Rautendelein
Diese Schreibschrift heißt Rautendelein und wurde zuletzt von der Schriftgießerei Typoart gegossen. Irgendwann hat man damit aufgehört, und dann gab es in der DDR keine Anglaise (Englische Schreibschrift) mehr. Ich weiß leider nichts weiteres über diese Vorgänge und wäre dankbar, wenn mir dieses Wissen zuteil würde, vielleicht kann ein Leser die Schatten über der Vergangenheit der Rautendelein aufhellen?
Mein Bestand dieser Schrift ist winzig. Ich habe sie neulich wieder mal eingesetzt, weil das ß in der Excelsior (der Anglaise der Bauerschen Schriftgießerei) eine weniger leicht lesbare Form hat, welche für eine Visitenkarte im Bleisatz meiner Kundin nicht angenehm war. Das nebenstehende Bild zeigt die Excelsior mit deren scharfem s.
Diese Bleischrift ist auch technisch außergewöhnlich gemacht. Im Bleisatz bilden Überhänge eine Gefahr. Sie können leicht abbrechen, zumal wenn der Schriftsetzer sich nicht die nötige Zeit für die empfindliche Schrift nimmt oder wenn sie unsachgemäß stark beansprucht wird.
Die Rautendelein ist auf einen Kegel im Grundriß eines Parallelogramms gegossen worden, einen sogenannten Falzkegel, um ihre Überhänge zu verringern. Damit die Lettern in einer Zeile bleiben, sind sie mit Nut und Feder versehen worden. Das Setzen ist etwas langwierig, weil die Letter nicht einfach mit dem Daumen der linken Hand an den vorhergehenden Buchstaben geschoben werden kann, sondern die rechte Hand jede Letter einrasten muß.
An beiden Enden jeder Zeile (Wortzwischenraum gibt es auch in der schrägen Form) wird ein Schlußstück gesetzt, weil die Kolumne ein geschlossenes Rechteck bilden muß. Auf dem Foto ist ein M der Excelsior zu sehen. Der starke Überhang ist gut zu erkennen. Wie schade, daß die Rautendelein nicht mehr zu bekommen ist.
tags: anglaise, falzkegel, rautendelein
MZS am 12. Februar 2010 # :
Ein zu diesem Text gehöriger Kommentar wurde mit Bildern als eigener Beitrag veröffentlicht: Link
MZS am 15. Februar 2010 # :
Herzlich danke ich dem Ministerium für Lettern für diesen Link und die Information, daß die Rautendelein von Schelter & Giesecke gegossen wurde, bevor Typort sie erst übernahm und dann versenkte.
Iris Köhler am 22. Februar 2021 # :
Hallo, Herr Schröder, ich bin gelernte Schriftsetzerin (Facharbeiter für wissenschaftlich-mathematischen Werksatz) und seit 1981 arbeite ich in der Werkstatt Handsatz an der Hochschule für Grafik und Buchkunst in Leipzig. Im Rahmen von unfreiwilligen HOME OFFICE, bedingt durch die große Kälte war ich daheim und habe mich in dieser Zeit mit Schriftgeschichte befasst.
Und ich wollte Ihnen mitteilen, dass wir hier auch die Rautendelein haben, und zwar in 16 p; 20 p; 28 p und 36 p.
Es ist eine eigenwillige, aber auch tolle Schrift bedingt durch die rombenartige Form des Schriftkegels.
Mit freundlichen Grüßen verbleibt Iris Köhler
Carsten Jegminat am 19. Mai 2021 # :
Moin Herr Schröder,
hier ein Link zur entsprechenden Seite im Schelter & Giesecke Katalog von ca. 1932.
https://www.flickr.com/photos/winkelhaken/49766320402/in/album-72157713861880537/