Sei schnafte — be Berlin!

25. Januar 2011

Diese drei Cicero (36p = 13,536 mm) große Bleisatzschrift Rundfunk ist ohne Geschichte in den Bestand meiner Werkstatt gelangt. Ich weiß nicht, woher sie kommt, wer sie entworfen hat und wo sie gegossen wurde. Für hilfreiche Aufklärung wäre ich dankbar. Daß die Punzen, also die Innenräume der Buchstaben, eckig sind, fällt im Druckbild nicht so stark auf wie direkt an der Bleiletter.

Für Visitenkarten im Bleisatz, für die üblichen Akzidenzen wie Hochzeitsdrucksachen und Briefpapier sind solche modischen Schriften kaum einsetzbar, aber 2012 soll das nächste Buch gedruckt werden, und dafür sorge ich vor. Soweit es noch geht, denn meine Werkstatt ist inzwischen so vollgestopft, daß kaum noch etwas hineinpaßt.

Diese Karte habe ich nur als Schriftmuster gesetzt. Ohne einen Buchstaben mit Unterlänge, fällt mir eben auf. Aber an den Bleilettern sieht man, daß die Unterlänge nur stummelartig sein kann.

Weil ich die Karte kurz vor dem Waschen der Maschine gedruckt wurde, habe ich von einer Seite etwas dunkle Farbe ins Rot einlaufen lassen. Dieses mehrfarbige Druckverfahren (möglich sind je nach Breite der Druckform mehrere ineinanderfließende Farben nebeneinander) nennt man Irisdruck. Im Heidelberger Tiegel ist er allerdings kaum zu machen, weil das Farbwerk die Druckfarbe seitlich verreibt. Also in sehr kurzer Zeit wird aus dem Farbverlauf ein einziger Farbton. Ist aber nicht schlimm, denn Farbverlauf in der Typografie ist meistens scheußlich. Was nun wiederum nicht ganz unpassend zu dieser Schrift wäre: originell, aber deshalb auch häßlich. Originelle Schriften sind meistens häßlich, fürchte ich, denn gute Schriften sind konventionell, weil sie gelesen werden und die Form der Buchstaben gewissermaßen in Stein gemeißelt ist. Originell aus der Konvention auszubrechen, heißt verzerren, wie hier in der Rundfunk, die wirkt, als habe sie zu lange an ihren Hälsen gehangen. Aber man kann häßliche Schriften angemessen und damit gut einsetzen — also eine alberne Schrift für einen albernen Sinn.

Hier sieht man die ch-Ligatur, welche ich aber wieder entfernt habe, weil man das sch nicht in s und ch trennen sollte. In manchen gebrochenen Schriften gibt es sch-Ligaturen (digital ist mir allerdings keine bekannt), aber eine Ligatur aus dem runden s und ch in Antiqua glaube ich nie gesehen zu haben.

“Be Berlin!” oder “Sei Berlin!” ist ein Reklamespruch für meine Heimatstadt, um den vor einiger Zeit gestritten wurde. Ich finde ihn gar nicht so blöd. So als Appell für angemessenes Benehmen eines Berliners vielleicht etwas albern in seiner sprachlichen Wendung, im Grunde aber doch traditionell an die selbstbewußte Haltung eines Bewohners einer Metropole gemahnend. Aber wenn ich eine solche Karte noch mal drucke, sollte ich vielleicht schnafte gegen schnieke auswechseln. Schnieke, dufte und knorke sollte der Berliner sein. Gibt es dazu eigentlich Substantive? Schniekheit? Duftung? Schnaftizismus? Und Steigerungen? Knorkissimo?

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Kommentare

  1. Hans Reichardt am 25. Januar 2011 # :

    Hallo Herr Schröder

    die Runfunk ist von Adolf Behrmann (1876-1942) gezeichnet und bei der H. Berthold AG gegossen worden.

  2. MZS am 25. Januar 2011 # :

    Lieber Herr Reichardt, woher nehmen Sie Ihr Wissen? Ein bißchen Literatur habe ich ja auch, aber die Rundfunk steht in meinen Büchern nicht, wie so einige andere, bei denen Sie mir schon geholfen haben. Gibt es da ein Verzeichnis? Immerhin ist Bleisatz ein abgeschlossenes Sammelgebiet, da wäre ein Verzeichnis gar nicht übel. Wieviele Bleischriften sind eigentlich in Deutschland gegossen worden? Dreitausend? Oder zehntausend?

    Jedenfalls: ich danke erneut sehr.

  3. loveencounterflow am 25. Januar 2011 # :

    http://www.ascenderfonts.com/font/rundfunk.aspx

  4. Hans Reichardt am 26. Januar 2011 # :

    Lieber Herr Schröder,

    Material zu den Bleisatzschriften findet sich u.a. hier: global-type.org

    Enthält den kompletten Seemann und andere Daten aus meiner Sammlung.

  5. Katharina am 27. Januar 2011 # :

    “schnafte” kannte ich noch gar nicht. Danke!

  6. Jeeves am 30. Januar 2011 # :

    “be BERLIN” ist saudoof. Wie alle diese Reklameaktionen. Gibt es solch’ Reklame in & für Paris? London? New York? Natürlich nicht, denn das SIND Weltstädte.
    .
    Mit anderen Worten: wer Reklame nötig hat, möchte gerne, weil er’s nicht ist. Und das wirkt dann nur peinlich. Vergleichbar mit deutschen B- und C-Promis.
    .
    “schnafte” (nicht besser: schnaffte?) ist ein Ausdruck, der mehr (nur?) im östlichen Teil Berlins benutzt wurde. Ich als Westberliner kannte ihn nur aus’m DDR-Fernsehen.

  7. MZS am 30. Januar 2011 # :

    Schnafte habe ich von einem Zehlendorfer Jugendlichen zuerst gehört, kürzlich erst, und hab dann erst suchen müssen, um es altberlinisch zu finden. Schnufte gibt’s auch.

    Die andern Großstädte haben sicherlich auch solche Reklame, so was machen kommunale Behörden auf der ganzen Welt. In New York kann man überall die Baseball-Mützen kaufen mit NYC drauf. In New York machen sogar die Feuerwehr und die Polizei Reklame für sich. Ich besitze eine sehr schöne dunkelblaue Tasse mit Goldbeschriftung der Boston-Police aus Boston, weil dort der Boston-Tiegel herkommt. Hat mir mal jemand mitgebracht. Spricht sich nur nicht so rum in Berlin, was andere machen, und als Großstäder auf Besuch in andern Städten läuft man an der dusseligen Reklame anderer Großstädte wahrscheinlich vorbei, ohne sie zu bemerken, weil man das Gedöns von zu Hause kennt. Ich finde, wir hätten es viel schlimmer treffen können als mit der amtlichen Aufforderung, Berlin zu sein. Man denke an jene die pure Dummheit repräsentierenden potthäßlichen großen dicken Buddy-Bären mit den gestreckten Armen, die die Stadt verunzieren. Ein dazu passender Spruch wäre wohl wirklich grauenvoll doof.

    Besser als “Sei Berlin” ist natürlich der Werbespruch von Max Goldt: “Berlin – Heimat des Spandauer Polizeischulwalzers” aus dem Jahre 1996.

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