Wellenelemente auf dem Spielplatz
Letzten Donnerstag hatte ich Verwandtschaftsbesuch, zwei Kinder haben die Werkstatt kennengelernt und sich überlegt, was sie sich drucken könnten.
Wann habe ich mich zuletzt gefragt: Was drucke ich denn heute schönes? Und am Freitag dann entdeckte ich beim Aufräumen ein Ornament in meinen Schmuckkästen, das danach rief, so gedruckt zu werden, wie es da stand. Neun Elemente im Quadrat. Außerdem hatte mir mein Lieferant Georg Kraus einen neuen Schrank samt Schrift geliefert, die Volta, eine Egyptienne (oder Serifenbetonte), die ebenfalls rief: druck mich, schau mich an, probier mich aus, lerne mich kennen, mag mich, arbeite mit mir! Die zu druckenden Auftragsarbeiten schob ich kurzentschlossen aufs Wochenende und legte einen Spieltag ein.
Julian, der Lego-Experte, der sich tags zuvor eine Visitenkarte als solcher druckte (zeige ich demnächst), hatte meine Werkstatt mit einem überdimensionierten Lego-Kasten verglichen. In meiner Kinderzeit waren das noch nur Steinchen und eine ostdeutsche Variante in gelb und grün, die ich jedoch sehr mochte. Lego bietet heute aber weit mehr als Bausteine. Ich vergleiche meine Werkstatt lieber mit einem (alten) Stabilbaukasten — ist immerhin alles Metall. Andererseits stimmt Lego, weil man nie schraubt, sondern nur fügt. Egal. Ich ließ meiner Laune zum Spiel freien Lauf.
Nach dem ersten Abzug von Ornament und Schrift wollte ich mir auch mal wieder eine Visitenkarte drucken, zweckfrei. Vielleicht die Karte eines Kunstsammlers, fiel mir dann ein. Ich habe gerade ein Foto gekauft für die Werkstatt. Wenn es gerahmt ist, zeige ich es. Und demnächst besuche ich Barbara Wrede im Atelier, weil ich etwas bestimmtes kaufen möchte. Es gibt da so eine grüne Serie …
Ich machte keine Entwürfe, keine Zeichnungen, sondern probierte drauflos.
Satz, Formschließen, Abzug, Ändern und wieder von vorn.
Die ersten drei Bilder zeigen die gedruckten Skizzen, das vierte den Entwurf, den ich für druckreif befunden. Es ging ziemlich fix, bald hatte sich ein Wunschbild vor dem inneren Auge geformt, das dann leicht zu verwirklichen war.
Und auf dem fünften Bild sind die gedruckten Karten zu sehen, wie sie aus der Maschine in einen Karton geworfen werden, wo sie leicht verkantet sich häufen und so keine Gelegenheit haben, ihre Farbe auf eine darüberliegende Karte abzuziehen.
Die Bilder vom Satz zeigen zuerst die geschlossene Druckform, dann im Detail die Ornamente. Das mittlere der drei, das dunkle, die Vierecke mit den weißen Halbkreisen, stand genau so, wie es gedruckt ist, im Kasten. Die Blatt-Ornamente hatte ich auch nie zuvor gedruckt; sie wirken ein wenig asiatisch, scheint mir.
Warum ich nun in die anderen Ornamente jeweils ein Teil des mittleren gesetzt habe? Gefühlssache, hab mir keine Theorie dafür gebildet. Ich wollte, daß die Karte an eine Galerie erinnert, in der Bilder mit Schildchen an der Wand hängen. Mein Name sollte möglichst verschwinden, weshalb er an den unteren Rand gerutscht ist und Teil einer
Bodenlinie geworden mit diesen kleinen Wellen-Elementen. Wellenelement ist ein schönes Wort, um das uns andere Sprachen beneiden müssen, und wenn es Wellenelementehersteller oder gar -experten geben sollte, würde ich gerne für sie drucken, denn das e ist im Setzkasten für die deutsche Sprache der Buchstabe, von dem die meisten Exemplare vorhanden sind. Wahrscheinlich sind Wellenelementehersteller aber eher Fachleute für Bolzen. Oder Spindeln.
Die anderen beiden Quadrate sind zwar bewußt zusammengestellt, aber viel Energie habe ich auf die Anordnung nicht verwendet.
Hier sind die drei, aus jeweils neun Teilen bestehenden Ornamente
Aus einer Ausstellung habe ich noch nie ein Bild gekauft, aber vielleicht kommt der Tag, an dem ich meine Visitenkarte mit meiner Telefonnummer in einer Galerie hinterlassen kann. Bis dahin ist sie ein zweckfreies Ding, das mir aber gut gefällt. Auf der Wrede-Website ist übrigens etwas von den grünen Arbeiten zu sehen. Die sind allerdings riesig, die kann ich nirgends aufhängen. Erstens hab ich keinen Platz, zweitens ist das Grün derart intensiv, daß man dafür einen Saal braucht. Es soll da aber noch kleine geben …
Chris am 27. Oktober 2008 # :
Werden Visitenkarten einzeln gedruckt?
MZS am 27. Oktober 2008 # :
Bei mir ja. Es dauert länger, eine zweite Satzform zu bauen, einzurichten und “zu zwei Nutzen” zu drucken (wie wir Drucker sagen, wenn zwei Formen auf einen Bogen gedruckt werden und danach zerschnitten) als eine kleine Auflage einzeln zu drucken.
Bei mir geht jede einfarbige Drucksache einmal durch meine Hände, jede zweifarbige zweimal usf.
Auf großen Maschinen, deren Mindestformat schon mehrere Nutzen verlangt, sieht es anders aus. Im Offset passen etliche Nutzen auf einem Bogen, schon auf einen DIN-A4-Bogen paßt das Format DIN A7 achtmal, und das wäre dann Kleinoffset. Kleinauflagen sind deshalb im Offset nicht wirtschaftlich, zumal wenn man ein bestimmtes Papier einsetzt.
Alex am 1. November 2008 # :
Was ist das denn für ein schöner Füller auf dem letzten Bild?
MZS am 1. November 2008 # :
Ein Caran d’Ache. Eine Sonder-Edition aus der preiswerten Ecridor-Serie mit Stahlfeder, zwar rhodiniert, aber eben kein elastisches Gold: Ecridor Type 55: “Das Motiv besteht aus einer Abfolge der Zahl 5, der das Modell seinen Namen verdankt.”
Chris am 6. November 2008 # :
Ah, danke. Das wusste ich nicht, ich war irgendwie davon ausgegangen, das Bogen gedruckt werden, die später zerschnitten werden.