Typografie und Bild
Aufträge, Exlibris zu drucken, nehme ich sehr gern an. Exlibris sind Schmuckstücke für die Bibliothek. Man wird an ihnen gewissermaßen zum Juwelier der materiellen Geisteswelt. Für diesen Auftrag kam meine Auftraggeberin in die Werkstatt und suchte sich aus dem Fundus alter Druckstöcke eine Abbildung aus. Ich skizziere meistens digital. Weil es schneller geht, als wenn ich den Bleistift ansetze oder gar Klebeskizzen vom Bleisatzzeilen mache, und weil es genauer ist, als meine Bleistiftzeichnung. Die Abbildung lag freilich nicht digital vor. Ich hatte nur einen Abdruck von Hand gestempelt, damit wir das Motiv besser sehen konnten. Wie der scharfe Ausdruck aussah, wußte ich bis zum Andruck auch nicht. Für die digitale Skizze hatte ich deshalb nur einen Platzhalter eingesetzt, um die äußere Form der ganzen typografischen Gestalt skizzieren zu können.
Das gedruckte Bild hat aber durch seine Abweichung von der Skizze, welche die inneren Linien des Bildes nicht berücksichtigt hatte, den ganzen Entwurf beeinflußt. Ich habe die Schritte von der Umsetzung des digitalen bis zum Andruck des geänderten Entwurfs im Bild festgehalten.
Die feinen Linien fallen durch. Sie sind dem viel schwerer erscheinenden Bild nicht gewachsen. Man erkennt die rote Farbe kaum.
Nimmt man die Linien nur fetter, gewinnt der Entwurf zwar an Ausgewogenheit, die Rhythmisierung wirkt nicht mehr so falsch, aber der Duktus der Linie sehr wohl.
Die einfache halbfette Linie würde zu einer Buchfutura passen, einer kräftigen serifenlosen Schrift. Die hier gesetzte Walbaum als klassizistische Antiqua mit dem starken Kontrast zwischen fetten und Haarlinien verlangt ein anderes Linienbild. Auch in der gezeichneten Abbildung finden sich Doppellinien in zwei Stärken.
Allerdings war die feine Linie zu fein, eine stumpffeine wird dafür eingesetzt. Auf den verkleinerten und komprimierten Bildern schwer zu erkennen.
Im die Abbildung umlaufenden Linienrahmen steht die starke Linie außen, die feine innen. Dies wiederholt sich hier in den roten Doppellinien. Aber das funktioniert nicht, denn die roten Linien rahmen nicht das Bild, sondern unterteilen den gesamten Satz, dessen Leserichtung nach unten führt. Die roten Linien müssen sich einfügen.
Auch ihr Durchschuß, also der Zwischenraum zwischen den beiden Linien, wird verringert. Er muß entweder genau gleich dem im Rahmen der Abbildung sein oder deutlich anders. Richtig ist hier der deutliche Kontrast.
Was man hier nun wirklich nicht erkennt: In diesem Abzug wurde die obere fett-feine Linie einen halben Punkt nach oben gerückt.
Zwischen den Linien liegt ein halber Punkt Durchschuß. Das Setzmaterial dafür ist aus Messing, denn so feine Spatien kann man nicht aus Blei machen. Sie sind 0,188 mm stark.
Das fertige Exlibris im richtigen Rhythmus von Text, Bild und Linienornament. Einwenden ließe sich, daß das Bild recht schwer ist für das kleine Format, also zu dunkel und zu groß. Es würde sich als Vignette auf einer Buchseite gut machen, zwischen Zeilen, die breiter sind als das Bild. Typografie besteht oft aus Kompromissen, gerade im Bleisatz. Es gilt, aus den zur Verfügung stehenden Mitteln den besten Entwurf zu machen. Wenn historische Originale aus dem Werkstatt-Fundus zum Einsatz kommen, läßt sich deren Größe ja nicht ändern.
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