Schriftmischung extrawild
Ein heikles Thema. Es gibt für Schriftmischungen aber recht gut gefaßte Regeln: Entweder im Duktus bleiben, also eine Anglaise (Englische Schreibschrift, Spitzfeder) mit einer Klassizistischen Antiqua (Kontrast zwischen fett und fein ähnelt dem der Spitzfederschrift) mischen. Oder starke Kontraste erzeugen, dann kommt zur großen Anglaise etwa eine kleine magere Futura. Ein überdimensionierter klassizistischer Buchstabe (Stichel) darf als Initial auch in einem Text aus einer Renaissance-Type (Breitfeder) stehen. Beides in gleichem Grad (Größe), gleicher Farbe, gleichem Schnitt (Schnitte: gewöhnlich, kursiv, fett und dergleichen) — eher nicht, weil der Gegensatz zu undeutlich ist.
Nach den Ferien und meinem ärgerlichen Schnupfen habe ich mir meinen Spielplatz zurückerobert. Vor Weihnachten war die Druckerey ja ein Platz anstrengender Arbeit, um alle Termine einzuhalten. Nun wollte ich mal wieder ein bißchen spielen und hab mir ein paar private Postkarten gedruckt. Mit meinen Initialen aus drei Schriften: Zentenar-Fraktur, Legende und Bigband. Die ersten beiden sind aus einer Hand: von Ernst Schneidler stammen die Fraktur und die Legende, beide zeigen deutlich die Breitfeder und sind darin einander verwandt, sogar in der Strichstärke, obwohl es sich um verschiedene Schriftgrade handelt, wie man am Bleisatz sehen kann. Die Bigband wirkt durch ihre bandartige Schattierung ebenfalls breitfederhaft, auch wenn es eine sichtbar gezeichnete Schrift ist. Ich habe dazu lange in einem schönen Bildband mit Arbeiten von Schneidler geblättert und glaube, er hätte mir für diese Mischung nicht den Kopf abgerissen. Buchstaben sind reizvolle Zeichen, die geheimnisvoll werden können, wenn man ihre schöne Vielgestaltigkeit wahrnimmt.
Auf die Rückseite der Karte habe ich meinen Absender gedruckt. Satz aus dreiviertelfetter Futura, kompreß (also ohne Durchschuß, wie wir den Zeilenzwischenraum nennen, im Gegensatz zu splendid). Oben und unten ist eine abgeschrägte Schraffur-Linie zu sehen, die den Spaß gleich ein wenig postalischer wirken läßt. Solche Linien sind aus Messing gemacht. Sie halten mehr Druck aus als Blei, sind als beständiger und können lange verwendet werden.
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