Schneiden, Rillen, Legen
Wenn nächste Woche die 600 Büchlein aus der Buchbinderei kommen, geht es noch einmal richtig los. Jedes Buch muß an den drei offenen Seiten beschnitten werden, denn durch das Binden einer Lage ineinandergesteckter Bogen ergibt sich eine unsaubere Kante. Durch den Falz ist das Büchlein aber auf der Falzseite etwas höher, so daß man nicht so viele Bücher übereinander legen kann zum Schneiden. Erst werden Kopf und Fuß beschnitten, dann die Vorderseite. Industriell werden Bücher im Dreiseitenschneider beschnitten. Da liegt ein Stapel drin, entweder der Buchblock oder beim Softcover das fertige Stück. Das Messer ist zum U geformt und schneidet alle drei Seiten mit einem Mal.
Berichtigung 29. Juli 2008 von sf: eine Anmerkung zum Dreischneider: diese Maschinen werden mit 3 Messern betrieben, sonst käme der berühmte Schrägschwingschnitt nicht zum Tragen. Würde das Messer parallel zum Schnittgut aufsetzen, wäre die aufzubringende Kraft erheblich größer. Das Messer wäre auch schnell stumpf. Also erst Kopf- und Fußbeschnitt gleichzeitig, dann vorn. Oder umgekehrt.
Das beschnittene Büchlein hat eine Höhe von 200 Millimetern, und so kann ich auch den grünen Umschlag schon auf Format schneiden. Außerdem habe ich die Breite der Klappen nun genau abgemessen. Unter den Klappen ist der angebundene rosa Umschlag bei diesem Büchlein auch bedruckt worden, davon soll aber nur ein kleiner Teil, nämlich die Schnauzen zweier Kraftfahrzeuge, zu sehen sein.
Das Messer ist scharf wie eine Rasierklinge. Natürlich schneidet man sich daran nicht, weil man die Finger davon läßt (nachdem man irgendwann so blöd war, doch mal nachzugucken, ob es wirklich so scharf ist wie alle sagen, die eine Schneidemaschine haben). Es kommt aber immer wieder vor, daß man sich an den scharfen Kanten des Papiers schneidet. Und wehe man merkt es nicht gleich und befleckt das Papier!
Nach dem Schneiden hat man einen Berg von Schnipseln. Und wenn gerade gut aufgelegte Kundschaft zu Besuch ist, baut sie sich eine modische Kopfbedeckung daraus.
tags: atlas van de nieuwe nederlandse vleermuizen, max goldt
Georg Kraus am 25. Juli 2008 # :
Was, bitte, ist denn ein „Softcover“? Meinen Sie ein Taschenbuch?
Oh, oh, ich bin schon wieder boshaft — ich lebe!
Gott grüß die Kunst, Kollege Schröder. Ganz egal, ob im Soft- oder im Hardcover-Kleidchen.
sf per E-Mail am 30. Juli 2008 # :
Lieber Herr Schröder, eine Anmerkung zum Dreischneider: diese Maschinen werden mit 3 Messern betrieben, sonst käme der berühmte Schrägschwingschnitt nicht zum Tragen. Würde das Messer parallel zum Schnittgut aufsetzen, wäre die aufzubringende Kraft erheblich größer. Das Messer wäre auch schnell stumpf. Also erst Kopf- und Fußbeschnitt gleichzeitig, dann vorn. Oder umgekehrt.
Herzliche Grüße von sf
MZS am 30. Juli 2008 # :
Lieber Herr Kraus, der Begriff “Taschenbuch” bezeichnet in meinen Augen ein kleines Buch, das man in die Tasche stecken kann; über die Bindung sagt der Begriff nichts. Wie könnte ich die Unterscheidung zwischen Hard- und Softcover mit deutschen Wörtern treffen? Hart- und Weichbindung würde mich zu sehr an den albernen Gesichtserker erinnern, den die Puristen zu Goethes Zeiten für das Wort Nase gebraucht wissen wollten.
Für die Korrektur meines Irrtums hinsichtlich des Dreiseitenschneiders (Berichtigung wurde in den Haupttext eingefügt) danke ich herzlich sf
sf am 30. Juli 2008 # :
Schriften, die mit flexiblem Einbandmaterial gebunden wurden, hießen seinerzeit Broschur oder Broschüre. Hardcover: Bücher mit festem Einband.
MZS am 30. Juli 2008 # :
Da sind Hard- und Softcover aber doch einfacher, zumal man unter Broschüre meistens was mit Faden oder Klammer (das schöne Wort Drahtrückstichbroschur) versteht. Der Goldt-Atlas ist eine Englische Broschur (fadengeheftet mit lose umgelegtem Schutzumschlag), aber kein Taschenbuch und auch kein Softcover. Oder?
sf am 30. Juli 2008 # :
Die Bezeichnung Broschüre sagt noch nichts über die Bindung des Buchblocks. Es gibt Rück- und Seitstichb., auch eine Klebebindung oder Fadenheftung kann eine B. werden. Englische B. sagt mir nur etwas über den minimal überstehenden umgelegten Umschlag, nichts über die Bindung. Andersrum gibt es auch einlagige feste Einbände, man kennt es von Kinderbüchern. Auch seitstichgeheftete Blocks können fest eingebunden werden: in die “fünfteilige Decke”.
Mann muss eigentlich immer die Art der Bindung und die Einbandform beschreiben, wenn genau sein möchte.
MZS am 30. Juli 2008 # :
Vielen Dank!
Georg Kraus am 31. Juli 2008 # :
Die Beschreibung der Produktionsweise mag für uns Professionelle ausschlaggebend sein. Für die Einführung in den Leser-Markt jedoch hat der technische Terminus der Bindung wohl eher keine Bedeutung.
Ich beziehe mich auf Ernst Rowohlt. Nach dem Krieg wurde er mit seinem “Rotationsdruck für Taschenbücher” (später rororo genannt) bekannt. Er erreichte damit aufgrund der Massenauflagen sehr niedrige Produktionskosten und das Lese-Publikum dankte es ihm. Weniger bekannt ist vielleicht, daß Ernst Rowohlt bereits Ende der 1920er und 1930er Jahre Romane (dort sowohl Belletristik als auch die Werke neuer Autoren), aber auch Sach-Bücher im Großformat von der Rolle hat drucken und vertreiben lassen.
Ich muß in seiner Biographie nachlesen, wie der Verlag diese Publikationen nannte. Der Name bezog sich nämlich ausdrücklich auf den damaligen Pappumschlag und die Fadenheftung.
Georg Kraus
MZS am 1. August 2008 # :
Ja, bitte! Bitte schauen Sie bei Gelegenheit nach.
Georg Kraus am 1. August 2008 # :
Guten Morgen Herr Schröder,
leider habe ich vergeblich in Rowohlts Biographie nachgeschlagen. Ich erinnere mich nun, daß der Begriff im Zusammanhang mit dem Erstwerk des Ernst von Salomon “Die Stadt” aus dem Jahre 1930 genannt wurde. Aber EvS Gesamtwerk ist recht umfangreich und ich kann mich nicht erinnern.
Aber mich interessiert tatsächlich, was Sie beide — Autor und Schweizer Degen — dort eigentlich gescchaffen haben. Wir sind uns sicher einig, daß es sich um Kunst handelt. Aber sicher auch um Kunst mit gesellschaftspolitischem Anspruch, inspiriert durch den Dadaismus? Ich bin Laie, man verzeihe mir mein Herumgestochere. Kann man sagen, daß es sich um eine kurze schriftliche Abhandlung handelt? Dann würde ich Ihr Werk ein Traktat nennen. Traktat klingt, finde ich, sehr gut. Es hat etwas ernsthaftes, aber auch, aus heutiger Sicht, etwas leicht selbstironisches?
Ja, ich würde das Wort Traktat empfehlen.
Georg Kraus
MZS am 1. August 2008 # :
Nein, bestimmt kein gesellschaftspolitischer Anspruch, inspiriert durch Dada eher sehr, sehr wenig, und es handelt sich auch nicht um ein Traktat bei dem Büchlein von Goldt, sondern um eine Sammlung von Miniaturen: Minis-Essays, Gedichte, Mini-Dramen, die typografisch interpretiert wurden. Bald ist Auslieferung, dann werden Sie das Werk ja sehen.