Ein seltener Fisch · 23. März 2010

Diesen Fisch (Letter, die im falschen Fach des Setzkastens liegt, beispielsweise nin n im Fach des e) entdeckte ich heute beim Korrekturlesen. Die Ziffer 1 kann kein Schriftsetzer ins Fach vom l gelegt haben. Manchmal merke ich noch, daß ich das Setzregal aus einer Hochschule geholt habe und Anfänger Satz ablegen durften. Beim Ablegen liest der Setzer mindestens ein ganzes Wort, eher die halbe oder ganze Zeile, er schaut nicht jede Letter einzeln an, wie ein Anfänger es tut. Und selbst wenn er sie einzeln anschaut, so kennt er seine Pappenheimer, also Buchstaben, und kann I, l und 1 sofort unterscheiden. Zumal wenn die 1 wie hier eine Halbgeviertziffer ist, die Letter also deutlich dicker als die der Minuskel l. Gewundert hab ich mich, daß mir eben dies beim Setzen nicht aufgefallen war. Aber manchmal vergesse ich eben doch das Korrekturlesen im Winkelhaken oder bin vom Telefon abgelenkt und dergleichen. Auf dem Papier wird ja dann doch jeder Fehler sichtbar. Dieser hier, fiel mir noch ein, kann im digitalen Satz nicht passieren. Durch die Tastatur schwimmen keine Fische.

— Martin Z. Schröder

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Minuskelnull als o-Fisch · 24. Juli 2009

Manche Fehler sind so selten, daß ich sie beinahe übersehe. Aber mir kam das o in “Lochner” (siehe Bild) doch seltsam genug vor. Offenbar ist das ein Fisch, eine Null aus den Mediävalziffern, die sich ins Fach des kleinen o verirrt hatte.

Weiß jemand, warum die Null diese Form hat? Warum sie nicht die Verstärkungen des Breitfederzuges zeigt wie alle anderen Buchstaben und Ziffern der Garamond? War mir immer ein Rätsel, und ist es noch.

— Martin Z. Schröder

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Typengreif, muh! · 30. November 2007

Vor einigen Tagen erreichten mich zwei schwere Pakete aus dem Bleisatzmagazin. Ich mußte sie erst einmal stehen lassen, weil so viel zu drucken war. Das hat Selbstbeherrschung gekostet, denn wenn ein Schriftsetzer eine neue Schrift bekommt, möchte er sie in seine Kästen legen, die Bleisatzgasse füllen, er möchte die Schrift im Winkelhaken sehen, zwischen den Fingern spüren, drucken und sie kennenlernen.

Gestern und heute habe ich die Pakete geöffnet. Sie enthielten volle Setzkästen. Schriftsetzer Kraus und ich haben eine Weile überlegt, wie man die Schrift aus einem Schrank in seinem Magazin in meine Setzerei und meine Kästen bekommen kann. Letztlich erwies sich nur als praktikabel, die kompletten Kästen als Leihverpackung zu senden.

Das Auspacken erwies sich als so aufwendig, daß ich froh war, nicht am Einpacken teilgenommen zu haben. Luftpolsterfolie, Pappen, Stretchfolie, Karton, Klebeband. Und das mußte mein Lieferant fest um einen Packen von hölzernen Setzkästen legen, die schon leer nicht leicht sind. Die Buchstaben sollten beim Transport möglichst in ihren Fächern bleiben. Aber halbwegs verfischt waren die Kästen dann doch, ganz vermeiden ließ es sich nicht. Aber ein geübtes Auge erkennt die Fische schnell.

Flossentiere in der Setzerei? Ein Fisch ist eine innerhalb des Setzkastens verrirte Type, beispielsweise ein M im Fach vom z. Einen Zwiebelfisch heißt man einen Buchstaben aus einem anderen Setzkasten, also etwa ein Q der kursiven Bodoni im Fach des Q oder auch eines anderen Buchstaben im Kasten der dreiviertelfetten Futura.

Einen vollen Kasten habe ich in der Gasse (eine Bleisatzgasse besteht aus mehreren nebeneinander- und einander gegenüberstehenden Schriftregalen) aufgestellt, daneben einen leeren Kasten aus einem meiner Regale. Dann habe ich am Schlauch des Industriesaugers den Typengreif befestigt, auch scherzhaft als Kuh bezeichnet, weil der schwarze Auffangbehälter für die Typen an ein Euter erinnert. Ich danke Georg Kraus für die Bezeichnungen, die ich hier wiedergebe. Denn ich habe so einen Typengreif zwar früher benutzt, konnte mich aber nicht mehr erinnern, wie er genannt wurde. Möglicherweise gibt es regional noch andere Bezeichnungen.

Man saugt alle Buchstaben aus einem Buchstabenfach, schwenkt dann zum leeren Kasten und öffnet das Ventil. Die Luft wird jetzt durch eine Öffnung angesaugt, die hinter dem Gitter liegt, welches die Bleilettern aufgefangen hat. Dadurch entfaltet die Schwerkraft wieder ihre Wirkung und die Typen purzeln heraus. Der Typengreif dient nicht vornehmlich dem Transport von Buchstaben. In so einem Setzkasten sammelt sich mit der Zeit eine Menge Staub an. Nicht nur hat der Setzer dann immer öfter Staub zwischen den Fingern, die Staubkörner können sich auch an den Typen festsetzen. Ein Staubkorn zwischen zwei Lettern wird im Schriftbild als Unruhe sichtbar. Klebt es sogar unter der Type an ihrem Fuß, dann steht die Type in der Druckform geringfügig höher als andere und druckt stärker aus, wird entweder fetter oder blockiert den Kontakt der Farbwalze oder den Druck der nebenstehenden Buchstaben. Der Typengreif dient in der Regel als Staubsauger, der die Buchstaben eben nicht sondern nur den Staub schluckt.

Nimmt man das Euter von der Kuh ab, wird das Sieb sichtbar. Es ist ein hartes Metallsieb. Der Staubsauger darf also bei kleinen Buchstaben nicht zuviel Saugkraft haben, sonst können Kratzer entstehen oder sogar Serifen (die Füßchen an den Buchstaben, also am A beispielsweise die beiden kurzen Querstriche an den beiden unteren Enden) abbrechen.

Es gibt verschiedene Modelle des Typengreif. Hier seien zwei davon gezeigt. Das erste, mit dem ich vorwiegend arbeite, hat ein Ventil, das man mit einem Knopf nach innen drückt. Das zweite funktioniert mit einer Klappe, die durch einen Hebel angehoben wird und ist deutlich weniger komfortabel. Bald wird die Hand lahm, weil der Hebel zu kurz ist. Diese beiden Geräte hüte ich. Der schwarze Gummibehälter des einen wirkt nämlich schon ein wenig ermüdet.

Bei der neuen Schrift in meiner Setzerei handelt es sich um die Delphin. Wer sie gezeichnet hat, ist auf dem ersten Foto zu sehen. Ich habe im Bleisatz-Magazin auch ein Heftchen erwerben können, in welchem die Schriftgießerei die neue Type vorstellt. Verschiedene Anwendungsmöglichkeiten werden da gezeigt. Ich bringe demnächst ein paar Fotos und stelle auch aus anderen Büchern Bilder dazu, die Aufschluß über die historischen Vorbilder geben.

— Martin Z. Schröder

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