technischen Möglichkeiten. Aber vielleicht hilft mir dieses Spiel, eine klassische Form immer mehr zu schätzen. Die Möglichkeiten des Bleisatzes zu verspielten Formen sind keine geringen. Die Vielfalt der typografischen Formen wurde in den letzten Jahren, nach dem Vergehen des Bleisatzes, in der Qualität nicht vergrößert, nur quantitativ verbreitert; manche geübte Hand, das räume ich gern ein, hat mit digitaler Technik Meisterwerke geschaffen, die sich allerdings in der Konvention bewegen, denn Typographie braucht wenig Schöpfertum, weil sie eine konventionelle Handwerkskunst ist, die dem Leser dient und ihn nicht bevormundet. Im 21. Jahrhundert aber wurde noch kein Beitrag geleistet, der mir wesentlich das bisherige an dienender Leistung zu übertreffen scheint, und mit den Techniken der Fotografie und den Befreiungsströmungen der Kunst wurde schon im frühen 20. Jahrhundert schöpferisch alles geleistet, was bis heute denkbar ist. Mag die Brillanz von Wiedergabe sich verstärkt haben, das Spiel mit den Effekten fülliger geworden sein, meistens steht man bei dem, was heute Design geheißen wird, vor einem plattgedrückten Haufen Kehricht, der frech darum wirbt, um jeden Preis den Besitzer zu wechseln. Die Ausnahmen, die Perlen, die gut gemachten Bücher etwa oder auch Magazine, wie sie manche Verlage in zeitgemäßer und zugleich guter Manier herstellen, stellen schon eine Art Trotz dar, weil sie mangels breiter Wertschätzung, überhaupt der Fähigkeit dazu, nur wenig Würdigung finden.

Soviel zur Einleitung für die geduldigen unter den Lesern, die ich um Verzeihung für meine Anwandlung bitte. Jetzt zu einer technischen Spielart, die man meines Wissens bislang nirgends erklärend festgehalten hat:

Heute möchte ich eine selten eingesetzte Satztechnik zeigen: den Spiralsatz. Während man eine Kreisform auch mit gebogenen Metallregletten bauen kann, wenn die vorgefertigten Blei- und Messingformen nicht zur Verfügung stehen, ist man beim Spiralsatz mit mehr Flexibilität besser bedient. Ich setze dafür Gummiregletten ein, die ich vor Jahren erwarb bei der heute nicht mehr bestehenden Schriftgießerei und Messinglinienfabrik Wagner, die sich später Letternservice Ingolstadt nannte und auch Werkzeug verkaufte. Den Umgang mit diesen Gummiregletten, die von der Rolle auf das erforderliche Maß zugeschnitten werden, habe ich erfunden, weil ich solcherlei weder in meiner Lehrzeit lernte noch Anweisungen dazu in Büchern fand.

Zuerst lege ich die gesetzte Zeile aus dem Winkelhaken auf einer Holzleiste ab, daneben lege ich das Gummiband aus. Es muß deutlich länger sein als die Zeile, weil sich beim Einrollen die Zeile verlängert durch die vielen spitzen Winkel der eingedrehten Lettern. Von der Leiste wird die Zeile auf die Gummireglette geschoben. Mit der rechten Hand drücke ich die Zeile gegen die Rollrichtung, mit der linken rolle ich eine Roulade. Es wird mit ruhiger Hand aber zügig gerollt, wobei auf die Parallelität zu achten ist. Die fertige Rolle wird gesichert, am besten mit einem Gummiband, und in die Schließform gestellt. Wenn sie von Satzelementen eng umschlossen ist und unter leichtem Schließen der Form, kann das Halteband entfernt werden. Dann werden die verbleibenden Räume mit Blindmaterial, also allem, was nicht druckt, so geschlossen, daß die Form Halt hat.

Im nächsten Schritt müssen die Buchstaben einzeln ausgerichtet werden. Da sie sehr fest stecken, geht das nur mit einer kleinen Pinzette. Man muß fest und mit Gefühl zugreifen, damit die Pinzette nicht abrutscht und die Schriftbilder nicht zerkratzt. Winzige Kartonspäne geben den Buchstaben halt und bestimmen den Drehwinkel der einzelnen Letter. Auf dem Foto mit der Spiralform sind die Kartonspäne vom Abwaschen der roten Druckfarbe eingefärbt. Die Doppelseite zeigt das druckreife Bild mit der eingebauten Spriale. Diese Arbeit ist sehr langwierig. Man könnte es bis zur Perfektion treiben und jeden Buchstaben exakt ausrichten, ich finde ein bißchen Unordnung in einer solchen eingedrehten Lockenzeile aber recht charmant.

Hier ist die rote Seite an ihren Platz neben die schwarze eines früher gedruckten Bogens gelegt zu sehen. Das folgende Foto zeigt: Auf der linken Seite stehen einige Zeilen aus der Schrift Solemnis, die ich hier bereits ausführlich besprochen habe. Im Katalog der Schriftgießerei Berthold wurde die Solemnis zur Walbaum gestellt, diese Schriftmischung und auch die Farbkombination schwarz/rot habe ich im „Atlas van de nieuwe Nederlandse vleermuizen“ von Max Goldt wiederholt. Links Solemnis in rot, rechts Walbaum schwarz gedruckt. Eine optimale Schriftmischung mit der Solemnis ist nur durch weitere Kontraste zu erreichen, also das Stellen in eine zweite Farbe, einen deutlichen Unterschied der Schriftgröße und einen räumlichen Abstand. Hier also links freigestellt in rot Solemnis, rechts der Fließtext dazu in schwarz. Darunter ein Foto aus dem Schriftmusterbuch der Gießerei Berthold. Beide Schriften, sowohl die Walbaum als Nachschnitt als auch die Solemnis als neue Schöpfung, sind von Günter Gerhard Lange, über den ich hier ebenfalls schon Mitteilungen gemacht habe, gezeichnet worden.

Nicht vorenthalten wollte ich meinem verehrten Publikum den Probetext aus dem Schriftmusterbuch über den Vorzug „sehr“ verschiedener Tische, den wichtigsten und gefragtesten Möbelstücken – im Sonderangebot!

— Martin Z. Schröder

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Symphonie oder Stradivari? · 8. März 2008

Dieser Tage spüre ich etwas zu deutlich, daß ich ein Anfänger bleibe. Zwar heißt es, daß man seine Arbeit nur unter dieser Bedingung gut machen kann, nämlich sich als Dilettant zu fühlen und sich ständig neuen Fragen zu stellen und ihnen auf den Grund zu gehen, aber daß ich Verwirrung liebe, würde ich nicht sagen. Durch Zufall fiel mir noch einmal eine Schrift auf, die ich hier schon einmal zeigte. Ich habe sie als „Sinfonie“ übernommen, war aber bislang nicht dazu gekommen, ihr nachzuspüren. Jetzt weiß ich, wer diese phantastische Type entworfen hat: Imre Reiner, der 1920 aus Ungarn auswanderte, in Stuttgart bei Ernst Schneidler studierte, 1923 nach Amerika ging, nach Europa zurückkehrte, zuerst nach Paris, und der sich später in der Schweiz niederließ (gelesen im hier schon mehrfach erwähnten Wohltemperierten Alphabet von Axel Bertram).

Nur wie heißt diese Schrift wirklich? Sie wurde 1945 erstmals gegossen von der Bauerschen Gießerei, auf einem im Internet gefundenen Foto eines Buches mit englischem Text wird sie als Stradivarius bezeichnet, Axel Bertram nennt sie Stradivari, irgendwo im Internet (Quelle zu schnell wieder weggeklickt) wird sie Symphonie geheißen und das Jahr 1938 als Erscheinungsjahr genannt und bemerkt, sie sei 1945 in Stradivarius umbenannt worden.

Unter diesem Namen, also Stradivarius, ist hier eine digitale Schrift zu finden, die angeblich Imre Reiner im Jahr 1993 gemacht hat, die aber erhebliche Änderungen zur Bleisatztype zeigt. Die auffälligen Punkte in den Versalien, ich zeige es hier am &-Zeichen, fehlen in der digitalen Schrift. Das &-Zeichen wirkt ohne sein Kullerauge blind. Imre Reiner starb 1987, was hat er zu dieser Digitalisierung seiner Schrift einer nicht näher beschriebenen „grouptype“ beigetragen? Geht das Entfernen der Punkte auf seine Entscheidung zurück? In den Unterlängen der Minuskeln g und y beispielsweise werden die Tropfen, die mit den Punkten der Versalien korrespondieren, beibehalten.

Weiter verwirrt mich der bei Axel Bertram gezeigte Schriftzug wegen des Versal T. Bertram bildet den Schriftzug ab (siehe Foto) und erklärt, die Zeile befinde sich auf dem Umschlag von Paul Renners „Die Kunst der Typographie“, Ausgabe 1948, also der zweiten Auflage. (Zuerst erschien das Buch 1940.) Wirklich? Oder hat Axel Bertram die digitale Variante verwendet? Oder hatte die Schrift T-Varianten? In meiner Bibliothek steht die dritte Auflage von 1953 mit einem Schutzumschlag von Georg Schautz, von dem ich einen Ausschnitt zeige. Abgebildet ist hier nicht das Wort „Typographie“, aber aus der Symphonie/Stradivari ein großes T. Und das sieht nun nicht so aus wie das aus der digitalisierten Schrift, aber auch nicht wie das bei Bertram gezeigte, während das Versal T in meinem Bleisatz dem auf dem Schautz-Umschlag gleicht. Ich habe innen die Schrift noch einmal gefunden, hier in einer Anzeige für eine Papierfabrik. Auf dem folgenden Foto zeige ich beide Schriftzüge zusammen, bin mir aber nicht sicher, ob sie identischer Herkunft sind. Ich meine, das Häkchen am r sieht anders aus, aber vielleicht auch nur wegen des Größenunterschiedes oder wegen der verschiedenen Druckverfahren. Axel Bertram hat einen Großteil seiner Abbildungen retuschiert, um die Quetschränder des Buchdrucks zu reduzieren und die wirklich geschnittene Type zeigen zu können.

Tja. Und da soll man nun nicht verwirrt sein? Wie heißt die Schrift? Wie sieht sie eigentlich aus? Welche Variante ist von Imre Reiner? Kann einer der Experten, die hier mitlesen, einen Blick in eine Hauptprobe der Bauerschen Gießerei tun und mir helfen? Und hat jemand die Erstausgabe von Paul Renners (übrigens empfehlenswerten) Buch mit dem originalen Schutzumschlag? Hilfe!

Symphonie ist übrigens ein passender Name für diese Schrift, deren Versalien breit und geschlungen (gewissermaßen langsam) zu den schmalen, steilen und serifenlosen Minuskeln (schnell) einen Kontrast bilden, wie ihn die traditionelle Satzfolge der klassischen Symphonie spielt: Allegro – Andante – Allegro.

Auffrischung 9. März: Mich erreichte von einem auf seine namentliche Erwähnung zu verzichten bittenden Kollegen ein Zitat aus dem Buch “Buchdruckschriften im 20. Jahrhundert” von Philipp Bertheau, erschienen in der Technischen Hochschule Darmstadt, 1995, leider vergriffen: »Die Gemeinen dieser Zierschrift Imre Reiners wirken wie eine Kursiv zu seiner Corvinus. Sie bilden den unerläßlichen Kontrast zu den an Schreibmeister des 17. Jahrhunderts erinnernden Versalien. Nach Angaben der Bauerschen Gießerei in Frankfurt am Main erfolgte der Erstguß dort 1938. In der zeitgenössischen Fachliteratur wird die von Reiner gezeichnete Schrift nicht erwähnt. Von der Bauerschen Gießerei wird sie anscheinend erst nach 1945 als Stradivarius angezeigt, in ihrer Filiale Fundicion Tipografica Neufville in Barcelona aber als Sinfonia herausgegeben. In Frankfurt erscheint sie erst 1948 als Symphonie.« Nun haben wir also mehr Klarheit, für die ich dem Wissensspender herzlich danke. Jetzt müßte ich mich noch entscheiden, wie ich die Schrift nennen soll. Auch Fotos aus dem hilfreichen Buch wurden mir übersandt, so daß ich mich überzeugen konnte, daß die Schrift einige Versalien in zwei Varianten enthielt. In den zwei Graden, in denen sie in meiner Setzerei steht, sind diese Spielarten von M, N und T leider, leider nicht enthalten.

Immerhin: wie es der Tag heute mit mir meint, nämlich gut, so erreicht mich ein Brief der Münchner Schriftkünstlers Peter Gericke, der sich mit Günter Gerhard Lange über meinen Brief und meine Probe gebeugt hat und mich nun darauf hinweist, daß die Solemnis in der von GGL gestalteten Hauptprobe der Gießerei Berthold mit der Walbaum-Antiqua gezeigt wird, „Sie ersehen daraus, wie richtig Ihre Intuition diesbezüglich ist“, schreibt mir Herr Gericke. Das freute mich heute ganz außerordentlich, weil ich mich ja nur auf das Gefühl verlassen hatte in meiner Ratlosigkeit. Die Solemnis paßt ja, wenn man Schriften nach den Werkzeugen mischt, mit denen sie gemacht wurden, also beispielsweise eine Renaissance-Type mit einer Breitfeder-Schreibschrift, absolut nicht zur Walbaum. Die Unziale wurde mit der Rohrfeder geschrieben. Die Walbaum zeigt den Werkzeugcharakter des Stichels, dazwischen liegen rund 1000 Jahre Schriftgeschichte. Aber vielleicht vertragen sich die beiden, wenn man sie nicht kalligraphisch betrachtet, sondern naiv historisierend, denn beide Schriften wirken auf uns heute vor allem: alt. Es ist wirklich naiv, eine Schriftmischung derart zu erklären, aber wenn der Größenkontrast stimmt und die beiden Typen also proportional harmonieren, dann könnte das verbindend wirken. Denn die älteren Schriften, die Garamond etwa, die zeitlich und werkzeugtechnisch näher an der Unziale liegen, wirken vollkommen zeitlos; wir lesen Mediäval-Schriften jeden Tag in Zeitungen und Büchern.

Eine Arbeit zeige ich noch, weil ich Freude darin fand: Gestern habe ich eine Hochzeitseinladung gedruckt auf Echt Bütten. Eine quadratische Klappkarte. Auf der geschlossenen Karte steht ganz allein das et-Zeichen der kursiven Garamond von Herbert Thannhaeuser in 4 Cicero (48p). Zum Formenwandel der &-Zeichen hat Jan Tschichold übrigens einen Aufsatz geschrieben, in dem er 288 Zeichen zeigt und kommentiert. Den Prototyp des von mir hier gedruckten fand Tschichold von Frederick W. Goudy (1937) notiert; 1506 in Lyon geschrieben oder gedruckt, und schreibt dazu: „Die entzückende Figur 111, von Goudy notiert, mag einer Bâtarde, der französischen Schwesterform unserer Schwabacher, entnommen sein. Trotz ihrem spätgotischen Charakter vertritt sie in unserer Übersicht zugleich den Prototyp des et-Zeichens in seiner Kursivform, das sich vom Antiqua-& erheblich unterscheidet. Die linke Hälfte der typischen Kursiv-& ist entweder ein Minuskel-e oder dessen aus zwei Bogen gebildete Versal-Variante; die rechte Hälfte ist in der Regel ein viel deutlicheres T als in der Antiquaform &.“

Die Innenseite der Einladung kann ich wegen des privaten Textes freilich nicht zeigen, sie wurde aus der kursiven Garamond in zwei Größen gesetzt. Ich bin Kunden dankbar, die sich auf meine Vorschläge einlassen. Meine Auftraggeberin war heute auch sehr zufrieden, als sie die Arbeit abholte. Es gilt zwar für den deutschen Schriftsatz die Regel, das &-Zeichen sei nur in Firmennamen zu verwenden, aber das kursive wirkt so wenig geschäftsmäßig und zeigt eine so heiter geschwungene Linie, daß ich es gern als Ornament einsetze. Vorzugsweise in Hochzeitsdrucksachen.

— Martin Z. Schröder

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Solemnis fernmündlich: Salve ins Ohr · 28. Februar 2008

Der gestrige Nachmittag war anstrengend. Gerade als mir die Vertreterin meines Feinpapiergroßhändlers die neue Kollektion vorstellte, läutete das Telefon. Der Schöpfer der Solemnis, Günter Gerhard Lange, fing sofort mit seinem Vortrag an, nachdem er sich vergewissert hatte, daß er mit jenem Drucker spricht, der ihm vor einigen Tagen eine Druckprobe übersandt hatte. Wenn künftig alle 87jährigen sich so anhören, wie sich in meiner Kindheit die 70jährigen anhörten, steht uns ein munteres Altwerden bevor. GGL wird von manchen Kollegen wegen seiner gelegentlichen Publikumsbeschimpfungen freundlich spöttelnd das „Maschinengewehr der Typografie“ geheißen. Die Salve, die auf mein Ohr gefeuert wurde, hat mich allerdings erfreut. Ich wagte es nicht, den Anruf zu vertagen, meine Besucherin nickte mir verständnisvoll zu und vertiefte sich in die Auslagen, und ich hörte Herrn Lange sehr schnell und sehr klar seine Ansagen machen, als lese er vom Blatt. Nachdem ich das Video mit seinem Vortrag gesehen habe, glaube ich allerdings, daß der Mann so klar strukturiert denkt, wie er redet, ohne Zettel.

Also die Solemnis. Ich gebe es mal ganz grob wieder, was in meinem Ohr hängengeblieben ist: Sie haben es richtig gemacht, hörte ich erfreut. Kompreß setzen (also ohne Zeilenabstand), ausgleichen nach Gefühl und nur nach Gefühl spationieren, auf keinen Fall weiter als auf Ihrer Probe. Sie haben recht, die Unziale wurde eng geschrieben. Sehen Sie den Querstrich am L neben dem A, also das Lieblingsproblem der Schriftsetzer, der Strich ist so kurz, daß nicht viel ausgeglichen werden muß. Schriftmischung: eine magere, am besten schmale, eckige Serifenlose, nur in Versalien. Keine schmalmagere Futura, zu oval, eher Akzidenz-Grotesk oder Helvetica. Und ansonsten bestätigte er mir nach Ansicht einiger Arbeiten im Internet, daß ich mich auf mein Gefühl verlassen soll. Überhaupt das Gefühl! Und Sie kennen Tschichold! Haben Sie das Meisterbuch? Das muß jeder haben. (Gemeint ist das „Meisterbuch der Schrift“ von Jan Tschichold, eine Sammlung der schönsten Schriften aus 2000 Jahren.) Und GGL weiter: Alles, was Tschichold geschrieben hat, stimmt, und zwar alles, was er zu jeder Zeit geschrieben hat!

Diese Tür mußte GGL bei mir nicht mehr öffnen, Tschichold ist mein erster Lehrer, d.h. seine Schriften. Es wird zwischen dem “frühen” und “späten” Tschichold, dem jungen und dem alten unterschieden. Mit derselben Verve, mit der Tschichold als junger Mann die Elementare Typographie entwickelte, vertrat er später das Gegenteil: strengste Klassik. Was man von Tschichold aber immer lernt, und so interpretiere ich GGL, ist die typographische Argumentation. Tschichold meint nicht nur, er begründet die Meinung auch. Aus Tschicholds Schriften lernt man typografisches Denken, und zwar so weiträumig, wie von keinem anderen Autor, weil niemand sonst sich in solcher Ausführlichkeit und mit solcher Überzeugungskraft geäußert hat. Tschichold hat auch deshalb gewissermaßen immer recht, weil er ein großer Stilist ist. So kann man es betrachten, wenn man auch der Form Wahrheit zugesteht: der Form, die keine leere Hülse ist. Leere Formen klingen eben auch hohl, Tschichold klingt auch in seinen Irrtümern mit einem guten vollen Ton. Seine wissenschaftlichen Leistungen auf dem Gebiet der Buchkunst sind einmalig.

GGL erkundigte sich dann noch höflich nach meinem Alter, befand mich jung, und in diesem Moment kamen drei Damen in meine Werkstatt, denn mittwochs am Nachmittag ist allgemeine Öffnungszeit meiner Offizin, so daß ich jetzt leider vergessen habe, was er mir noch gesagt hat. Mich macht es nervös, wenn eine Papierberaterin die Auslagen anschaut, eine Kundin ihre Briefkarten abholen möchte und zwei interessierte Besucherinnen sich bei den Visitenkarten einen Überblick verschaffen und ich gleichzeitig an die Interpretation einer Unziale im Bleisatz denke. Herr Lange kündigte mir die Übersendung von Kopien einer Hauptprobe Solemnis der Schriftgießerei an, dann wünschten wir uns alles Gute, und ich kümmerte mich um meine Gäste.

Erst später wurde mir klar: das war ein Gespräch zwischen einem Schriftsetzer und dem letzten Schriftentwerfer, der für den Bleiguß gearbeitet hat (Korrektur: In Kommentar 1 erinnert Christian an Hermann Zapf, der auch noch für den Bleisatz entworfen hat). Das Verhältnis zwischen Setzer und Schriftschöpfer ähnelt dem von Herr und Diener. Eine Schrift kann nur so gut sein, wie sie vom Setzer (oder Typografen) eingesetzt und gesetzt wird. Das ist heute nicht anders, nur fällt es mir auf, weil die Welt des Bleisatzes sanft ins Ruhekissen der Geschichte sinkt.

Ich habe auch den Berliner Gebrauchsgrafiker Axel Bertram befragt, der auch ein Schriftentwerfer und Kalligraph und Typografiehistoriker ist, und der vermutlich erschrocken die Hände heben und verlegen lächeln würde, wenn man ihn Koryphäe nennte. Mit der Unziale sei es vorbei, meinte er. Eine Schrift für den christlichen Bereich, möglicherweise auch fürs Rustikale. Aber als Textschrift tot. Schriftmischung: ganz schwierig, harter Kontrast, also serifenlose, ansonsten eher Garamond oder Jenson als Walbaum. Kalligraphisch allerdings eine Freude: es sei ein Vergnügen, Unziale mit der Feder zu schreiben.

Da steh’ ich nun, immerhin etwas bestärkt in meinem Gefühl bei der Schriftanwendung. Daß ich die Solemnis kompreß (ohne Zeilenabstand, Gegensatz: splendid) gesetzt habe, halte ich meinem Gefühl zugute, nachdem mir der Schriftschöpfer selbst dies als Regel an die Hand gegeben hat. Setzte ich die Buchstaben weiter auseinander, ginge der Eindruck von Zeilenbändern verloren, die Wörter würden auch in der Senkrechten ineinander fließen. Das Engersetzen der Schrift muß ich ausprobieren, die Zeilenabstände werden dann auffälliger werden. Mir bleibt nichts übrig, als zu experimentieren und mir Originale, das heißt Abbildungen von Originalen anzusehen. In den nächsten Tagen bleibt mir allerdings keine Gelegenheit für einen längeren Bibliotheksbesuch. Aufgeschobene Hausaufgabe.

Zum Schluß für heute noch ein Appetithäppchen aus dem Fotoapparat. Zu diesem Pferdchen habe ich meinen jungen Mitarbeiter (es ist ganz gut, wenn man einen kennt, der noch jünger ist) überredet. Im nächsten Eintrag erzähle ich, warum er dies Rößlein gezeichnet hat und wie daraus ein Druckstock wurde und zu welchem Zwecke dieser dienen wird. Und auch zwei Seiten des Goldt-Büchleins habe ich gedruckt, darin eine Schreibschrift des berühmten Ernst Schneidler, davon also in den nächsten Tagen mehr.

— Martin Z. Schröder

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Sapristi! · 20. Februar 2008

Nicht, daß die Arbeit am neuen Buch von Max Goldt zögerlich fortschritte. Nur kam am Freitag voriger Woche ein Paket meines Bleisatzlieferanten, das mich etwas aus dem Tritt brachte. Es enthielt drei Grade einer Schrift mit dem sprechenden Namen Solemnis. Diese Type haben wir dem Schriftentwerfer Günter Gerhard Lange (geb. 1921) zu verdanken, 1953 wurde sie erstmals gegossen. Es ist die erste Bleischrift, die ich kaufe, dessen Entwerfer lebt. Sie ist mit ihren 55 Jahren eine der jungen Schriften, und sie wurde von einem damals jungen Mann gemacht.

Günter Gerhard Lange hat 1996 einen Vortrag gehalten, den man sich hier ansehen und anhören kann.

Als ich diese Schrift im Angebot meines Lieferanten entdeckte, wurde ich schon etwas nervös, denn ohne eine bestimmte Type vor Augen zu haben, so wußte ich doch schon, daß mir eine Schrift mit einer gewissen Strichstärke und zugleich Grazilität für den Umschlag noch fehlte. Hier nun meinte ich etwas zu entdecken, orderte, und als die Sendung am Freitag hereingeschleppt wurde, ließ ich alles andere stehen, packte aus, setzte die drei Grade in einen Kasten, machte, daß ich die Maschine von einem Auftrag freibekam, indem ich schnell noch Visitenkarten zu Ende druckte und probierte endlich die Solemnis im Andruck aus, gleich mit dem Titel des Büchleins.

Die Unziale (lat. uncia – Zoll), so heißt diese Klasse von nur aus Majuskeln (Großbuchstaben) bestehenden Schriften, ist eine heute wenig gebräuchliche Type. Sie stammt aus einer Zeit, da es noch keine Minuskeln (Kleinbuchstaben) gab. Mit gemächlichen Zügen wurde sie von den schreibkundigen Mönchen zu Pergament gebracht – an Papier war noch nicht zu denken. Die Unziale war die erste Schrift, der man eine gewisse Routine in den Breitfederzügen ansah, ihre Vorgängerinnen, die Formen der Capitalis, waren noch geformt wie die in Stein gemeißelten Schriften und erforderten noch langsamere Schreibbewegungen. Die ersten Unziale sind seit dem 2. Jahrhundert n. Chr. nachweisbar. In Lexika findet man die Unterteilung griechisch (4. Jh. bis Ende Mittelalter), lateinisch (vor allem 4. bis 8. Jh.) und gotisch (12. bis 15. Jahrhundert). In England und Irland wurden die Unziale und vornehmlich Formen der Halbunziale, in welcher sich die Kleinbuchstaben schon andeuten, länger beibehalten. Die karolingische Minuskel, also die erste flüssige Schreibschrift mit schnell zu ziehenden Kleinbuchstaben, erreichte erst mit den normannischen Eroberungen 1066 den angelsächsischen Raum.

Die Solemnis von Günter Gerhard Lange ist eine Neuinterpretation einer lateinischen Unziale. Man erkennt das Neue zuerst am augenfälligen i-Punkt, der sich erst im Spätmittelalter aus einem Akzentzeichen von Minuskeln herausbildete. Man sieht es aber auch an den Antiqua-Formen, etwa des T in „Atlas“ auf den Fotos, des A, auch das M der Solemnis ist nicht so rund wie die M der echten Unzialen. Freilich gab es um das Jahr 700 auch kein W, das entstand ja erst viel später als Ligatur (aus V resp. U – im englischen Namen „double U“ für den Buchstaben W ist das noch kenntlich). Auch andere unserer Buchstaben sind damals noch nicht geformt. Aber E, D, L zeigen klare Unzial-Figuren.

Ich habe die Schrift zuerst ganz eng gesetzt, so wie die handschriftlichen Unziale gefügt waren. Aber das erschien mir sogleich undiskutabel. Die Solemnis ist eben keine Unziale, sondern eine versale Druckschrift mit Unzial-Zügen. Man muß wohl ausgleichen, und weil sie sehr kräftig geschnitten ist, also breite Striche zeigt, habe ich sie auch so weit spationiert wie hier zu sehen ist. Ob das richtig ist? Ich bin mit meinen ersten einfarbigen Drucken nach Hause marschiert, hab den Abend lang meine Bücher und das Internet ohne große Erfolge durchsucht (aus wenig Quellen drippen Unzial-Infos, nur bei Edward Johnston finden sich ausführlichere Hinweise auf die Schreibweisen mit Kiel- und Rohrfedern), mich schlafen gelegt und bin am Tag darauf schon morgens ungeduldig wie ein Kind auf den Spielplatz in die Werkstatt geeilt, denn nach dem Aufwachen hatte mir klar vor Augen gestanden, welche Farben und welches Papier diese Schrift nun zum Leuchten bringen würden.

Ich habe, angekommen in der Offizin, die beiden T-Varianten eingesetzt, ohne zu wissen, ob ich im Sinne meiner neuen Schrift handelte, habe die Harmonisierung der Buchstaben korrigiert und vor allem eine ebenfalls nur nach dem Gefühl getroffene Entscheidung umgesetzt, nämlich als zweite Schrift, als Note am Fuß des Textes, die kursive Walbaum einzusetzen. Welche Druckschrift kann man denn vernünftig zu einer Unziale stellen? Ich handle selten nur in Verlaß auf mein Gefühl, diesmal blieb mir nichts anderes übrig, und ich ermutigte mich: Nach 27 Jahren Umgang mit Druckschrift hat dein Gefühl doch wohl ein Mitspracherecht und sogar Entscheidungskompetenz nun im Falle des Zweifels, also bitte! Ein zweifelhaftes Argument, aber ein anderes hatte ich nicht. Diese Karte (im Original 148 × 98 mm) betrachte ich vorerst als Studie, nicht als mustergültige Lösung. Ich habe die Karte an einen kalligrafisch beschlagenen und mit allen Wassern gewaschenen Gebrauchsgrafiker geschickt mit der Bitte um Literaturhinweise über die Unziale. Ein befreundeter Mediävist, der zufällig hereingeschneit war, tippte auf die Karte, meinte: „Ottonisch?“ und empfahl mir das Paläografische Lexikon für weitere Recherche.

Farben: das Blumenornament ist gedruckt in einem kräftigen Grau mit einem Stich Orange, den Rot-Ton habe ich aus einem bläulichen Rot mit einem Stich orange gemischt, das Blau ist ein dunkles, pigmentreiches in Richtung rot gebrochenes.

Ich kann mich gar nicht satt sehen an dieser Schrift. Ich habe lange nicht so große Freude über einen Neuzugang empfunden. Ich werde sie wohl selten einsetzen, sie ist vor allem für Titel geeignet, für Akzidenzen nur in Ausnahmen. Sie erscheint mir so freundlich, heiter, leicht, trägt aber auch den festlichen Charakter ihrer Vorbilder in sich. Sie ist eine Erinnerung an die farbigen Seiten des Mittelalters, sie braucht Farbe oder farbige Umgebung, sie ist von Natur aus eine lebendige Prachtschrift, sie verheißt Freude. Aber ich muß noch ein wenig mehr lernen, wie ich sie am besten zur Geltung bringe. Ich werde das dann hier darlegen, wenn ich mehr weiß.

Von meinem Autor Max Goldt erreichte mich dieser Kommentar: Sapristi! Man fühlt sich sofortamento in ein altes, ja niederländisches Naturkundemuseum versetzt.

— Martin Z. Schröder

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