Freudiglich / haben sich
Ein freundlicher Blog-Leser übersandte mir vor einigen Monaten diese Karte. 1947 lag unser Land in Trümmern, und auch die Setzer und Drucker, die Grafiker und Chemigrafen hatten ihre Betriebe aufzubauen. Das mit Engeln verzierte Jahr wurde gezeichnet und vom Klischee gedruckt, die Schrift dazu gesetzt. Mit gefiel die Farbstimmung auf dieser Karte, obwohl sie nicht die originale gewesen sein kann und der Braunton des Kartons erst durch die lange Vergilbungszeit zustande gekommen ist und die einst blaue Tinte ins Grüngraue verblaßte.
Gratulationen zur Hochzeit fehlten bislang gänzlich in meiner Offerte, da kam mir ein Satz aus Gerhard Henschels “Liebesroman” wie gerufen:
“… dann ruft jeder freudiglich:
“Gott sei Dank, sie haben sich!”
In Schnörkelschrift habe dies auf einer Gratulation zur Hochzeit der Schwester von Martin Schlosser gestanden, dem zumindest in seinem Innenleben überaus sympathischen Helden des Romans.
Habe mir nun also erlaubt, diese Farben und dieses Zitat zu verbinden und dazu ein Klischee gefunden, das mindestens fünfzehn Jahre in einer Kiste lag. Naturgegeben dürfte sein, daß die meisten Ehegründungen zwischen Mann und Frau stattfinden, doch gibt es inzwischen auch jede Menge von diesem Modell abweichende Beziehungen, von denen die Homo-Ehe in Kürze traditionell genannt werden dürfte, wenn eines Tages auch außerhalb von Universitäten geglaubt werden sollte, daß Geschlechter “konstruiert” seien. Was immer auch geschieht in Sachen Ehe, diese Karte hält allen modepolitischen Belastungen der Institution stand, sofern nicht den Vögeln, ihren Zweigen, ihrem Haus und der gewißlich darinnen steckenden Symbolik, dem Schmuck (ebenfalls Bleisatz: Meister-Ornamente von Thannhaeuser) oder den Farben etwas mir heute noch nicht Vorstellbares zur Last gelegt werden wird. Man muß damit rechnen, einstweilen aber rate ich zum Einkauf im Online-Shop der Druckerey: letterpressberlin.com. Weitere grafische Motive sind in Arbeit, brauchen aber noch einige Zeit.
tags: ernst schneidler, hochzeitsdrucksachen, hochzeitseinladungen, zentenar-fraktur
Florian am 29. März 2011 # :
Interessant: In der handschriftlichen Ergänzung verwendet der Absender ein Kurrent-h (mt Unterlänge, in Frohe) neben einem lateinischen (z.B. in Weihnachten).
MZS am 29. März 2011 # :
Bei meiner Großmutter ging das auch öfter durcheinander, und meine Mutter hat teilweise das Kurrent-d wieder in ihre Handschrift eingefügt. (Das der Korrektor als Deleatur-Zeichen kennt.)
michael koch am 21. April 2011 # :
oh, bei den schließenden gänsefüßchen ist aber was passiert … (oder gehört das bei frakturschriften so?)
ahnungslose grüße
m
MZS am 21. April 2011 # :
So lieferte die Schriftgießerei die schließende Anführung, entsprechend den Entwürfen und Satzproben von Schneidler, dem Schöpfer der Schrift, die Zeichen sind also korrekt gesetzt.
Florian am 22. April 2011 # :
Dass hier einer der – mit Verlaub – abgedroschensten Hochzeitsverse überhaupt auf diesen Umwegen wieder zu Ehren kommt, ist bemerkenswert; dass er von Wilhelm Busch (aus Herr und Frau Knopp) stammt, sollte man aber doch zumindest erwähnen.
MZS am 22. April 2011 # :
Recht herzlichen Dank! So manche Textstelle der Literatur, vor allem wohl aus Schiller, ist so stark in den Sprachgebraucht eingegangen, daß die Quelle dahinter verblaßt. Umso schöner, wird sie wiedergefunden, ich danke herzlich!