In der Kunsthalle
Am Dienstag wurde die Ausstellung “Based in Berlin” im Hamburger Bahnhof in Berlin-Mitte eröffnet. Die Berliner Zeitung berichtete gestern und erwähnt darin auch einen “tollen Schriftsetzer” (toll hoffentlich nicht im Sinne von verrückt). Ich habe für die Installation “Bereitgestellte Leistung” von Ilya Lipkin eine Menükarte entworfen, digital aus der Baskerville gesetzt, vom Klischee auf Cranelettra pearlwhite gedruckt und mit rotem Farbschnitt versehen.
Das Format der Karte beträgt 297 × 184 mm, Proportion im Goldenen Schnitt. Etwas bedauert habe ich nur, daß es die schöne Baskerville Ten von Storm Type für den größeren Grad nicht in einer schlankeren Variante gibt. Eben sehe ich auf der Seite der Schriftgießerei, daß ich wohl die Baskerville 120 hätte nehmen können.
Ganz glücklich war ich, daß Ilya mir erlaubte, für den Text das lange s einzusetzen. Es ist möglicherweise die erste Auftrags-Drucksache überhaupt, für die ich diesen eleganten Buchstaben verwenden durfte. Bislang tauchte er nur in den freien Arbeiten auf, also den vom Bleisatz gedruckten Büchern von Max Goldt.
Eine Arbeit aus meiner Hand und Werkstatt aufwendig gerahmt allein auf einer vier Meter langen Wand zu sehen, hat mir gefallen, ich gebe es zu.
Klaus am 13. Juni 2011 # :
Sehr hübsch. Sauber. Allerdings finde ich das “lange s” etwas “daneben” – ein Spleen (wie der mit dem “ß”), der Ihnen natürlich gegönnt sei. Aber es sieht in meinen Augen “befremdlich” aus, es passt nicht. Die Zeile “The finest shelves since…” sieht dadurch nur ulkig aus.
Aber wenn ich recht verstehe, soll es ja “Kunst” sein. Na dann.
MZS am 13. Juni 2011 # :
Es ist eine Frage der Sehgewohnheiten. Die Minderheit, die an diesem langen s ihre Freude hat, ist winzig. Für mich sieht das lange s in der kursiven Baskerville nicht ulkig aus, sondern elegant, es erinnert mich an alte Drucksachen, die ich aus Schriftmusterbüchern kenne.
Ich glaube, ich habe kein Buch mit Antiqua-Schrift, in dem der Buchstabe vorkommt. Von den in Fraktur gesetzten Büchern meiner Bibliothek ist dagegen keines dabei, in dem das lange s nicht verwendet wurde. Immerhin ist die Minderheit der Freunde des langen Antiqua-s so groß, daß in einigen neuen digitalen Fonts wie der hier verwendeten Baskerville das lange s und eine ganze Reihe Ligaturen dazu angeboten werden. Ich würde allerdings auch gern wissen, was sich die Schriftzeichner dabei denken. Sie zeichnen einen Buchstaben, von dem sie wissen, daß er wahrscheinlich nicht eingesetzt wird.
Nun, bei dieser Drucksache habe ich es angeboten, und dem Auftraggeber hat es gefallen. Mehr Rücksicht mußten wir für diese Drucksache nicht nehmen.