Futura mit Mediävalziffern
Für diese Karte wurde keine Bleiletter eingesetzt. Der Bleisatz-Futura mit Mediävalziffern bin ich nie habhaft geworden. Sie wurde aber wohl einst damit ausgestattet. Um dieses Bild zu erlangen, habe ich von einer Magnesium-Ätzung gedruckt. Diese hier ist also die digitale Futura von Neufville Digital, die von allen digitalen die größte Ähnlichkeit mit der Futura Paul Renners hat. Digital gesetzt, die Laufweite des kleinen Grades erhöht um 5 Prozent, um sie an die Bleisatzschrift anzupassen, die in so geringen Größen (hier 7 Pica-Points, entspricht etwa dem Bild von 6 Didot-Punkt) weiter läuft, damit die Lettern im Druck, der sie etwas ausquetscht, nicht aneinanderstoßen. In diesem PDF vom Klingspor-Museum wird über die Bauersche Gießerei berichtet, deren Matrizen von der Fundición Tipográfica Neufville in Barcelona übernommen wurden, die vor einiger Zeit das Gußprogramm einstellte.
Die Karte wurde mit einem vierseitig umlaufenden roten Farbschnitt ausgestattet.
Der digitale Satz nimmt kaum weniger Zeit in Anspruch als der Bleisatz, weil etliche Details nachgearbeitet werden müssen. Schriftsatz läßt sich nur begrenzt automatisieren.
tags: futura, neufville digital
Georg Kraus am 31. März 2010 # :
Nein. Die Mediaeval-Ziffern hat Neufville bei der Digitalisierung entwickelt und hinzugefügt. Siehe auch:
www.invers.de/artikel/archiv/pdf/2001_03_2.PDF
Gerade in Bezug auf die Futura bin ich Purist. Die Mediaeval-Ziffern passen meiner Meinung nach überhaupt nicht zur Futura. Diese ist klar und schlicht konstruiert. Diese Mediaeval-Ziffern haben dagegen etwas regelrecht verspieltes, Nehmen der Futura ihre gewollte Strenge. Nein und nochmals nein. Niemals kann ich glauben, daß Paul Renner jemals solche Alternativ-Ziffern in den Sinn gekommen sind.
Wenn der liebe Gott gewollt hätte, daß der Mensch fliegen kann, hätte er ihm Flügel wachsen lassen. Futura mit Mediaeval-Ziffern… Sie entschuldigen bitte, daß ich mich echauviere, aber das ist für mich fast schon Blasphemie. Niemand käme je auf die Idee, einen Monet, einen Rembrandt oder einen Kandinsky verbessern zu wollen. Wieso maßen sich die digitalen Schriftgestalter so etwas an?
Ufff… tut mir leid. Ist vielleicht heftig formuliert, aber es brannte mir auf der Seele.
MZS am 31. März 2010 # :
Lieber Kollege, die Mediävalziffern sind von Paul Renner. Hat er 1925 gezeichnet. Sie wurden auch gegossen und auf Wunsch zusätzlich geliefert. In dem Buch von Christopher Burke (Paul Renner the art of typography, New York 1998) ist ein Plakat von 1927 mit diesen Ziffern abgebildet. Sie müssen nun leider widerrufen und bereuen, sonst kommen Sie nicht in den Himmel. Soll ich Ihren Kommentar freischalten und dann drunterschreiben, wie die Wirklichkeit aussieht? Ich finde die Mediävalziffern sehr schön, ich würde die Tabellenziffern dafür verschenken, wenn ich die schönen nur hätte.
Grüßend,
Ihr MZS
Georg Kraus am 31. März 2010 # :
Aber ich MUSS in den Himmel kommen.
Ja, bitte veröffentlichen Sie und, wenn Sie einverstanden sind, fügen Sie unsere Kommunikation hinzu.
Ich bin fehlbar. Ich weiß. Mediaeval-Ziffern bei einer Futura Buchschrift. Mich schaudert dennoch.
Vielleicht war Renner nicht Herr seiner Sinne. Meine Buchfutura. Niemand hat sie genutzt, oder? Ich hätte sie doch sonst irgendwann einmal bei einem Bestand dabei gehabt. Bestimmt haben die Drucker sie verschämt weggeräumt.
Veröffentlichen Sie, Meister. Veröffentlichen Sie.
Zerschmettert, aber in Demut die Belehrung annehmend verbleibe ich.
GKr
MZS am 31. März 2010 # :
Doch, doch. Sie wurden benutzt. Auch die alternativen Figuren a, g, r usw. Ich hab das letztes Jahr in einer Ausstellung über Henry van de Velde gesehen im Berliner Bröhan-Museum. Ich war hingerissen, wunderschöne Buchseiten mit den unauffälligen Mediävalziffern, die sich eben in den Text einfügen und nicht wie eine Formel aufblitzen. Ziffern, die man nicht ausgleichen muß und nicht spationieren muß wie die versalen, deren 1 soviel Fleisch im Rücken hat, daß es unspationiert wie ein Wortzwischenraum aussieht. Daß die schönen Ziffern (ich seh das anders als Sie, lieber Kollege) in den Setzkästen nicht zu finden sind, hängt mit der Unbedarftheit der deutschen Buchdrucker nach 1945 zusammen. Es gab eben keine Tschicholds und Trumps und Renners mehr, auf die die Drucker hörten. Alt, tot, vertrieben, der Typografie ging es nicht gut nach 45.
MZS am 31. März 2010 # :
Der verlinkte Artikel ist übrigens auch eine Folge von Nachlässigkeit und Ungenauigkeit. Die neuen Typen von Neufville unterscheiden sich sogar sehr stark von der alten digitalen Futura. Bei Gelegenheit werde ich das mal am Bild zeigen. Die Innenformen der Buchstaben, die Linienführung, das ist nur in der Neufville-Futura gut. Ich bin überrascht, wie unbedarft solche Mitteilungen in einem Fachmagazin veröffentlicht werden. Das war wirklich mal anders. Es war früher doch manches einfach besser, sogar das Hingucken und Nachdenken und Äußern von Beobachtungen.