Einfach auf den Kopf drehen

28. August 2009

Das Telefon klingelt um 16 Uhr.

“Könnten Sie bis morgen früh um 10 noch ein Ergänzungskärtchen zu unserem Programm drucken? Spielkartengröße, einfarbig zweiseitig, fünfzig Stück, Text kommt heute abend, aber nicht vor 8.”

“Hm. Es ist dann morgen noch nicht trocken. Und für den zweiten Druckgang muß die erste Seite trocken sein.”

“Wir brauchen es erst in zwei Tagen, wir nehmen die feuchten Drucke im offenen Karton mit und stellen sie ins Auto. Die Rückseite mit dem Signet könnten Sie doch heute noch drucken, das Klischee haben Sie ja. Ginge das?”

Unmögliches möglich zu machen, bereitet dem Handwerker immer besonderes Vergnügen. Das kitzelt den Ehrgeiz. Und was das alte Handwerk vermag, das holt man auch vergnügt aus ihm heraus.

Sobald der Hörer, in den ich noch meine Zusage gesprochen hatte, auf der Gabel lag, wurde die laufende Arbeit unterbrochen, die Maschine umgerüstet, und anderthalb Stunden später war die erste Seite gedruckt. Am nächsten Morgen stand ich ein paar Stunden eher als gewöhnlich am Setzkasten, der Text war am späten Abend per E-Mail eingegangen und wurde nun in den Winkelhaken gesetzt. Der Schöndruck vom Vorabend war trocken genug, um den Widerdruck anzugehen.

Mein Kunde strahlte, als er Stunden später die Karten (mit eingeschossenem Papier, um das Abliegen der Farbe durch Hin- und Herrutschen zu verhindern) in Empfang nahm — und das sieht der Handwerker allzu gern.

Ein Vorzug des Handsetzens gegenüber anderen Satztechniken ist, daß der Setzer jedes Teil (jede Letter und jeden Raum zwischen Buchstaben und zwischen Zeilen) in die Hand nimmt und dabei die Regeln der Feintypografie gewissermaßen automatisch anwendet. Auch ein paar Tricks gehören dazu.

Zwischen Versalien (Großbuchstaben, auch Majuskeln) stehen Zeichen, die auf die Mitte der Minuskelhöhe (also die Höhe der Kleinbuchstaben) gestellt sind, meistens zu tief. Es sind nicht viele, nämlich das Divis (Bindestrich), der Gedankenstrich, der auch für “bis” steht, und der auf Mitte stehende Punkt. Bei vielen Schriften kann man diesem Mangel abhelfen, indem man das Zeichen auf den Kopf dreht. Auf nebenstehenden Foto sieht man es: Oben auf der Karte steht der Strich besser als in der unteren Zeitangabe, wo ich ihn für das Foto noch mal zurückgedreht habe. Die Unsauberkeit ist eine des Andruckes, den ich schon in den Fingern hatte. Im Auflagendruck wurde Farbe reduziert und wurde auch das “Tanzen” der Lettern, also die zu hoch stehende 9 in 1904, korrigiert. Das Foto zeigt eine stark vergrößerte, im Original 12p große Schrift. 12 Punkt (Cicero) = 4,5 mm, das Maß bezieht sich auf den Metallkörper, auf dem der Buchstabe sitzt. Die Versalzeilen mit den Namen sind aus einer 8p (Petit) schmalmageren Futura gesetzt.

Die kleine Rille am Fuß der Letter ist die Signatur. Der Schriftsetzer achtet beim Setzen darauf und dreht die Letter so, daß die Signatur im Winkelhaken, wo die Lettern auf dem Kopf stehen, damit man die Spiegelschrift von links nach rechts setzen kann, nach oben zeigt, also sichtbar ist und sich als Rille durch die Zeile zieht. An der Signatur kann er in vielen Schriften auch falsche Buchstaben aus anderen Schriften erkennen, die sogenannten Zwiebelfische. Manche Schriften haben zusätzliche Signaturen, selten sogar auf beiden Seiten, und in jeder sitzt sie auf einer etwas anderen Höhe und hat eine etwas andere Größe. Die hier aus dem Satz gezogene Letter steht auf dem Kopf, die Signatur zeigt es an. Es gibt auch Setzkästen, in denen liegt eine Schrift aus zwei Gießerei-Lieferungen mit verschiedenen Signaturen. Dann hilft die Signatur nicht viel, Zwiebelfische zu erkennen.

Im digitalen Satz wird meistens der Text in eine Form gebracht, und dann bringt der gewissenhafte Setzer Zeile für Zeile die Details in Ordnung. Steht er unter Zeitdruck, kann ihm manches durch die Lappen gehen. Der Handsetzer wendet die Regeln und Tricks immer an, es gehört zu seiner Routine und geschieht unabhängig von der Eiligkeit eines Auftrags. Und während im Offset erst eine Druckplatte angefertigt werden muß, ist der fertige Bleisatz schon die Druckform. Bei so kleinen Sachen, 50 Karten wie die gezeigte, kann der Offset mit der Geschwindigkeit kaum mithalten, da spielt der Buchdruck (der englische Begriff Letterpress verbreitet sich inzwischen auch hierzulande, vor allem bei meinen Kunden, die Designer sind) beinahe in der Digitaldruck-Liga.

Was ich im Bleisatz leider nicht konnte: Antonín Dvo?ák seine tschechischen Akzente lassen.

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Kommentare

  1. Georg Kraus am 28. August 2009 # :

    Den Schrägstrich der Buchfutura empfinde ich jedesmal in Verbindung zumindest mit Ziffern als zu kurz. Das kann einen ganz unglücklich machen.

  2. Helmut Bohlmann am 28. August 2009 # :

    Da kann ich dem Georg Kraus nur Recht geben, der Schrägstrich ist wirklich daneben. Ich habe so manchesmal den Typografischen Schweinehund überwunden und passende Schrägstriche aus einer anderen Schrift genommen. Es sah einfach besser aus.
    Zum Thema Signatur: Da haben uns unsere französischen Kollegen Schriftgießer kleine Fallen eingebaut. So haben wir bei uns im Museum der Arbeit in Hamburg die Antique Olive – sie hat die Signatur auf den Rücken!!!

  3. Martin Z. Schröder am 28. August 2009 # :

    In diesem Falle ist es die schmalmagere Futura, der Schrägstrich ist wohl in allen Schnitten so? Werde mal nachschauen. Ich hab mich daran gewöhnt. Anfangs dachte ich, er wäre oben abgebrochen. Schrägstrich aus einer anderen Schrift — wenn ausgerechnet die 7 daneben steht, wird es vielleicht nicht einfach, einen Strich mit identischer Neigung zu finden, oder? In der Setzerei, wo ich früher arbeitete, waren die Schrägstriche so knapp, daß man sie extra in einem Kästchen hatte und immer einen halbwegs in die Strichstärke der Schrift passenden heraussuchte. Im Setzkasten sind gewöhnlich nicht viele davon, und heute mache ich es bei manchen Schriften notgedrungen ebenso. Meine Walbaum hat gar keine Schrägstriche. Ich setze sie allerdings auch selten; in Telefonnummern meide ich sie nach Möglichkeit, weil die schnelle Lesbarkeit durch den schrägen Strich nicht befördert wird, da erscheinen mir Divis, Punkt oder Spatium hilfreicher.

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