Walbaum analog und digital
Gestern hat jemand, der sich Amateur nennt, einen interessanten Kommentar geschrieben, der Einfachheit halber hier zitiert:
Sehr geehrter Herr Schröder, wahre Worte schreiben Sie da. Der Walbaum wurde viel Leid bei der Digitalisierung angetan. Ich musste schmunzeln, als ich den Dateinamen ihres digitalen Schriftschnippsels sah: “[…] typischdtp […]”. So einfach ist es aber nicht. Denn von der Walbaum existieren einige Digitalisierungen, die von sehr unterschiedlicher Qualität sind. Ihr Beispiel wird vermutlich eine Adobe Walbaum sein, digitalisiert 1988-1991. Nicht nur die Zurichtung unterscheidet sich enorm, auch die optische Achse unterscheidet sich zum gezeigten Bleisatzbeispiel und erst die Anstriche. Kurzum: Viel Leid, sehr viel Leid.
Ich will Ihnen ein anderes Beispiel zeigen (die untere Zeile): Die Digitalisierung von Agfa Monotype aus dem Jahre 1995: Ja, auch hier ist die Zurichtung “glatter” (wobei ich, mit Verlaub, diese fast als angenehmer empfinde, dies liegt wohl am gewohnten Seh- und Leseverhalten, das Alter, Herr Schröder, das Alter ;-)). Aber es kommt näher an das “Original” heran, wirkt zwar gedrungener aber geht auch mehr in Länge.
Eine Frage hätte ich da noch: Existieren Unterschiede zwischen den einzelnen Schriftgraden der Walbaum in ihrer Bleiform? Ich habe noch nie eine Walbaum in Blei gesehen, daher rührt mein Interesse.
Aber mit Wehmut muss ich schließen: Sie haben recht.
Ihr Amateur
Vielen Dank für diesen schönen Brief!
In der Tat kommen wir der Bleisatz-Walbaum so, also mit dem unteren Schriftzug, näher; diese Digitalisierung kannte ich bislang nicht und danke für die Aufklärung. Nein, ich jaule nicht wegen der vergangenen Zeiten, dazu lese ich doch zu viele Bücher über dieselben. Und ich habe auch nichts gegen die neue Technik, es gibt ja heute ganz ausgezeichnete Arbeiten und mehr gute Typografen als je zuvor. Daß Digitalisierungen erneuert werden, spricht für die Zeitgenossen.
Zur Frage von, hüstel, Amateur: Ja, die Bleisatz-Schnitte unterscheiden sich, sogar kräftig. Mein Lieblingsschnitt ist der in Borgis (9p), da fällt die Walbaum viel weicher als in der Nonpareille (6p), wenn man der Schrift mal mit einem textur-nahen Begriff näher kommen möchte. Borgis bis Cicero (12p) sind deutlich lesefreundlicher geschnitten, die kleinen Grade wurden in den meisten Schriften etwas weiter geschnitten, damit die Punzen, also die innenliegenden nicht druckenden Teile des Buchstabens, also vor allem etwa der Kopf vom e oder die untere Schleife des g, nicht mit Druckfarbe zuliefen und als Fläche im Druckbild erschienen. Vielleicht ist die Zurichtung auch etwas weiter, das habe ich mir noch nicht angesehen. Der kleine Grad, den ich da fotografiert habe, läuft recht holperig und wäre als Leseschrift vielleicht zu munter, das ist keine Altersfrage. Die ganz großen Grade, also ab Mittel (14p) mag ich in meinem eigenen Bleisatz weniger, weil meine Schrift so stark abgenutzt ist, hier sind viele Serifen platt gequetscht oder gar angebrochen, es dauert lange, bis ich eine vernünftige Zeile gesetzt habe. Ich übernahm die Schrift in diesem Zustand. Bei nächster Gelegenheit werde ich ein paar Bilder zeigen von anderen Graden der Walbaum kursiv, auch mit etwas Text.
Bei Digitalisierungen muß man sich vermutlich heute auch fragen, wie es der erfindende Schriftkünstler denn heute machen würde. Und so sind sicherlich Verbesserungen der Zurichtung zu rechtfertigen, wobei ich kein Freund von der Angewohnheit bin, kleine Typen unter das T zu schieben (wie das y in Typografie), als gehöre der Weißraum im T nicht zum Buchstaben. Man sieht das leider häufig, wie Buchstaben dem T unters Dach gestellt werden.
tags: digitalisierung, walbaum