Bleilatz
Die Wodka-Empfehlung mit dem Mundschenk ist gedruckt. Wenn sie trocken ist, wird die Karte zur Klappkarte gerillt und ist fertig.
Eine merkwürdige Type, die Wiener Grotesk. Eine Zierschrift, die durch sonderbare Verzerrung der richtigen Buchstabenproportion Eindruck schindet. Längere Texte möchte man damit nicht lesen. Für so kurze finde ich sie doch recht hübsch als Dekorationsschrift. Das V hat keinen Überhang im Guß, und weil die Schrift so selten ist und einen musealen Wert hat, nahm ich Abstand vom Gedanken, die Lettern mit der Feile zu unterschneiden und derart das V näher ans o zu rücken.
Das Impressum ist aus der 1939 von der Schriftgießerei Ludwig Wagner in Leipzig erstmals gegossenen Schrift Fundamental-Grotesk in halbfett kursiv, Schriftgrad Petit (8 Punkt) von Arno Drescher gesetzt. Ich fand ein langes ? im Setzkasten und eine tz-Ligatur. Dieses Fundamental-? liest sich aber wie ein l, deshalb habe ich es gegen das runde ausgewechselt. Die tz-Ligatur ist auch nicht gelungen, es steht zu eng gegenüber den andern Buchstaben, ohne daß es etwa durch Unterlänge des z an Deutlichkeit gewinnt. Ich habe es im Satz belassen, gewissermaßen als Bleisatz-Souvenir. Diese Schrift wurde zu einer Zeit entworfen, als man noch die Fraktur alltäglich benutzte. Die Anwendung der Regeln für Fraktursatz macht eine serifenlose Schrift nicht besser lesbar, scheint mir. Jedenfalls nicht aus unserer Perspektive. Als Fraktur und Sütterlin Alltagsschriften waren, mag man auch die Grotesk mit langem ? leicht gelesen haben.
Aber hier liest man doch nur “Bleilatz aus Wiener Grotelk”, und wem wollte ich das zumuten? Mit der Fundamental habe ich vor bald zwanzig Jahren als Schriftsetzer der Druckerei Rapputan gearbeitet. Wir nannten sie “Funda”.
Link zu einer Albernheit: Ein Autohersteller läßt eine Schrift fahren, zu sehen bei Public School.
tags: fundamental, langes s, wiener grotesk