Ein Praktikant (2) · 2. Juli 2015

In der zweiten Woche des Schülerpraktikums hat mein 15jähriger Gast einen längeren Text entworfen und gesetzt. Meistens gibt man Praktikanten irgend etwas zu tun, was nicht so wichtig ist, aber gemacht werden muß, und sie sollen sich den Betriebsablauf ansehen. Für einige mag das ein gutes Verfahren sein, aber das kann auch etwas fad werden. Hat man, wie ich nun gerade, einen Praktikanten, der sich interessiert, umsichtig und geschickt zeigt, lohnt sich ein höherer Aufwand. Lohnt sich? Damit ist nicht das Finanzielle gemeint. Mir macht es Spaß, wenn sich jemand so in die von mir geliebte Arbeit vertieft und sich so geschickt anstellt. Da schaut man doch einfach gern zu.

Nach der Visitenkarte sollte eine größere Arbeit entstehen. Aus der Facebook-Gemeinde kam der Vorschlag, einen Text von Irmgard Keun aus dem »Kunstseidenen Mädchen« für ein kleines Plakat zu verwenden. Der Praktikant lernte, was Ideenskizzen sind und fertigte einige an.

Nach dieser ersten Entscheidung für eine figürliche Darstellung wurde eine Klebeskizze angefertigt. Zuerst werden alle Wörter ausgeschnitten.

Dann werden sie arrangier und aufgeklebt.

Statt die Wörter einzeln aufzukleben, haben wir durchsichtiges Klebeband verwendet.

Wenn man die Schnipsel mit der Sprühflasche anfeuchtet, springen sie nicht ganz so wild elektrostatisch an das Klebeband, sondern kräuseln sich erst mal hübsch.

Danach geht es an den Setzkasten.

Wir haben die Schrift Koralle aus dem Jahr 1915 (Erstguß) für die Überschrift verwendet, weil sie ein großes Eszett hat.

Das ist der erste Teil der Kolumne.

Hier sieht man das versale Eszett in der Vergrößerung.

Dann werden alle Teile zusammengestellt. Gewöhnlich bekommen Anfänger keine Ahle in die Hand, weil deren stählerne Spitze bei falschen Bewegungen die weichen Bleilettern beschädigen kann. Aber wenn sich ein Praktikant so geschickt anstellt wie dieser, bekommt er auch die anspruchsvollen Werkzeuge in die Hand.

So sieht die geschlossene Druckform aus, die im Heidelberger Tiegel gedruckt werden soll. Das darf der Praktikant nicht, das Drucken an einer großen Maschine läßt sich nicht in ein paar Tagen lernen. Und die Maschine ist mangels Lichtschranken und anderer Schutzvorrichtungen auch zu gefährlich.

Der erste Abzug. Fast fehlerfrei, nur ein kopfstehendes »F« ist zu korrigieren. Der Kopf dieser Figur ist aus der Koralle gesetzt und läuft zu breit. Der Rumpf aus Schreibmaschinenschrift, die Beine aus schmalmagerer Futura, die Knöchel aus schmalhalbfetter Futura, und die Schuhe schließlich aus der Schreibschrift Legende. Nebenher gibt es zu all diesen Schriften Informationen für den Praktikanten. Wir haben Schriften verwendet, die zur Zeit der Erstveröffentlichung des Romans passen.

Der Kopf wird neu arrangiert, aber er wird auch dann noch etwas klobig sein. Vielleicht setzen wir ihm ein Hütchen auf. Das werden wir in der nächsten Woche sehen, wenn diese Arbeit fertiggestellt wird.

— Martin Z. Schröder

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Eine feine und eine schlagkräftige Entschuldigung · 28. November 2010

Gelegentlich geht es zwischen Menschen so verfahren zu, daß einer schriftlich um Verzeihung bitten möchte. Ich schlage eine halbwegs feine englische Art vor mit einem Kärtchen in einem schmalen Format, das man einst Damenformat nannte. Die Maße: 175 mal 90 Millimeter. Der gedruckte Text ist aus der 1910 in der Schriftgießerei Hermann Berthold AG in Berlin erstmal gegossenen Schrift Kavalier von Hermann Zehnpfundt gesetzt. Dazu gibt es ein passendes Kuvert mit grauem Seidenfutter. Erwerben läßt sich das Kärtchen hier.

Die gedruckte Schrift ist aus dem Schriftgrad Petit (8 Punkt) gesetzt, deshalb hier eine Vergrößerung. Eine digitale Variante dieser Versalschrift sah ich bislang nicht, es handelt sich wohl um eine kleine Rarität. Schon im Bleisatz ist sie mir selten untergekommen, durch einen glücklichen Zufall habe ich vor ein paar Jahren mehrere Grade dieser Type erwerben können.

Ganz anders die deutsche Variante. Eines Tages drucke ich vielleicht noch eine feine deutsche Karte mit Verzeihungsersuchen, aber mir war nach gröberer Gangart. Mit dieser Karte bringt man sein Opfer zum Schweigen, sie entspricht der zeitgemäßen Art: Einer sagt was öffentlich, ein anderer nennt es eine ungeheuerliche Entgleisung und fordert Entschuldigung und Rücktritt. Ich habe es nicht fertiggebracht, die Selbstentschuldigung zu setzen, weil sie keinen Sinn ergibt. Man kann sich nicht selbst entschuldigen, man kann nur darum bitten, daß andere einem verzeihen. Und verzeihen kann man, ohne darum gebeten zu werden.

Die Karte wurde erst mit einem Bordeauxrot gedruckt, danach unter Auslassung eines Wortes von derselben Druckform in Schwarz.

Wenn man im zweiten Druckgang die Druckform minimal verschiebt, ergibt sich diese in der Vergrößerung deutlich sichtbare Wirkung. Auch diese Karte ist im Online-Shop der Druckerey zu finden, der direkte Weg führt hier entlang.

Für Besitzer eines Televisors ein Tip: Heute in der ARD, oder heißt es »im Ersten«?, in der Sendung »Druckfrisch« um 23.35 geht es (am Ende der Sendung) um ein den Lesern dieses Blogs vertrautes Büchlein.

— Martin Z. Schröder

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Schmalmagere und dreiviertelfette nieuwe Vleermuizen · 7. Februar 2008

Es mangelt mir an Zeit, deshalb kommen die Fortschrittsnachrichten zum neuen Büchlein von Max Goldt dieser Tage spärlicher. Ab und zu ein Eilauftrag ist leicht zu verkraften, aber mehrere auf einmal fesseln den Drucker an das Tagewerk, und das ist ja auch nicht unwillkommen.

Es gibt Neuigkeiten: Das Büchlein hat einen Titel bekommen: Dieser lautet Atlas van de nieuwe Nederlandse vleermuizen.

Ich freue mich über die Nachfragen hinsichtlich des Erwerbs der Vleermuizen, weil sie so freundliches Interesse an unserer Arbeit bekunden. Aber Bestellungen kann ich noch nicht annehmen. Sobald ich den Vertrieb organisiert habe, gebe ich hier Nachricht. Vor dem Spätsommer werde ich aber mit all dem Setzen, Drucken und Binden kaum fertig sein.

Gestern habe ich eine weitere Doppelseite gedruckt. Die beiden abgebildeten Seiten werden im Büchlein nicht nebeneinander stehen. Das bemerke ich noch einmal, weil die später im gebundenen Büchlein einander gegenüberstehenden Seiten aufeinander abgestimmt werden. Den gestern gedruckten Seiten in einem grünlichen Blau (es sind die Seiten 12 und 21) werden die im vorherigen Beitrag vorgestellten braun gedruckten Seiten beigesellt werden.

Auf der linken Seite des neuen Bogens steht eine Aufforderung an sich auf sämtlichen Gebieten durch große Leistungen auszeichnende Gäste eines Haushaltes, die ins Badezimmer zu hängen ist. Zum Einsatz kamen die Futura Buch (ein Schnitt zwischen mager und halbfett, der längere Texte angenehm lesbar machen soll), die schmalmagere und die dreiviertelfette Futura, letztere ist seltsamerweise nicht digital zu haben, sondern nur im Bleisatz. Sie wird sogar noch gegossen, nämlich in der Bauerschen Gießerei in Barcelona, einst eine von zwei spanischen Filialen des Stammhauses in Frankfurt, die zweite war in Madrid ansässig.

Zum Text aus Futura wurde Schmuck gesellt, das Initial A wurde aus zwei schrägen spitzwinkligen Dreiecken zu einem gleichschenkligen geformt. Durch einen glücklichen Zufall konnte ich ein Paket mit geometrischen Messing-Ornamenten erwerben, die den bereits vorhandenen Bestand ergänzten. Wie immer war das Auspacken aus der Originalverpackung der Gießerei ein Fest. Diesmal stammt das Paket aus der Johannes Wagner GmbH – Schriftgießerei und Messinglinienfabrik in Ingolstadt, die in den 1990er Jahren schloß. Ein Teil der Schriftmatrizen ging aus Ingolstadt nach Barcelona, beispielsweise die der Englischen Schreibschrift Excelsior, deren Bestand ich einst mit Lieferungen aus Ingolstadt aufbaute und jünst mit Lieferungen aus Barcelona erweitern konnte. Die Ingolstädtische Gießerei hat eine bewegte Nachkriegsgeschichte hinter sich, die ich bei Gelegenheit einmal erzählen möchte. In braunes Packpapier waren die Messingteile eingeschlagen, darunter kam rotes Wachspapier zum Vorschein, das innen mit weißem, weichen Papier gepolstert war. Das Messing leuchtet einem dann wie ein Goldschatz entgegen. Es ist schon auch immer etwas merkwürdig, so alte Sachen aus der Originalverpackung zu nehmen, in einen Kasten einzusortieren und auch zu verwenden. Man fragt sich ja unwillkürlich, was mit den Sachen geschehen wird, wenn man selbst aus irgendwelchen Gründen nicht mehr darüber verfügen kann.

In ein Oval, das einen Spitzfederzug imitiert, habe ich die Überschrift des Textes gestellt. Könnte ein Spiegel im Badezimmer sein. Das ist nicht ganz einfach zu bauen, wie man auf dem Foto vielleicht sieht. Die Lettern müssen im Rahmen fest verkeilt werden, damit sie während des Druckens in der Maschine an ihrem Platz bleiben und auch das Blindmaterial (die nichtdruckenden Teile) durch die Erschütterungen der Maschine nicht auf Schrifthöhe steigen und als Spieße mitdrucken. Gewöhnlich muß man Formen nicht so fest bauen, weil sie Halt finden durch das Schließen der Druckform, worin Keilschlösser die Einzelteile zusammendrücken und im Rahmen durch diesen Druck festhalten. Messing ist aber starr, man kann das Oval nicht von außen zusammenpressen, sondern muß die Schrift innen von Hand verkeilen. In nebenstehendem Foto steckt der Vierkant-Schlüssel in einem Schließzeug, wie wir die Keilschlösser nennen. Alle drei Schlösser in diesem Rahmen werden beim sogenannten Formschließen gleichmäßig Zug um Zug angezogen. Die Qualität des Schriftsatzes zeigt sich, wenn der Rahmen gehoben wird. Sind die Zeilen unterschiedlich mit dem nichtdruckenden Material gefüllt, also verschieden lang, dann wird das ein oder andere Teil der Form entgleiten. Im schlimmsten Fall bricht sie einfach durch. Ist mir bislang noch nie passiert. (+++) Angst ist manchmal ganz gut, weil sie vorsichtig macht. Und freilich hebt der vorsichtige Drucker die Form nach dem ersten Schließen erst einmal nur einige Millimeter an und tastet sachte nach lockeren Teilen. Denn zerrisse es die Form gar erst in der Maschine, wäre das Geschrei groß.

Auf der rechten Seite steht einer der Texte von Max Goldt, die sich dem Medium Radio widmen. Goldts Radiotrinkerin ist sicherlich sein bekanntester Radio-Text. In unseren Vleermuizen nun wird ein etwas ausführlicherer Programmhinweis auf eine Diskussion dargeboten. Ich habe den Text aus der Schreibmaschinenschrift gesetzt, er könnte also das Manuskript sein, das ansagend abgelesen wird. In diese Ansage platzt die Hereinreichung zweier Zettel aus aktuellem Anlaß einer Programmänderung. Diese Passagen sind aus der Schrift Block-Signal gesetzt, die, so gibt mein Bleisatzlieferant Georg Kraus Auskunft, Walter Wege für die Berliner Schriftgießerei H. Berthold AG entworfen hat und die 1932 erstmals gegossen wurde. Eine Schreibschrift mit wenigen Rafinessen. Es gibt zwei Versionen der Minuskel s, einmal mit einem Strich zum nächsten Buchstaben, einmal ohne. Am augenfälligsten sind die beiden Versionen des r. Das runde r hat seinen Ursprung in der karolinigischen Minuskel und wurde bis ins 17. Jahrhundert als eigener Buchstabe, später als Teil von Abkürzungen verwendet. In manchen Schreibschriften hat es sich gehalten, in vielen älteren Handschriften ist es zu sehen. In der Excelsior beispielsweise ist das runde r als eine Figur gearbeitet, an die sich der folgende Buchstabe anschließt, das gerade r ist als Schluß-Buchstabe ausgeführt. Anders in der Block-Signal, hier sind beide für die Verwendung im Wort geeignet. Ich habe die verschienenen r in den Zeilen der Block-Signal gemischt, in dem Wort “durch” sieht das runde r für meine Lesegewohnheit derart seltsam aus, daß ich “dusch” zu lesen geneigt bin, an anderen Stellen bleibe ich nicht hängen.

Gedruckt habe ich mit grünlichem Blau, das ich ein wenig mit Schwarz abgetönt habe. Der Vorzug der alten Buchdruckfarben ist, daß sie nur auf dem Papier trocknen, nicht aber in der Maschine. Offsetfarben von heute sind für schnellstes Trocknen eingerichtet, damit die Farbe in den rasend schnell druckenden Maschinen nicht verwischt oder abzieht. Ich bin sehr froh, daß ich noch alte Farben verwenden kann; irgendwann aber muß ich mich wohl neueren Produkten nähern. Ein schönes rötliches Blau geht schon zur Neige.

Das letzte Bild zeigt einen Kontrollblick. In dem Büchlein, das den Vleermuizen vorausging, dem Plastikfisch, habe ich einen Satzspiegel konstruiert in Seitenverhältnissen nach der Gutenbergbibel. Streng daran halten will ich mich diesmal nicht, weil manche Entwürfe aus diesen Maßen ausbrechen. Aber textlastige Seiten (und Text gibt es diesmal mehr als im Vorgänger) sollen den Entwurf beibehalten.

Schließlich möchte ich auf das noch recht neue Blog “Schweizer Degen. Print & Publishing Consulting” von Johannes F. Woll hinweisen, das vor allem für Kollegen interessant werden könnte. Auf der Suche nach bloggenden Druckern fand er erst einmal einen, der zufällig älteste und neueste Medientechnik verbindet – vielen Dank für die freundliche Empfehlung!

— Martin Z. Schröder

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Junge Setzer und Drucker, Teil 2 · 7. Dezember 2007

Im Dezember vergangenen Jahres bot ich Freunden an, einen ihrer Söhne für ein paar Tage in meine Werkstatt zu entsenden zu einem Bildungsurlaub. Die Freunde kamen auf den Gedanken, daß es mit zwei Buben für alle Beteiligten angenehmer sein könnte; aus Erfahrung befürwortete ich diesen Vorschlag, und im August wurden mir für eine Woche zwei 8jährige Praktikanten ins Haus gebracht: Malte (links im Bild) und Luca (in der Mitte). Die Vorbereitung dieser Aktion war recht ungefähr, weil ich einen der beiden nicht sehr gut, den anderen gar nicht kannte. Aber ich wollte schon wie einst mein erster Meister (siehe Teil 1) ein Werk fabrizieren, das wir alle drei auch noch Jahre später gern in den Händen halten würden.

Mein letztes Schulprojekt mit einer Arbeitsgemeinschaft einer Freien Schule hatte ich mit 12jährigen absolviert, in diesem Alter war man im Mittelalter fast erwachsen. Davor hatte ich mehrere Semester Studenten unterrichtet, die zum Arbeiten keiner Überredung und Lockung bedurften. Daß ich familiär mit einem Kind Umgang pflegte, liegt lange zurück, das Kind studiert heute Jura. Also viel Übung hatte ich nicht mehr. Wichtig war mir, daß meine Gäste sich in der Werkstatt wohlfühlten. Je jünger ein Mensch ist und je geringer das, was wir Einsichtsvermögen nennen, desto ernster muß die individuelle Freiheit genommen werden. Außerdem sind uns gerade bei Erinnerung an die eigene Kindheit heutige Kinder und ihre Lebenswelt doch so fern, daß wir Kindern zutrauen sollten selbst zu wissen, was für sie gut ist. Zumal man gerade das am besten lernt, wenn man es übt. Soweit die Theorie. Als einer der Gäste nach der ersten Zeile im Winkelhaken keine Lust mehr hatte und auf den Hof verschwand, war ich im ersten Moment doch enttäuscht. Aber man kann einem Erwachsenen wohl sagen, daß manche Arbeit am Anfang schwer ist und er durchhalten möge und ein Lohn sich einstellen werde. Spricht man so zu einem Kind und baut womöglich Druck auf, riskiert man, manifeste Ablehnung zu provozieren. Also hielt ich die Klappe und übte mich nach Kräften in Langmut. Dieses Vorgehen wird an unseren staatlichen Schulen leider nicht in Erwägung gezogen, da eine Lehre im Lehrplan steht, die sehr eingeschränkte Begriffe von Bildung und Ordnung hat und keinen von Freiheit, Persönlichkeit und Eigensinn. Sicherlich ist schon herausgeklungen (und habe ich im letzten Beitrag ausgeführt), wie wenig mir die Pädagogik als Wissenschaft oder Methode einleuchtet. (Meine Diplom-Arbeit als Sozialpädagoge habe ich über die Mißlichkeit des Erziehungsgedankens im Vollzug der Untersuchungshaft von Jugendlichen geschrieben.) Und nun ergab sich meine durch antipädagogische Theorie leicht zu gewinnende Einsicht, daß wir zwischendurch immer mal wieder eine Eichelschlacht auf dem Hof und dergleichen einlegen mußten, weil meine Gäste ein stärkeres Bedürfnis nach Bewegung hatten als etwa Design-Studenten.

Wir haben mit meiner Langmut-Übung und ohne Streß immerhin binnen fünf halben Tagen ein Büchlein in Broschurform angefertigt. Grundlage ist ein Gedicht von Christian Morgenstern: „Neue Bildungen, der Natur vorgeschlagen“ (siehe Fotos). Diesen Text haben wir durch eigene Schöpfungen ergänzt, was den Titel des Werkes, genauer: die Autorenzeile erklärt. Er ist gesetzt aus Futura schmalhalbfett, Futura Buch und Steiler Futura. Die Morgenstern-Zeilen innen sind in braun gedruckt, unsere Erfindungen blau. Das nächste Bild zeigt links drei Morgenstern-Zeilen in Garamond und rechts drei Schöpfungen von uns in Schreibmaschinenschrift und Futura schmalmager. Meine Seitenplanung geriet schnell durcheinander, nicht nur wegen der amüsanten Ablenkungen, sondern weil ich in der Werkstatt auch immerzu auf alle möglichen Gefahrenquellen achten mußte und Sicherheitsbelehrungen wiederholen. (Es ist auch kein Unfall passiert.) Aber als Handwerker ist man an Improvisation gewöhnt, so daß das Büchlein zwar nicht wie geplant, aber ausreichend adrett entstehen konnte.

Das nächste Foto zeigt magere und dreiviertelfette Futura. Danach links die „Gier(!)affenschlange“ in magerer Pracht-Antiqua und rechts Morgensternzeilen in schmalfetter Pracht-Antiqua mit einem Linolschnitt. Geplant hatte ich, daß die Praktikanten den Linolschnitt anfertigen, aber das Material ist so hart, daß ich für den Walfischvogel selbst zu den Messern griff. Inzwischen hatten sich die beiden die Arbeit klassisch geteilt: Malte war als Schriftsetzer tätig. Er fand sich im Setzkasten erstaunlich schnell zurecht. Die Lettern liegen darin in etwa 125 Fächer verteilt. Freilich mußte Malte nicht wissen, wo die Buchstaben mit Akzenten liegen, aber er merkte sich sehr fix, wo er die häufigsten Typen finden würde. Luca arbeitete an der Presse als Buchdrucker. Es gibt an meiner Maschine eine Schwachstelle: Der Walzenlauf ist etwas ungünstig konstruiert, die Walzen springen an einer Stelle, wenn man den Hebel ohne Feingefühl führt. Luca hatte das bald intuitiv im Griff. Das etwas schwierigere Einrichten der Druckform oblag mir. An der Papierschneidemaschine arbeiteten wir zu dritt. Es handelt sich dabei um die einzige moderne Maschine meiner Werkstatt, eine große Wohlenberg mit Lichtschranke, so daß Unfälle mit dem Messer ausgeschlossen sind. Freilich stand ich beim Schneiden immer dabei. Und das Einbinden mit Nadel und Garn erledigte ich am Ende allein, eine Woche ist für ein solches Projekt nicht viel.

Auf dem nächsten Bild ist die Gänseschmalzblume aus Excelsior (Englische Schreibschrift/Anglaise) gesetzt, darunter eine halbfette kursive Fundamental. Rechts die Unger-Fraktur, über die ich früher schon geschrieben habe. Sie ist so gut lesbar wegen ihrer Nähe zu unserer Antiqua. Der Linolschnitt drückt erstens durch, weil das Papier sehr lichtdurchlässig ist (geringe Opazität), und ein bißchen Farbe hat auch abgezogen, wir hatten einfach nicht genügend Trockenzeit in der einen Woche. Auf der letzten Seite das Impressum in kursiver und gewöhnlicher Garamond.

Zu Hause haben wir einmal versucht zu pokern, weil die Jungs pokern wollten. Die Regeln dafür fanden wir im Internet, aber sie erschienen uns zu kompliziert. Außerdem fehlte es uns an Geld. Doch wozu waren wir täglich in einer Offizin? Geld an sich ist bekanntlich schnöde, aber es ist eine Art Urkunde für einen Tauschwert und wird deshalb oft fein entworfen. Wie die fette Schrift auf unserem Foto heißt, weiß ich leider nicht. Werde mal im Forum des Bleisetzers fragen. Solche häßlichen Schriften nannten wir in der Druckerei Rapputan, wo ich früher Schriftsetzer war, Klamottenschriften. Das erscheint mir heute noch mir passend.

Aktualisierung: Das Bleisetzer-Forum wird von einem Kenner der Bleisatzschriften gelesen, der mir nun schrieb: “Die gesuchte “50 Euro”-Schrift heißt Belvedere, von der Bauerschen Gießerei. Entwerfer war Heinrich Wieynck 1906.”

Als ich mich bei Luca und Malte erkundigte, wie die Bank denn heißen solle, die unsere Note herausgibt, sagte Luca sofort: „Bescheuerte Bank“. Dies deuchte uns nach kurzer Beratung überaus geeignet.

Mit dem Pokern hat es dann nicht recht geklappt, weil wir keine vernünftigen Regeln erfinden konnten. Luca hat öfter versucht, Einkäufe und Museums-Billetts mit unserem Geld zu bezahlen, aber die Note der Bescheuerten Bank fand keine Akzeptanz. Obwohl der Name dieser Bank aus der Chevalier gesetzt ist. Formen einer solchen Schrift finden sich auch auf der Dollar-Note.

Gearbeitet habe ich in dieser einen Woche freilich nicht. Nur ein paarmal kam Kundschaft, um Ware abzuholen, die ich in der Vorwoche gedruckt hatte, wobei auch das Foto von uns dreien entstand, für das wir Susanne Fleck herzlich danken. In der Werkstatt habe ich vor Trubel das Fotografieren schlicht vergessen.

Ich war etwas in Sorge, daß meine beiden unbefangenen Gäste zuviel mit meinen Kunden reden würden, interne Betriebsangelegenheiten ausplaudern, aber meine Kunden waren von meinen Gästen sehr angetan. Ich hatte bald das Gefühl, es wäre förderlich fürs Geschäft, zwei freundliche Buben Konversation treiben zu lassen. Meine Kunden schauten sich an, wie weit es die Papierflieger auf der Straße brachten und ließen sich auch Mitbringsel aus dem Naturkundemuseum vorführen.

Mir war nach einer Woche wieder einmal deutlich geworden, welches Vergnügen den Erwachsenen in ihrer abgeschlossenen Arbeitswelt entgeht, wenn sie Kinder in einer abgeschlossenen Schulwelt aufbewahren und sich nur abends treffen. Und für Kinder wäre es freilich auch interessant, mehr von der Arbeitswelt mitzubekommen. Zwar spielt sich Arbeit viel im Büro ab, aber ich fand es als Kind absolut großartig, wenn mich meine Eltern in ihre Büros mitnahmen: meine Mutter, die ein Bilderbuchlektorat leitete, in den Kinderbuchverlag Berlin, mein Vater, Mitglied der Chefredaktion, in die Redaktion der NBI (Neue Berliner Illustrierte). Ich konnte mich dort frei bewegen und lernte viele Leute und ihre Arbeitsplätze kennen. Am aufregendsten war, als mich ein Fotograf der Illustrierten mit in ein Museum nahm, wo ich schwarzen Stoff hinter Vitrinen hielt, damit er blendfrei fotografieren konnte. Mit eitel Freude betrachtete ich die Bilder später in der Illustrierten – und fand vor allem den schwarzen Hintergrund überaus gelungen. Und ich hatte eine ziemlich genaue Vorstellung davon, was meine Eltern tagsüber anstellten.

— Martin Z. Schröder

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