Dreiseitenschneider 1947
9. August 2008
Neulich schrieb ich vom Beschneiden des Goldt-Büchleins. Via Sehsucht bin ich auf diesen interessanten alten Film gestoßen, der einen Schriftsteller (so sahen die also damals aus!), die industrielle Buchherstellung anno 1947 mit Maschinensatz, galvanisierten Druckplatten und Buchbindung zeigt. Um die Minute 9 herum sieht man einen Dreiseitenschneider in Aktion, wie er mit drei Messern in zwei Arbeitsgängen gefalzte Druckbogen in Form bringt.
Ob diese in kleine Schritte zerfetzte Arbeit den Beteiligten Vergnügen bereitet hat? Romantisch sieht anders aus.
tags: dreiseitenschneider
nina / sehsucht am 9. August 2008 # :
Danke für den Link und Deinen Kommentar!
Ich fühlte mich beim Betrachten des Films spontan an einen anderen Dokumentarfilm aus den 1910er Jahren erinnert, in dem die Arbeitsschritte in einer britischen Keksfabrik auf recht ähnliche Weise gezeigt werden (den Film gibts meines Wissens leider nicht online). Menschen an großen Maschinen, Menschen an Fließbändern, die den ganzen Tag dieselben drei Bewegungen ausführen: Bleibt schon die Frage, ob es damals so einen großen Unterschied machte, ob man in einer Keksfabrik oder einer Druckerei arbeitete …
MZS am 9. August 2008 # :
Bestimmt nicht. Ich hab ein paar Jahre als Schriftsetzer im Akkord gearbeitet. Von 6 bis 15 Uhr, bis mein Chef mir “gleitende Arbeitszeit” einräumte, dann mußte ich spätestens um 8 am Setzkasten stehen und durfte bis 16 Uhr bleiben. Die Füße taten mir abends trotzdem weh. Und nach dem ersten Jahr wurde die Arbeit recht langweilig, obwohl es Akzidenzen waren.
In so einer Druckfabrik hat der Beruf gar keinen Reiz mehr. Reizvoll ist da für den Gast die Mechanik der Maschinen, diese eleganten Papierausleger an der Druckmaschine, phantastisch!
Georg Kraus am 10. August 2008 # :
Nein, so sah damals sicher kein Autor aus. Der Mann hat sich aufgebretzelt für den Film, das ist doch klar.
So sah 1951 der deutsche Autor Ernst von Salomon aus, der den ersten Verkaufsschlager nach dem Krieg in Westdeutschland schrieb “Der Fragebogen”. Das Photo entstand nach einer Lesung kurz vor der Rückfahrt in der Bahnhofsgaststätte. Am Tisch sitzend Ernst Rowohlt, der Verleger EvS.
Photo-Verweis
Das Bild stammt von der Netzseite des Deutschen Historischen Museums, Berlin. Es hängt übrigens auch als DIN A1-Poster gerahmt in meiner Setzerei.
Ansonsten habe auch ich in den 1980er Jahren “Freßanzeigen gekloppt” wie am Fließband für eines dieser kostenlosen Anzeigenblättchen, wie es sie auch heute noch überall gibt. Abends, nach Feierabend, von 18 Uhr bis Mitternacht. “Keinen Weißraum lassen, möglichst große Schrift reinpacken.” So die typographische Auflage des Vertriebsleiters. Nun ja. Es hat gutes Geld eingebracht, gezahlt wurde bar auf die Kralle und mehr erwartete ich von denen damals auch nicht.
MZS am 10. August 2008 # :
Zwar benimmt sich da jemand, wie man sich auch in einer Bahnhofsgaststätte nicht benehmen sollte und gab’s offenbar keine bewachte Garderobe, aber diese Bahnhofsgaststätte sieht eher nach kleinem Prunksaal aus.
Natürlich trägt der gegenwärtige Hauptautor der Druckerey auch eine gute Jacke.