Adieu, Römische Antiqua!
Neulich berichtete ich von der so stark abgenutzten Römischen Antiqua, die Dale für sein Gedichtbuch eingesetzt hat. Das Gedicht (also die Blei-Kolumne) habe ich ausgebunden und verpackt und werde es dem Dichter demnächst übereignen. Den Kasten habe ich geleert. Ich mußte neulich drei Schränke fast komplett ausräumen, weil etwas an ihren Unterlagen nicht in Ordnung war. Und als ich einige schwere Kästen mit so schwarzen Lettern drin vor mir hatte, habe ich den ersten nicht zurückgeschoben, sondern ausgekippt. Auch mit der Vorstellung vor Augen, bei in einigen Jahren eventuell anstehendem Umzug diesen Schrott noch einmal transportieren zu müssen.
Es war das erste Mal, daß ich einen Setzkasten ausgekippt habe. Es tut weh, das muß ich sagen. Jahrzehnte hatte diese Schrift gedient. Sie war nicht gut behandelt worden, der Kasten war sehr stark verfischt, viele Lettern waren beschädigt, viele geradezu breitgequetscht. Es tat mir auch leid, weil man mit der Type nicht sachgerecht umgegangen war, aber ich kann mich schließlich nicht aus Mitleid mit Schrott umgeben. Ich habe viele gute Schriften, ich behandle sie mit größtmöglicher Schonung, und mein Schriftenlieferant in Ratingen wird es gerne lesen, daß ich mich um Platz kümmere für Anschaffungen.
Nachdem die Schrift am Boden lag, habe ich sie zusammengekehrt und in die Zeugkiste getan. Daraus konnte ich neulich einen Fotografen bedienen, der seine Stativbeschwersäcke, für die eigentlich Sand vorgesehen ist, welcher aber nicht genug wiegt, um ein Stativ mit Schirm im Wind bei Außenaufnahmen zu halten, gern mit dem Altblei füllte.
tags: kippen, romana, römische antiqua
Georg Kraus am 3. Mai 2009 # :
Ja, das Kippen tut wirklich weh. Ich habe dann Phantasien von den vielen Druckerzeugnisse, die mit gerade diesen Lettern erstellt wurden. Deshalb „kippen“ wir auch nicht, wir „geben die Schrift zurück ins Blei“ (back to lead). Ein Ausdruck, den ich vor Jahren von einem Buchdruck-Freund aus England übernommen habe. So kann ich mich dann trösten, daß aus den Lettern etwas neues, sinnvolles entsteht: Eine Flintenkugel für den Vorderlader eines Sportschützen oder ein Senkblei für einen Angler. Oder neue Ludlow-Vignetten. Und schon ist der Kreislauf des Werdens und Vergehens wieder geschlossen.
„MZS hat wieder Platz“ so raunt es jetzt von Bremen bis Neu-Ulm durch die Salons der Bleisatz-Schriftenverkäufer. Mehr als ein neidischer Blick wandert nach Westen in das kleine unscheinbare Ratingen, wo tapfer die Tradition und die Liebe zur Bleisatz-Type hochgehalten wird. „Was haben die, was wir nicht haben?“ grummelt es durch’s Land…
stk am 3. Mai 2009 # :
Neu-Ulm? Gibt es dort etwa einen Bleiletternhaendler, oder war das nur ein beliebiger Ort?
Falls es denn einen gibt, oder eine klassische Druckerei wie die Schroedersche, wuerde ich mich ueber einen Tipp freuen, damit ich mal zwecks Besuch ueber die Donau radeln kann!
Georg Kraus am 4. Mai 2009 # :
@ stk
Tut mir leid, den Namen habe ich vergessen :)
Kommen Sie doch zu mir nach Ratingen. Sie sind mir jederzeit willkommen.
Arnold am 4. Mai 2009 # :
@ stk
Süddeutsches Bleisatzkontor
Peter Legler
www.bleisatzkontor.de
stk am 5. Mai 2009 # :
Oi, bedankt! Das werde ich mir bei Gelegenheit mal persoenlich ansehen, sofern der dortige Meister das gestattet ;)
MZS am 5. Mai 2009 # :
Guter E-Name: Peter Legler betet, wenn ekelerregender Drecksregen edle Lettern wegfegt. Fiel mir nur jetzt eben so ein.