Bleisatz ist Trumpf ? Blau
Am Wochenende habe ich die sogenannten echten Doppelseiten des neuen Buches von Max Goldt, “Nackt in einem Märchenschloß voll wirklich schlechter Menschen”, zu drucken begonnen. Echte Doppelseiten werden jene genannt, die nebeneinander auf einen Druckbogen gedruckt und nicht erst durch die Bindung zu Doppelseiten werden. Die rechte Seite bleibt allerdings noch ein paar Tage frei, denn diese Seite wird fünffarbig gedruckt. Links eine Prachtseite in vier Farben, rechts dann die fünfte. Auf dem ersten Bild ist der aus der Zentenar-Fraktur von Ernst Schneidler gesetzte Text zu sehen. Zur Schrift habe ich schon im März 2008 hier etwas ausgeführt.
Anschließend kam Schmuck um den Text.
Auf diesem Bild ist er genauer zu sehen. Die großen Elemente stammen aus Matritzen der Bauerschen Gießerei, die schmalen Linienstücke sind dem Meister-Schmuck von Herbert Thannhaeuser entnommen.
Dann brachte mich eine Freundin, der ich von der Arbeit erzählte und die sich erkundigte, ob ich ein Schmuckinitial einsetzte, auf den Gedanken, eben dies zu tun. Mir fiel ein, daß ich die 5 Cicero große fette Zentenar-Fraktur von Georg Kraus gekauft, aber noch nicht in den Kasten gesteckt hatte. Ich änderte die ersten Zeilen des Satzes, um Platz für das Initial zu schaffen.
Es ist ein schmerzlicher Moment geworden, wenn ich auf den Platten, auf denen die ausgebundenen Schriften versandt wurden, den Stempel meines verstorbenen Lieferanten sehe. Ich kann ihm die Arbeiten, die aus seinen Lieferungen entstanden, nicht mehr zeigen. Er hat sich immer gefreut, wenn die von ihm gelieferten Schriften gedruckt wurden.
Als bleischweres Denkmal steht diese schöne Schrift nun bei den anderen Zentenar-Schnitten.
In diese Lücke wird das Initial eingefügt werden.
Um mir über die Farben klar zu werden, habe ich die umrandete Kolumne schnell mit Bunstiften skizziert. Schrift blau, Initial rot, Schmuckrahmen von innen nach außen Gold, Rot, Grün.
Der nächste Schritt: der erste Abzug. Noch mit ein paar Druckfehlern, aber im Druckbild schon sehr gut. Die Zentenar-Fraktur im Schriftgrad Mittel (14 Punkt) ist in einem sehr guten Zustand und druckt ohne schweren Druck scharf aus. Eine Zurichtung war nicht nötig.
Auf diesem Foto sind zwei Spieße zu sehen. So nennt man Blindmaterial, das mitdruckt, statt blind zu sein.
Hier sind die Spieße, man drückt sie nur leicht mit der Ahle nach unten.
Dann kam die Stichsäge zum Einsatz, denn die Seite wird schräg gedruckt, wozu die Form im Schließrahmen durch Keile verschoben wird. Die Größe der Keile wird abgemessen, dann werden die Keile zurechtgesägt und -gefeilt. Oder gibt es dafür Spezialwerkzeuge?
Vor dem Druck der Auflage werden alle Teile entfernt, die in anderen Farben gedruckt werden sollen.
Um deren Form zu erhalten, werden sie neu als Rahmen aufgebaut. Fortsetzung Gold folgt. Zur typografischen Idee werde ich später etwas sagen. Dieser Text besteht aus drei Teilen, und im ersten Satz steht der Satz: “Bleisatz ist Trumpf.” Diese Seite illustriert also traditionellen Bleisatz als Buchkunst.
tags: bleisatz, max goldt, märchenschloß, ornament, schmuck, zentenar-fraktur
ben_ am 21. August 2010 # :
Wunderbar! Was für ein tolles Projekt und was für ein noch viel tolleres Blog. Ein weiterer Grund, mich auf meinen baldigen Umzug nach Berlin zu freuen. Ich schaue ganz sicher im Laden vorbei und auch, wenn ich gerade eigentlich nichts zu drucken habe … früher oder später werde ich ganz, ganz sicher Kunde.
Danke schon jetzt! Solche Seiten wie diese machen das Netz immer wieder lesenswert. Danke.
MZS am 21. August 2010 # :
Danke, danke! Und Gäste, zumal so freundliche, sind stets willkommen in der kleinen Berliner Druckerey.