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Kürzlich hatte ich Hochzeitseinladungen und eine dazu passende Danksagung zu drucken. Die Einladungen wurden aus einer Schreibschrift der 30er Jahre gesetzt und mit einer roten Holzletter als Initial geschmückt. Und die Danksagung sollte diese Letter aufnehmen. Wunsch meiner Kunden war, die Holzlettern in der Druckmaschine nicht für den guten Druck zuzurichten, wie wir Drucker es nennen, wenn wir die Unregelmäßigkeiten einer Druckform im Druckbild ausgleichen. Dazu werden auf dem Aufzug, auf dem das Papier für den Druck liegt, und unter dem Lettern oder unter Bildmaterial feine Reliefs geschaffen aus Seidenpapier, die das Druckbild perfektionieren. Hier war dagegen gewünscht worden, die Natur der Holzlettern zu belassen, die Spuren der Zeit an ihnen, die Abnutzungserscheinungen, Kratzer und dergleichen im Druck abzubilden.
Als ich mit der Auflage fertig war, kam mir der Gedanke: Was passiert, wenn ich auf diese Kerbe in der Letter A was draufklebe?
Ich hätte es mir denken können, aber ich war doch erst etwas enttäuscht. Aber eben, weil ich vorher einer Täuschung aufgesessen war. Man kann solche Buchstaben kitten, aber nicht mit dem Aufbringen einer Art Pflaster.
Die Bilder zeigen die Folge von: Was passiert eigentlich, wenn …
Und das hat mich belustigt und in seiner Wirkung doch ziemlich entzückt. Ich habe immerzu etwas geändert an der Druckform, und es ist eine Art Druckgrafik entstanden, die Kunstgattung nennt man Montage- oder Materialdruck.
Da der Kunstbegriff schwer zu definieren ist, die Absicht ebenso sehr dazu gehört wie die Intuition, kann ich die Frage nicht beanworten, ob es Kunst ist. Druckgrafik ist es sicherlich, aber ich halte es nicht für ein Kunstwerk oder nur für ein ganz winziges. Das Schöne an dieser Art von Druckgrafik ist die Überraschung. Anders als beim digitalen Arbeiten weiß man nicht, wie nach der Manipulation der Druckform das Druckbild sein wird. Als Lehrlinge haben wir gerne mit dem Farbstein gespielt. Wenn man auf die ausgewalzte Farbe Waschbenzin spritzt und dann rasch einen Bogen Papier drauflegt, ergeben sich hübsche Muster darauf.
Nach dem Drucken muß die fette Farbe trocknen, meistens zwei Tage, das hängt von der eingesetzten Farbe, dem Papier und der Luft ab. In der letzten Werkstatt-Ecke lege ich die Karten nebeneinander auf Pappen aus.
Preise: 1 Karte mit unbedrucktem Kuvert kostet 3,00 Euro inkl. 19% MWSt. zuzüglich Versand (4 Euro). Wir liefern gegen Vorausrechnung und Vorkasse, solange der Vorrat reicht. Eine Nachauflage ist einstweilen nicht vorgesehen. Und jede Karte sieht ein bißchen (oder mehr) anders aus als die andern!
Freilich sind die Karten auch direkt in der Druckerey erhältlich: mittwochs von 15 bis 18 Uhr und nach Vereinbarung.
tags: danksagungen, druckgrafik, holzlettern
Simon Wehr am 12. Mai 2009 # :
Herrlich! Ich liebe an derlei handwerklichen Arbeiten das Spielerische und das Element des Zufalls. Eine so entstehende Freiheit lässt sich digital – wenn überhaupt – nur schwer erzielen. (Und wenn, sieht’s meist gruselig aus …)