Zurichtung und Druck eines Holzstiches
Vor ein paar Tagen habe ich den Holzstock selbst schon gezeigt, ein Exlibris, gestochen in Holz von Hans-Joachim Behrendt. Heute zeige ich den Druck, mit freundlicher Genehmigung des Auftraggebers, dem Klemke-Forscher Matthias Haberzettl. Auf nebenstehendem Foto ist das ganze Blatt zu sehen, 165 zu 125 mm groß. Also etwas größer als eine gewöhnliche Postkarte.
Auf dem zweiten Foto mit den sortierten Bogen sind die Anfänge der Arbeit zu sehen, die am 26. Mai von etwa 10 bis 18 Uhr währte. Das erste Blatt links oben zeigt den allerersten Abzug. Gedruckt wurde auf einem Heidelberger Tiegel, also einer Klapptiegelmaschine. Der Tiegel bewegt sich um eine Achse und klappt an das senkrecht stehende Fundament heran. Den Winkel beeinflußt man durch die Dicke des Aufzuges, an dem der zu bedruckende Bogen liegt. Treffen Tiegel und Fundament nicht parallel aufeinander, bekommt entweder die innen an der Achse liegende oder die außen liegende Seite mehr Druck als die jeweils andere. Auf dem ersten Abzug sieht man aber, daß der Druck oben links zu stark ist. Da schlägt der Drucker innerlich die Hände überm Kopf zusammen, denn das bedeutet: der Holzstock ist nicht plan. Auf dem siebten Bogen (Reihe 2, Bild 3) ist eine parallele Position erreicht. Dies wurde bewerkstelligt, indem hinter das Holz auf der zu schwach druckenden Seite Papierschichten geklebt werden, die den Stock auf der zu flachen Seite anheben. Für jede Verbesserung mußte die Form aus der Maschine genommen und hinterklebt werden.
Das war aber nur der erste Schritt. Trifft eine harte Fläche auf einen weichen Untergrund, drücken sich die Außenkanten tiefer in die weiche Unterlage als die Gesamtfläche. Der Druck muß aber gleichmäßig erfolgen, also wird im zweiten Schritt unter dem Bogen eine Zurichtung aus Seidenpapier hergestellt. Von außen nach innen unter Berücksichtigung der besonders schwarzen Stellen wird nun Seidenpapier zurechtgerissen (Schnittkanten könnten sich im Druckbild zeigen), um den Druck gleichmäßig auf das ganze Bild zu verteilen. In der letzten Reihe dieses Fotos sieht man, wie der Zeichnung im Inneren des Kreises Deutlichkeit und Kontur zuwachsen.
Zugleich muß an der Farbe gearbeitet werden. Das Motiv benötigt eine Farbe, die der Drucker als streng oder kurz bezeichnet, weil sie beim Abheben mit dem Spachtel aus der Menge nur einen kurzen Faden zieht. Sie ist also zäh und wird nicht in die Vertiefungen der Form laufen, sondern auf der Oberfläche bleiben. Ist sie zu zäh, kann das aber dazu führen, daß sie Druckform und Papier verklebt, dann kommt es zum sogenannten Rupfen: beim Ablösen der Form vom Papier nach dem Druck reißt die Form kleine Papierpartikel aus dem Papier. Zu zähe Farbe ist auch ungünstig für vollständig geschlossene Flächen im Druckstock. Und es muß beim Drucken die Farbmenge genau eingestellt werden. Kommt zuviel Farbe auf die Form, wird sie beim Drucken nach außen gedrückt und macht ein unsauberes Bild, und sie verstopft die feinen Linien, die nicht so tief ins Holz reichen wie weiße Flächen. Außerdem sind die Walzen in den Lagern gut zu ölen, damit sie sauber abrollen, während die Führungsschienen ganz trocken sein müssen, damit die Walzen rollen und nicht rutschen und das Druckbild zuschmieren oder Farbe von den Flächen an die Rände schieben.
Auf diesem Bild wird durch die Münze verdeutlicht, wie detailliert und winzig das Motiv gearbeitet ist. Im letzten Blog-Eintrag sieht man den Holzstecher am Mikroskop arbeiten. Er hat eine ganz ruhige Hand und weiß den kleinsten Punkt genau zu setzen. Man muß bedenken, daß ein zu viel herausgehobener Span nicht zu ersetzen ist.
Auch mit der fotografischen Vergrößerung wird das Motiv in den Details nicht so deutlich wie das Original unter der Lupe. Nach acht Stunden waren meine Kraft und meine Zeit am Ende. Ich hätte bei diesem Stand nun auch noch mit dem Skalpell kleine Stücken auf das Bild zuschneiden wollen, um beispielsweise in Pinocchios Mütze die schwarzen Quadrate tiefschwarz zu machen. Die Kleidung des Narren hingegen sollte nach Anweisung des Künstlers die Holzstruktur so zeigen, wie sie hier zu sehen ist. Einige Details hat meine an sich gute Kamera nicht erfassen können, etwa kleine weiße Punkte im Aldusblatt rechts unten, die im Original durchaus sichtbar sind. Die Komprimierung des Fotos fürs Internet tut dann ein übriges. Schwierig am Stock war allerdings auch eine leicht konkave Form. Das kann man zwar im Preßdruck mit Seidenpapier ausgleichen, aber der Andruck der Walzen wird durch die konkave Form ungleichmäßig, und dagegen gibt es kein Mittel, weil der Stock starr ist und die Form der Walzen gleichmäßig. Stärkerer Walzenandruck würde die Außenpartien der konkaven Form zuschmieren. Der Holzstichmeister würde für eine Nachauflage den ganzen Stock mit einem Tausender Schleifleinen glätten und die äußeren Partien nachstechen, wie er es schon während des Druckes in den Vorhangzeichnungen gemacht hatte, aber dieser enorme Aufwand ist einstweilen nicht vorgesehen, zumal sich Handabzüge mit einer kurzen Walze besser bewerkstelligen lassen.
In einem nächsten Eintrag werde ich die Zeichnung erläutern. Freunde und Kenner des Werkes von Werner Klemke werden einige Vertraute sogleich entdeckt haben. Sie erkennen und bewundern sicherlich auch, wie genau bis ins Mienenspiel hinein der Meisterstecher Hans-Joachim Behrendt seinen Lehrer zitiert hat.
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