Maulbeerbaumbütten
Ein Kunde zeigte mir eines Tages Visitenkarten, die er in Japan besorgt hatte und fragte, ob ich so etwas anbieten könne. Echtes Bütten aus Maulbeerbaumrinde. In Japan wird Papier gemacht, wie man es sonst wohl nirgends findet. Ich habe vor vielen Jahren eine Visitenkarte bekommen von meinem damaligen Chef, Buchdruckmeister Rapputan, die ihm ein japanischer Besucher überreicht hatte. Sie war hochglatt und dabei von einem durchscheinenden Weiß wie ein feines Porzellan, und sie hatte einen echten Büttenrand. Wo bekommt man so etwas her? Mein Kunde nun wollte aber keine hochweiße Karte, sondern eine zartgrüne aus Maulbeerbaum-Bütten, und zum Glück wußte er noch, wo er die Karten gekauft hatte.
Ich schickte erst eine E-Mail nach Japan, dann das für das Papier erwünschte Geld, einige Wochen später kamen die Karten, und wenn ich mich recht entsinne, wollte auch der Zoll noch etwas Geld von mir haben. Ich habe noch nie zuvor so teure Visitenkarten gehabt. Ein solches Kärtchen kostet nun fast einen halben Euro. Sie sind fein verpackt, 100 Stück in einer schmalen Schachtel, deren Deckel selbst mit einem Büttenpapier bezogen ist.
Und so sieht der Stapel mit Visitenkarten aus Echt Bütten aus Japan aus der Nähe aus. Büttenpapier hat keine Laufrichtung, wie man es nennt, wenn sich die Fasern während des Durchlaufs durch die Papiermaschine in eine Richtung legen. Parallel zur Laufrichtung ist das Papier biegsamer als quer zur Laufrichtung. Man muß das bei Büchern beachten, damit sich nach dem Binden durch die Ausdehnungen des Papiers keine Wellen darin bilden. Aber auch bei Karten hat man die Wahl zwischen Biegsamkeit und höherer Steifigkeit.
Jede Karte ist einzeln in einem Sieb gewesen.
Und schaut man hindurch, so erkennt man, wie wolkig das Papier ist. Die Karten sind auch nicht alle gleich dick. Bei Büttenpapier, wie man es hierzulande macht, wäre das eine Katastrophe für den Drucker. Aber Maulbeerbaumbütten ist so weich, daß es die Bleibuchstaben kaum beansprucht.
Dieser Tage habe ich mit dunkelgrüner Anglaise (Englische Schreibschrift) auf diese zartgrünen Karten gedruckt.
Beim Einrichten der Maschine geht immer mal eine Karte verloren. Ich habe sie zerreißen wollen, um mir die inneren Fasern unter der Lupe anzuschauen. Aber diese Karten sind enorm stabil, sie lassen sich an manchen Stellen nur mit erheblicher Kraftanstrengung reißen.
Nimmt man ein paar Fasern heraus, sieht man, warum die Karte so widerstandsfähig ist: sie wirkt wie gefilzt.
tags: echt bütten, japanbütten, visitenkarte
Sonya Winterberg am 24. Mai 2009 # :
Welch’ ein Genuss! Auf manchem Photo wirkt das Papier wie feinstes Gold, dann wieder wie Seide… ob die Papiermanufaktur einen Katalog hat?
MZS am 24. Mai 2009 # :
Mir ist der Hersteller leider nicht bekannt. Und gekauft habe ich via Korrespondenz in einem Geschäft ohne Website. Und ich hörte, es sei generell schwierig, mit Japan so kleine Ferngeschäfte zu machen, nun, und zumal wenn man die Ware nicht kennt. Eine mir bekannte Papierfreundin ist derzeit auf dem Weg zu einer kleinen Rundreise durch Japan, und vielleicht bringt sie etwas interessantes mit; ich werde dann berichten.
martina am 26. Mai 2009 # :
Wunderschön – da möchte ich gleich das Papier ganz v o r s i c h t i g berühren. Ich habe auch einmal für einen Kunden aus gerissener Bütte Visitenkarten produzieren lassen, wunderschön, und Geld spielte keine Rolle! Aber diese hier übertreffen alles.. Danke, war schön anzusehen! Papierene Grüße aus Wien, martina