Eine Frage der Ehe?
Recht häufig drucke ich Akzidenzen für zwei Menschen, nämlich Paare. Einladungen, Anzeigen, Danksagungen – es gibt eine Reihe von Drucksachen, die von zwei Menschen verwendet werden. Wer steht an erster Stelle? Bei Eheleuten mit einem gemeinsamen Familiennamen erscheint es mir angebracht, wenn der namengebende Teil an erster Stelle steht, damit die Eingeweihten wissen, daß der Namensempfänger sozusagen standesamtlich umarmt wurde. Also angenommen Anastasia Hotzenplotz heiratet Günter Rose und nähme dessen Name an, dann hielte ich für angebracht zu setzen: Günter und Anastasia Rose. Wenn es hieße Anastasia und Günter Rose, wirkt es auf die Familienangehörigen und Jugendfreunde von Anastasia möglicherweise, als habe Günter Anastasia ihren Familiennamen abgenommen, ihr aber seinen eigenen nicht gegeben, so könnte dort also auch stehen Bella und Günter Rose. (Bella ist der süße kleine Hund von Anastasia, für den sie auf Gütertrennung in der Ehe bestanden hat, denn Günter mag Bella auch sehr. Sagt er.) Außerdem ließe sich an der ersten, von mir sinnvoll gefundenen Folge auch anbringen: geb. Hotzenplotz. Dann ist klar, daß Anastasia vormals Hotzenplotz hieß.
Umgekehrter Fall: Amadeus Quark heiratet Ilse Rochefort und nimmt (gegen den Rat typographisch dem Qu nahestehender Freunde) ihren Namen an: Ilse und Amadeus Rochefort, geb. Quark.
Wenn aber beide ihre jeweiligen Namen behalten? Hermine Blink und Sigbert Blank oder umgekehrt?
Früher war es üblich, daß Herren treppab voraus gehen und treppauf den Damen folgen, damit die Dame weich fällt oder sogar aufgefangen wird, sollte sie stolpern. Manierliche Herren gehen auf der Straße auch heute an der Fahrdammseite, damit die Dame nicht von vorbeirasenden Kutschen mit Dreck bespritzt wird. Wenn solche Verhaltensregeln also einen Sinn haben, liegt die Vermutung, daß auch die Reihenfolge der Namensnennung einen Sinn hatte, keinen Steinwurf weit.
Auf ungefähr der Hälfte der Drucksachen, die ich heute anfertige, wird inzwischen der Name der Dame zuerst genannt. Ich frage meistens nicht nach, aber wenn ich es manchmal im Entwurf vorwitzig ändere, werde ich korrigiert. Eine Begründung wird dazu nicht gegeben, woraus ich messerscharf folgere, daß es als Folge der Gleichberechtigung gesehen wird, die traditionelle Reihung umzukehren, als zeige man damit, daß dem traditionellen Geschlechterverhältnis nicht mehr gefolgt werde. Wenn es nur das ist, wirkt es auf mich wie eine Demonstration ehepolitischer Entscheidungen, worauf man dann meinen könnte: Wie sieht es mit der Souveränität dieser Rollenpolitik aus, wenn sie öffentlich angezeigt werden muß?
Alles nur Vermutungen, über die man in meinem Beruf nachdenkt.
Wann denn?
Während des Setzens. Klaubt man jeden Buchstaben einzeln aus dem Setzkasten, so ergibt sich Denkzeit. Deshalb waren Schriftsetzer früher auch wirkliche Zaungäste der Wissenschaft. Handgesetzte Bücher mußten durch ihren Kopf, die ersten akademischen Setzer für Universitäten und höhere Kircheneinrichtungen waren selbst Akademiker. Auf diese Zeit geht der später entstandene Begriff vom Stehkragenproletariat zurück. Schriftsetzer wurden später zu Arbeitern, mußten aber besser lesen und schreiben können als andere und behielten auch bis zum Schluß eigene Bekleidungssitten. Sie trugen, anders als Drucker, keine Overalls, sondern Kittel oder Schürzen. Wenn Ehefrauen diese bügeln mußten und auch sonst nur zu Hause die Wollmäuse jagen durften, war es freilich sinnlos, über die Reihenfolge der Namen nachzudenken: Der Göttergatte stand vorn, das Puttelchen an zweiter Stelle. Doch das Spießbürgertum hat die Regeln nicht erfunden, es muß da einen Grund gegeben haben, der etwas sinnvoller ist als das Verhältnis von Hausherrscher zu Hausfrauchen. Wer weiß etwas?
tags: akzidenzen, anzeigen, danksagung, einladungen, familiennamen, stehkragenproletariat
Harki am 6. November 2007 # :
“Früher war es üblich, daß Herren treppab voraus gingen und treppauf den Damen folgen, damit die Dame weich fällt oder sogar aufgefangen wird, sollte sie stolpern.”
Das liest man gelegentlich, aber nach Asserate war es so, daß der Herr auch treppauf vorangegangen ist – um sich nicht dem Verdacht auszusetzen, die Knöchel der Dame zu betrachten. Ich finde diese Regelung – oder besser: mutmaßende Erklärung einer gemutmaßten Regelung – viel überzeugender, jedenfalls sympathischer als die pragmatische, sozusagen aus modernem Sicherheitsdenken geborene…
Eigentlich geht der Herr doch auch immer links – damit die Dame nicht durch den an der linken Seite getragenen Degen behelligt wird.
Und noch was: Ganz tolles Weblog, dem unbedingt ein langes Bestehen zu wünschen ist!
Martin Z. Schröder am 6. November 2007 # :
Wie ausgerechnet ich als Schweizerdegen den Degen vergessen konnte! Heute muß man darauf achten, daß das Fahrrad außen geschoben wird, um der Dame nicht die Pedale ins Bein zu stechen.
Wenn der Herr treppauf vorgeht, sollte der von ihm gebotene Anblick seiner Kehrseite dem Auge der Dame schmeicheln. Sonst soll er lieber ihre Knöchel begucken. Ich werde gelegentlich den Asserate (auch in meinem Regal) konsultieren, der ja über Drucksachen ausgezeichnet geschrieben hat! Er zieht sogar den Buchdruck dem Stahlstich vor, weil der Stahlstich zu protzig ist.
Vielen Dank für das Kompliment! Das Weblog wird sicherlichlich eine Weile bestehen, aber heller, geschmeidiger, kommentarfreundlicher – ich gebe gerade einen Berg Dukaten dafür aus, damit mein Netzmeister mein neues Netz meistert.