Spielwiese
Für einen Stammtisch, zu dem drei Herren aus dem Berliner Literaturleben (oder sollte man -wesen sagen?) alle sechs bis acht Wochen in ein Lokal am Prenzlauer Berg einladen (das sich, seit ich als 16jähriger Lehrling gelegentlich darin saß, kaum verändert hat), drucke ich die Einladungen. Die gedruckten und durch Namen handschriftlich ergänzten Einladungen erhöhten die Attraktivität ungemein, sagen die Gastgeber. Die Einladung sieht jedesmal anders aus, zum 5. Jubiläum kam nun eine von den Zierziffern der Schrift Saphir zum Einsatz.
Und die Rückseite gehört mir und meinen Launen. Ich drucke einen Hinweis auf meine Werkstatt und tobe mich mal mehr, mal weniger aus. Diesmal hatte ich keine rechte Idee, aber Lust zum Spielen. Also fügte ich anfangs planlos ein Element zum andern, im Laufe der Druckgänge entsteht dann doch ein Bild. Es entspricht nicht recht meinen Vorstellungen von Typografie. Typografie muß man planen, auch das spielerische Bild. Dieses hier ist dem Zufall zu verdanken: erst sah ich die Katze, die ich “immer schon mal” drucken wollte, dann den Hund, der mir als Gegensatz geeignet erschien, dann fiel mir der Zusammenhang zum Zitat ein, und ich zog den Fisch hinzu (ein stark abgenutzter Holzstich): Hund, Karte, Fisch bilden eine gewisse “Entwurfsvielfalt” ab, wenn diese Geschöpfe wahrscheinlich auch nicht mit der GoldEdition erschaffen wurden. Ich würde diesem Bild den Reiz des Spielerischen zugestehen. Richtig wäre gewesen, erst auf die Idee zu kommen und dann den Entwurf zu planen. Aber das ziellose Spiel entspricht immerhin dem Stammtisch: Man trifft sich dort nicht mit dem Ziel, Geschäfte zu machen, sondern einen netten, eigentlich ziellosen Abend in interessanter Gesellschaft zu verbringen.
Dieses Katzengesicht steht schon seit langer Zeit in meinem Bild-Fundus. Dieser Abdruck ist ein wenig fleckig.
Es ist ein Kunststoff-Klischee, das man Nylo-Print nennt.
In der Vergrößerung sieht man die Rasterpunkte, aus denen sich die Halbtöne des Bildes ergeben. Wenn sich zwischen den Punkten zuviel Farbe festsetzt, muß man das Drucken unterbrechen und die Platten mit Waschbenzin ausbürsten. Im Buchdruckgewerbe wurden Lehrlinge in den ersten Tagen früher gern in andere Abteilungen geschickt: “Hol mal ne Tüte Rasterpunkte!”
tags: einladung, saphir, spielwiese
Georg Kraus am 13. Juli 2009 # :
Mh. Ja. Die Leute werden auf jeden Fall ins Grübeln kommen und versuchen, einen tieferen Sinn in Ihre Auswahl der Klischees hineinzudeuten. Soviel ist sicher.
Ja, ja. Die Rasterpunkte. Mein Meister schickte mich im ersten Lehrjahr zur Apotheke „Hier hast Du 10 Mark, hol mal schnell 250 g 28er Rasterpunkte, wir können sonst mit dem Druck des Katalogs nicht beginnen, die Drucker haben die alte Tüte umgeworfen, alles ist versaubeutelt“. Der Apotheker war eingeweiht und schickte mich zurück „28er Raster sind aus im Moment, kommen erst morgen wieder rein.“. — „Dann geh in den Papierkeller und schneide aus der Maku ein paar alte Raster aus. Muß auch so gehen…“
Joh… 38 Jahre ist das jetzt her. Und ich habe es bis heute nicht vergessen.
Florian am 13. Juli 2009 # :
Nein, mit allem Respekt, aber diese Rückseite wird auch durch die charmante Erklärung nicht besser.
Martin Z. Schröder am 13. Juli 2009 # :
Psssssst!
Georg Kraus am 14. Juli 2009 # :
@ Florian
Ziehen wir’s von seinem in der Vergangenheit wohlverdienten Bonus ab und gehen ansonsten einfach stillschweigend darüber hinweg, ja? ;-)
Anderer Florian am 14. Juli 2009 # :
Hund frisst Katze frisst Fisch frisst Fliege(nkopf). Bleibt nur die Frage WO? (Katzen müssen draußen bleiben.)
Martin Z. Schröder am 14. Juli 2009 # :
Der Fliegenkopf ist vielleicht interessant: ich hatte erst Divis gesetzt in der Annahme, der Randausgleich sei in diesem Falle mal nicht so wichtig, ich hätte die Satzbreite umstellen müssen, was im Bleisatz ein bißchen Arbeit macht, zumal wenn die Druckform und die Anlage in der Presse schon eingerichtet sind. Denn die anderen Zeilen sind so eng gesetzt, daß da keine anderthalb Punkt Raum mehr rauszuholen sind. Es fiel aber da oben in der ersten Zeile doch unangenehm auf, also die Trennung. Ich habe einen Schrägstrich eingesetzt (so wie das Divis in den venezianischen Renaissance-Antiquas), aber das paßte nicht zur dreiviertelfetten Futura. Dann kam ich auf die Idee, das Divis umzudrehen und seinen Fuß zu drucken, und das ist die beste Lösung.
Florian am 14. Juli 2009 # :
@ Georg Kraus
Aber sicher doch!
Christian Lembrecht am 14. Juli 2009 # :
Triviale Beschreibungsroutine – Marlitt! (Guck im Lexikon nach wer das ist.)
Martin Z. Schröder am 14. Juli 2009 # :
Kapier ich nicht.
Christian Lembrecht am 15. Juli 2009 # :
Hatte wenig inhaltlichen Bezug.
Martin Z. Schröder am 15. Juli 2009 # :
Inzwischen aufgeklärt: Es war ein guter, aber absoluter Eingeweihten-Witz, für den man sich an zwei Bücher sehr, sehr gut erinnern muß. Und da der auf meine Kosten geht, erzähle ich ihn nicht.