Zipperlein I
Von Gerhard Henschel ist im vergangenen Herbst der dritte Roman einer Serie erschienen. Nach “Kindheitsroman” und “Jugendroman” ist der dritte nun der “Liebesroman”. Der Held des Werkes, der die Bezeichnung Held verdient, weil er sich so tapfer durch die Langeweile seiner Jugend kämpft, heißt Martin Schlosser und denkt mit so viel Humor, daß es mich beim Lesen glücklich macht. Der Schriftsteller hat mir erlaubt, einige Stellen zu verwenden. Möglicherweise machen wir eines Tages auch ein Buch daraus. Zur typografischen Einfühlung in die Texte fange ich mit einigen Karten an.
Die erste ist eine Gratulation zum fünfzigsten Geburtstag.
Als solche ist der Text im Buch freilich nicht gedacht. Hier sind es Bedenken von Martin Schlosser anläßlich einer Geburtstagsfeier in der Familie. Ich überlegte mir, woran Martin Schlosser Freude hätte und wie ich seinem Humor eine weitere Deutung verleihen kann. Ein Jugendlicher denkt an fünfzig Lebensjahre — und er spürt mit Grausen den Sand in den Taschen des letzten Schlafanzuges. Noch kein Gedanke daran, etwa auf fünfzig Jahre zurückzublicken. Er steht zu weit davor, um in die entgegengesetzte Richtung denken zu können.
Also eine festliche Geburtstagskarte soll es sein, denn der erste Eindruck soll täuschen. So wie sich auch der Jugendliche über die 50 täuscht. Ich habe mich für einen Kreissatz mit einem farbigen Initial entschieden. Wenn man Text und Initial so deutlich voneinander absetzt, ist theoretisch jede Schriftmischung möglich. Man kann den Duktus der Schrift übergehen und allein die Wirkung in den Blick nehmen: Wie schwer wirkt der große Buchstabe. Soll er aus dem Kreissatz herausragen oder sich einfügen. Soll er durch die Farbe hervorstechen oder sich anpassen.
Ich habe zuerst die sieben Lettern, die mir in Frage zu kommen schienen, herausgesucht. Dann habe ich sie auf Papier abgezogen, einzeln ausgeschnitten und auf einen Abzug des Kreissatzes gelegt.
Zuerst die Zentenar-Fraktur von Schneidler.
Dann eine, von der ich nur ein namensloses Alphabet besitze.
Drittens die Titanic, Erstguß 1920 von Ludwig Wagner in Leipzig.
Viertens die Schneekönigin aus dem Jahre 1909.
Sechstens die Legende von Schneidler.
Schließlich die Grobe Gotisch, auch von Ernst Schneidler entworfen.
In meiner Auswahl blieben binnen Kürze nur zwei Typen übrig. Warum ich mich für welche entschieden habe, berichte ich demnächst.
tags: bleisatz, gerhard henschel
Florian am 23. Mai 2011 # :
Die Namenlose ist eine Gotisch englischer Prägung – ähnlich der Linotext, auch als Wedding oder Mariage bekannt.
Marian am 3. Juni 2011 # :
Sag mal … Ich bin Anfänger … Der Textkorpus ist doch eine Garamond? Adobe Garamond Pro?
Danke
MZS am 3. Juni 2011 # :
Garamond ist es, aber keine digitale, sondern die Bleischrift von Typoart, Entwurf von Herbert Thannhaeuser, Erstguß 1955.