Zipperlein III · 26. Mai 2011
Zum Schluß nun also wurde Gold über Rot gedruckt und danach die Karte gerillt, um sie zur Klappkarte zu machen. Nun hat man nicht so oft, wie man vielleicht gern möchte, Gelegenheit, jemanden zu dessen fünfzigstem Geburtstag an den leiblichen Verfall und das Elend der nächsten Generation zu erinnern. Ich werde die Karte auch zu anderen Geburtstagen verwenden. Auch wenn ich die erste Zeile, bestehend aus “Fuff-” sehr schätze, so halte ich es für richtig, gegebenenfalls kühn einen Strich über den Anfang zu setzen und grob “Zum achtunddreißigsten” oder “Zum einundsechzigsten” Geburtstag daneben zu schreiben.
Die Karte ist im Internet-Shop der Druckerey erhältlich.
— Martin Z. Schröder
Zipperlein II · 24. Mai 2011
Das F der Zentenar-Fraktur hat eine so weite Unterlänge, daß diese auch in geringeren Größen ein Loch reißt, das Gewicht der Type liegt oberhalb der Unterlänge und stünde deshalb oberhalb des Kreises. Deshalb erschien mir die Schrift ungeeignet.
Das F aus der namenlosen Gotischen ist zu schwach gegen den Kreissatz. Das F der Titanic ist zu schwer, zu fett, zu gewaltig. Das F der Schneekönigin ist zu plump, und das F der Saphir zu harmonisch.
Die F der Legende und der Groben Gotisch standen zur Wahl.
Ich habe mich für die Grobe Gotisch entschieden, weil dieser Buchstabe sich in den Kreissatz so geschmeidig einfügt. Er erscheint mir aber auch besonders. Schneidler hat in mehreren Schriften ein Wunder zustande gebracht, er hat eine unkoventionelle Form in einer konventionellen versteckt. Texte in diesen Schriften sind gut lesbar, aber schaut man sich die Buchstaben einzeln genauer an, findet man neue Formen.
Dieses F der Groben Gotisch sieht aus wie ein Riesenfisch, der sich im Wasser aufstellt. Oder wie ein Fliegender Teppich. Heute wird über das rote F noch goldene Farbe gedruckt, freilich zeige ich demnächst auch davon ein Bild. Mit roter Farbe wäre das Initial viel zu schwer für das helle Blau der Schrift.
— Martin Z. Schröder
Gebürsteter Schmuck · 24. September 2009
Zu der kürzlich erneut erwähnten Lieferung gehörte auch dieser große Einzelbuchstabe. So nahm ich ihn aus dem Kasten. Er ist wohl lange nicht eingesetzt worden.
Diese Zahnbürste hatte mir mein Zahnarzt empfohlen. Hat sie mehr Borsten als andere Modelle? Ist sie etwa die Zahnbürste mit den meisten Borsten? Sie entfernt Beläge wirkungsvoll. Nicht nur Zahnbeläge, auch Buchstabenbeläge.
Ein Schweizerdegen nimmt selbstverständlich eine Schweizer Zahnbürste mit Rekordborstenmenge, um seine Buchstaben von Belägen zu befreien. CURAPROX! Mit 5460 Borsten, Durchmesser jeder Borste: 0,1 mm.
Ist so ein sauberer Buchstabe nicht ein erquickender Anblick?
Das wird wohl ein H sein, oder ist es ein F? Könnten die schriftkundigen Leser mir bitte, bitte sagen, wofür sie diese Letter halten?
— Martin Z. Schröder
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Z wie Zuversicht, Neujahrskarte 2010 · 21. September 2009
Es herbstet, und der Drucker bereitet sich auf den Bedarf an stilvollen Glückwunschübermittlungen vor. Neulich berichtete ich vom Erwerb von Zierversalien aus dem Bleisatz-Magazin von Georg Kraus, die er von der 1949 in Frankfurt gegründeten Eremiten-Presse übernommen hatte.
Die Idee zu dieser Karte habe ich geklaut, und zwar aus einem Buch von Hans-Joachim Schauß. (Unten mehr dazu.) Freilich ist die Ausführung dann doch ganz anders, wieder einmal mit dem Farbschnitt, hellgrün zum kräftigen Rot des Kartons.
Hier ist das Initial in der Druckform zu sehen.
Der Anblick einer solchen Skulptur gehört zu den Freuden und Erhebungen des Drucker-Lebens.
Dazu habe ich als glatte Type die Futura gesetzt, die beiden Z aus dreiviertelfetter, den Rest aus magerer.
Preise Die Karte ist zu haben für 2,20 pro Stück. Ab 10 Stück: 1,80 per Stück. Auf Wunsch mit gefüttertem Kuvert, dann 2,40 Euro per Set. Oder ab 10 Stück: 20,00 Euro. Alle Preise inklusive 19% Mehrwertsteuer zuzüglich Versand.
Geklaut? Es ist in der Gebrauchsgrafik gar nicht unüblich, daß man gute Ideen weiterträgt. In der Buchausstattung ist fast alles schon einmal dagewesen. Ob es sich um den Satzspiegel oder das Initial handelt, man erfindet nichts, wenn man Bücher macht. Aber auch in Akzidenzen, Kleindrucksachen, gibt es Beispiele für berühmte Diebereien wie das Exlibris von Valter Falk, das Jan Tschichold mit neuer Schrift nachgesetzt hat. Ich hab es dann dem Tschichold geklaut, wieder in einer anderen Schrift. Ach, hatte ich ja erst im Juni hier erzählt.
Die Abbildung der Karte von Gerd Haubner (über die Suche in der Allianz Deutscher Designer zu finden) entnahm ich dem bei Faber & Faber erschienenen (und leider überall vergriffenen) Buch “Pünktliche Pointen” von Hans-Joachim Schauß, einem prägenden Gebrauchsgrafiker der DDR, der über 800 Büchern ein Gesicht gegeben hat, vorrangig für den Verlag der Nation in Berlin, dessen Künstlerischer Leiter er viele Jahre lang war.
Der Dichter Jürgen Rennert schrieb über den Grafiker Hans-Joachim Schauß diese rhythmischen Zeilen:
Die feinnervigen Magier wie Schauß
Stehen im Dunkel
Stets überschlagnen Impressums und hüten,
Behutsam Schatten verteilend das Licht …
Vor sieben Jahren habe ich ein ebenfalls längst vergriffenes Buch von Schauß besprochen (PDF).
Die Designer-Schelte in diesem Text würde ich heute nicht mehr aufrechterhalten, ich kenne inzwischen auch eine ganze Reihe junger Gebrauchsgrafiker, die bewundernswerte Arbeiten machen. Und ich würde auch nicht mehr behaupten, daß serifenlose Schrift besser lesbar sei als eine Schrift mit Serifen. Man lernt glücklicherweise nie aus.
— Martin Z. Schröder