Quadraten
Manchmal fehlen im Setzkasten Quadraten. Die gehören zum Blindmaterial, das so heißt, weil es nicht mitdruckt. Blindmaterial hält die Lettern im Bleisatz fest. Im Detail muß ich das nicht erklären, denn die Leser mit Expertise wissen es, und für Leser ohne Setzkastenerfahrung ist es kaum interessant.
Wenn nun also Quadraten fehlen, freut sich der Schriftsetzer über einen Vorrat, sofern er einen hat.
Dieses Paket kommt aus der Firma Typoart, der staatseigenen Schriftgießerei der DDR.
Wie alt das wohl sein mag? Sicherlich aus der Zeit vor den 1980er Jahren, denn als ich damals neue Schriftpakete sah, hatten diese anderes, nämlich bedrucktes Einwickelpapier. Ich würde also auf die 1970er oder sogar 60er Jahre tippen. 1979 wurden im Osten alle Postleitzahlen vierstellig, also das Etikett kommt aus der Zeit davor. Möglicherweise liegen diese Quadraten seit vierzig oder fünfzig Jahren so verpackt. Es fühlt sich seltsam an, einen solchen Vorrat auszuwickeln und aufzulösen. Alle Pressen, auf denen ich drucke, wurden vor meiner Geburt gebaut. Die meisten Setzregale, viele Bleischriften.
Beinahe möchte man das Einwickelpapier aufbewahren. Ich trau mich kaum, solche Pakete auszupacken und den Inhalt in Betrieb zu nehmen. Ich gehe selten an solche Vorräte, denn ich würde gern noch Originalverpackungen hinterlassen, die jemand auspackt, der irgendwann nach mir (in hoffentlich ferner Zeit) damit arbeitet.
Die Quadraten sind übrigens an keiner Seite quadratisch. Die auf dem Foto sind an einer Seite vier Cicero (12 Punkt = 1 Cicero = 4,5 mm) breit, an der anderen exakt viereinhalb. Wenn man also im Winkelhaken zu einem Quadrat noch eine halbe Cicero (in der Alltagssprache der Profis auch “sechs Achtel”) hinzufügen möchte, muß man keinen zusätzlichen Ausschluß setzen, man dreht das Quadrat. Vor allem in kleinen Graden unter 4p, für die es keinen Ausschluß gibt, ist diese Lösung elegant. Leider sind nicht alle Quadraten so gemacht.
tags: blindmaterial, quadraten
Helmut Bohlmann am 20. April 2010 # :
Ich bewahre Original-Schriftverpackungen, alte Papierries-Etiketten etc. auf, da auch sie zum Kulturgut unseres alten Gewerbes gehören. Also nicht wegwerfen!!!
MZS am 20. April 2010 # :
Aber was sollen meine Erben mit einem Haufen Altpapier anfangen, der sowieso in 100 Jahren zu Staub zerbröselt sein wird? Ich setze auf die Museen.
Georg Kraus am 20. April 2010 # :
Ich mache es ähnlich wie der Kollege Bohlmann. ^^ Und zwar schneide ich die Schriftgießerei-Aufkleber von der Verpackung und beklebe damit die Seitenwand eines Archivschrankes. Da hängen nun von vielen längst aufgelösten Gießereien einträchtig Gießzettel oder Aufkleber zurück bis in die Zwanziger Jahre. Ich find’s hübsch.
Es gab übrigens auch Quadraten-Serien der TypoArt, bei denen ab 16 p aufwärts die Quadraten hohl gegossen wurden. Vermutlich, um Material und Gewicht zu sparen? Als Westler neige zu ersteren Erklärung, aber das kann mit meiner Prägung seit der Kindheit zusammenhängen. “Die ha’m doch nix, die Brüder da in der SBZ.”. Vielleicht war es ja das viel fachspezifischere Argument der Gewichtseinsparung? Daß dies Sinn macht, weiß jeder, der schon einmal eine ausgeschlossene DIN A2 Druckform gemeinsam mit einem Kollegen vom Schließtisch in die Zylinderdruckmaschine gehoben hat. Diese Hohl-Quadraten gab es in allen drei Größen und sind genauso gut verarbeitbar wie Voll-Quadraten, aber sie liegen (für mich) sehr ungewohnt in der Hand.
Noch ein vielleicht interessantes Detail: Bei sehr alten Quadraten aus der Zeit nach dem Ersten Großen Weltenbrand finden sich auch hohl gegossene 4 Cicero-Quadraten höchst eigenartiger Form. Dort enthalten links und rechts ausschließlich auf einer Seite des Quadraten fingergroße runde Aussparungen. Auf der anderen Seite schließen sie glatt ab. Das wird wohl sicher aus Materialmangel erfolgt sein. Durch die Seeblockade kamen ja keine Rohstoffe mehr ins Reich.