Jeder fängt von vorne an
Welchen Text ich zu dieser Uhr drucken könnte, habe ich ein Weilchen überlegt. Und es wird keinen ständigen Leser dieser Veranstaltung wundern, daß ich mich für einen von Goethe entschieden habe: “Das Jahrhundert ist vorgerückt; jeder einzelne aber fängt doch von vorne an.”
Ich glaube, dieser Stil, Vignetten zu machen, ist aus technischen Gründen ganz verschwunden. Ich weiß leider nicht, wie Zeichner diese Art Illustrationen früher gemacht haben. Ob da auf Papier gezeichnet oder in Blei geschnitten wurde. Oder ob es technische Hilfsmittel gab, was ich wegen der exakten Linien vermute.
Auch Ketten, Gewicht und Pendel sind so schön genau ausgearbeitet.
Und in den Uhrkasten geschnitzt sind zwei Kinder, die auf dem Felde sich einer Wippe als Spielzeug bedienen.
Zu den Osterfeiertagen kommt man mal dazu, auf alte Art in Ruhe einen Text zu setzen, den Umfang zu skizzieren und einen Entwurf zu kleben. Das Kleben habe ich weggelassen, als ich einen hatte.
Diesmal habe ich die Schrift Delphin eingesetzt. Ich habe an anderer Stelle schon vor Jahren (Mannomann, dieses Blog hat ja auch schon ein paar Jahre auf dem Buckel!) über die Delphin geschrieben.
Auf der Rückseite der Klappkarte gibt es ein kleines Impressum, gesetzt aus Futura. Ich setze jetzt immer das Jahr des Drucks hinzu, damit ich mich später freundlich erinnern kann, wann ich was gedruckt habe. Und damit man nicht denkt, die Karte sei von 1960 oder so.
Die Schrift habe ich mit einem sehr hellen Blaugraun gedruckt.
Und natürlich gibt’s die Karte zu kaufen, beispielsweise hier. Sie ist freilich auch als Karte zur Geburt, zu Neujahr und zur freundlichen Erinnerung gedacht. Man kann sogar mahnende Worte an seine Kinder darauf verfassen. Die Rubrik sollte ich im Shop noch einrichten. Was könnte ich da noch drucken? “Der Zorn ist ein schlechter Ratgeber”, Bernard Shaw. So was in der Art eben.
tags: bleisatz, delphin, galvano, goethe, letterpress berlin
Helmut Bohlmann am 25. April 2011 # :
Ich vermute, dass zuerst ein Holzschnitt oder Holzstich angefertigt wurde und davon anschließend das Galvano gefertigt wurde.
Maschinensetzer am 28. April 2011 # :
Ganz spontan fällt mir das von unserem rheinischen Komponisten Johann Karl Gottfried Loewe (1796-1869) vertonte Gedicht von Johann Gabriel Seidl (1804-1875) ein, welches ich immer wieder zu passenden Gelegenheiten gesungen habe und singen werde:
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Die Uhr
Ich trage, wo ich gehe,
Stets eine Uhr bei mir;
Wieviel es geschlagen habe,
Genau seh ich an ihr.
Es ist ein großer Meister,
Der künstlich ihr Werk gefügt,
Wenngleich ihr Gang nicht immer
Dem törichten Wunsche genügt.
Ich wollte, sie wäre rascher
Gegangen an manchem Tag;
Ich wollte, sie hätte manchmal
Verzögert den raschen Schlag.
In meinen Leiden und Freuden,
In Sturm und in der Ruh,
Was immer geschah im Leben,
Sie pochte den Takt dazu.
Sie schlug am Sarge des Vaters,
Sie schlug an des Freundes Bahr,
Sie schlug am Morgen der Liebe,
Sie schlug am Traualtar.
Sie schlug an der Wiege des Kindes,
Sie schlägt, will’s Gott, noch oft,
Wenn bessere Tage kommen,
Wie meine Seele es hofft.
Und ward sie auch einmal träger,
Und drohte zu stocken ihr Lauf,
So zog der Meister immer
Großmütig sie wieder auf.
Doch stände sie einmal stille,
Dann wär’s um sie geschehn,
Kein andrer, als der sie fügte,
Bringt die Zerstörte zum Gehn.
Dann müßt ich zum Meister wandern,
Der wohnt am Ende wohl weit,
Wohl draußen, jenseits der Erde,
Wohl dort in der Ewigkeit!
Dann gäb ich sie ihm zurücke
Mit dankbar kindlichem Flehn:
Sieh, Herr, ich hab nichts verdorben,
Sie blieb von selber stehn.
Neben dem Text und der Melodie sind die alten Noten ein Augenschmaus!
Viele Grüße
Thomas Kersting
MZS am 28. April 2011 # :
Oh, ich danke sehr! Etwas hüpfend der Takt, aber schön. Und ich bitte um ein Video des Gesanges zwischen den Lokomotiven oder vor der stampfenden Linotype!