Ungleiche Fleischverteilung wg. serifengeschmückten Schaftes
Als ich auf eine Visitenkarte den Namen in Garamond Mittel (Schriftgrad 14 Punkt) setzte und den ersten Abzug sah, fiel mir auf, daß die Abstände der Punkte zu den Majuskeln (Großbuchstaben) optisch ungleich sind. Das G hat durch die Serife auf dem Schaft mehr Fleisch auf der rechten Seite als das C. (Was nicht nur interessant, sondern auch ein recht hübscher Satz ist.)
Und links neben dem G benötigt die Minuskel (Kleinbuchstabe) r etwas mehr Raum.
Die Ahlenspitze zeigt auf die Lücke, in welcher ein Halbpunkt-Spatium steckt. Das ist etwas niedriger als die Schrift und einen halben Punkt stark, also knapp zwei Zehntelmillimeter.
Nach der Korrektur läuft die Zeile ruhiger. Ich glaube, ohne die Genauigkeit des Computer-Bildschirms und die Brillanz des Offsetdrucks hätte ich nicht so genau sehen gelernt. Meine Lehrmeister haben solche Korrekturen nie erwähnt, so detailliert hat man früher im Bleisatz nicht oder selten gearbeitet. Vielleicht hätte sich mancher Grafiker das vom Schriftsetzer gewünscht. Von Jan Tschichold hieß es, wenn dieser vorne zur Tür hereinkomme, springe hinter der Faktor aus dem Fenster. In den Bildbänden mit Tschicholds Korrekturblättern sieht man ähnliche Anzeichnungen, auch dort hab ich’s mir abgeschaut.
tags: detailtypografie, garamond, mikrotypografie
Simon Wehr am 18. März 2010 # :
Vermutlich wird heute so schlampig am Rechner gearbeitet, wie damals im Bleisatz …
Das ist wohl der Unterschied zwischen Alltagsproduktion und den feinen Spezereien Ihrer Werkstatt.
MZS am 18. März 2010 # :
Spezereien? Ist das nicht was mit Wurst? Ich sprach doch oben von Fleisch.
Ich habe heute meine eigenen Visitenkarten gedruckt. Entsetzlich schwierig ist es, Entwürfe für sich selbst zu machen. Wenn die Fotos vernünftig geworden sind, zeige ich die Arbeit morgen.
Simon Wehr am 19. März 2010 # :
http://de.wikipedia.org/wiki/Spezerei
Ich kenne es im Sinne von »Köstlichkeiten« / »Delikatessen«
MZS am 19. März 2010 # :
Der Duden nennt diese Erklärung sowohl österreichisch als auch veraltend, aber gegen veraltete österreichische Wörter habe ich gar nichts, im Gegenteil, sie sind Ehrengäste. Besten Dank!