Zitate und Brüche

6. September 2008

Mir fehlt zwar jetzt die Zeit für einen längeren Text über die Typografie des Goldt’schen Atlas’, aber ein paar „Lesehilfen“ möchte ich stichpunktartig geben. Dieser Blog-Eintrag ist für die Leser des Büchleins geschrieben, wenn man es nicht vor sich hat, bleibt er unverständlich. Ist leider nicht anders zu machen — ich bitte um Verständnis.

Der Haupttitel und das Frontispiz (frontispicium = Vorderansicht; aus frons [lat. Front] und spicere [sehen]): Der Haupttitel ist typografisch durch die Schrift Walbaum und die Stellung der Zeilen auf horizontale Mittelachse klassizistisch, die Farbstellung schwarz rot findet man bereits in handgeschriebenen Büchern, rot ist die klassische Zweitfarbe der Buchkunst. Weil die Titelei kein reines Zitat sein soll, wurde dem Haupttitel ein Spezialkringel im Frontispiz vis-à-vis gestellt. Der Kringel bricht durch seinen Strich (Kugelschreiber, kontrastlos) mit dem Duktus der Schrift (Fett-fein-Kontrast). Der Künstler, der diese Zeichnung eigens anfertigte, ja sogar eine ganze Auswahl verschiedenster Spezialkringel, aus denen ich mir in einem zwei Stunden währenden Schau- und Denkprozeß den gedruckten aussuchte, wird im Impressum genannt.

Seite 5: Lichte Futura zur Unger-Fraktur; Figur aus Schrift- und Setzkastenelementen. Die Dadaisten waren die ersten, die sich solche Frechheiten trauten und neue typografische Bilder auch durch Stilmischung schufen. Die Fraktur ist die Schrift der deutschen Leser seit dem frühen 16. Jahrhundert, die es in ihren Büchern auch gemütlich und romantisch haben möchten. Ich kann Adalbert Stifter nur in Fraktur genießen. Die Serifenlose ist die Schrift des Industriezeitalters, der Sachlichkeit und des Konsums. Eine lichte Serifenlose mit ornamentalem Charakter wird vor allem für Reklame eingesetzt, also für Verbrauch, für den gierigen materialistischen Menschen der Revolutionen und des Fortschritts.

Seiten 6/7: Solemnis in rot, Walbaum schwarz. Unziale mit Klassizistischer, hier werden von links nach rechts 1500 Jahre Schriftgeschichte übersprungen, grob gerechnet. Wobei die Unziale eine modernisierte Form hat, sie ist keine Originaltype des 6. Jahrhunderts. Im Text geht es darum, daß manches nicht altert. Die Schönheit des (eigenen) menschlichen Fußes überwindet alles mediale Rauschen.

Seite 8: Renaissancehafter Rahmen aus Linien, Renaissance-Type (Garamond), dazu Telefone und @-Zeichen als Schmuck in den Ecken. Es klingelt und fiept in den Ecken wie das Privatfernsehen im Text.

Seite 9: Rahmen aus renaissancehaftem Schmuck, dazu passende Schrift, dann im Text ein Umschlagen ins Dekorative, weil Phonetik der Sprache in der Schrift ein Ornament abbildet, betont durch die lichte Largo: ein O besteht in der lichten Type aus zwei Kullern. Und visuell rhythmisiert durch Abweichen von der Mittelachse. Da geht auch gleich ein Element des Rahmens aus der Angel.

Seite 10: Typografische Malerei gewissermaßen. Eine Fläche entsteht durch Begrenzungen, ein florales Zier-Stück wird zur Speise. Das ist eine ganz regellose Seite, auch aus der Dada-Tradition, nur eben im Satzspiegel der Gutenberg-Bibel.

Seite 11: ein Dialog, dessen zweite Stimme erst im Kopf des Lesers entsteht, dargestellt durch kleine Wellenelemente. Zu der Seite gibt es nicht viel zu sagen. Amorphe Satzgestalt, fast alle Zeilen haben einen eigenen Anfangspunkt, nur die linke Satzkante wird stabilisiert durch dreieinhalb Anfänge auf einer Höhe.

Seite 12: Das Oval im Spitzfeder-Duktus ist natürlich der Rahmen des Textes im Badezimmer. Wer in der Seite ein Gesicht erkennt, in dem ein Auge zugekniffen wird, liest die Intention des Gestalters.

Seite 13: So ein wilder Text von so kreischenden Gegensätzen brauchte eine typografische Entsprechung: klassizistisch-strenge Fraktur mit holpernder Schreibschrift. Hier wird versucht, unsere geistige Verfassung zu untergraben, den moralischen und bürgerlichen Boden des Deutschlands unserer Zeit aufzuwühlen, und wer ein Beispiel für die Erklärung von Ironie braucht, ist mit Text und typografischer Umsetzung wohl nicht schlecht bedient. Ich habe alle Texte des Büchleins sehr, sehr oft gelesen, sicherlich mehr als hundertmal. Bei diesem hier brach ich noch beim Drucken immer wieder in Gelächter aus. Und nach dem Drucken taten mir nicht nur die Beine weh, sondern auch das Gesicht vom langen Grinsen. Gut, daß mir dabei keiner zusehen mußte.

Seiten 14/15: Dramensatz in klassischer Vollendung bis in alle mikrotypografischen Details. Zwei Schriftschnitte (gerade und kursiv), Versalien ausgeglichen und leicht gesperrt, einen Grad kleiner als die Textschrift, enger Blocksatz in mustergültiger Satzweise mit Randausgleich (Bindestriche und Kommas stehen über die Satzkante hinaus). Optimale Schriftmischung: Anglaise mit Walbaum, klassizistisch, Spitzfeder-/Kupferstichduktus. Ich würde gern die Überschrift in der Mitte über den Bundsteg näher aneinanderstellen, aber nun ist es zu spät dafür. Meine erste Lieblingsdoppelseite.

Seiten 16/17: Echte Doppelseite wird die Seite genannt, bei der auf einem Druckbogen zwei nebeneinanderliegende Buchseiten ebenfalls nebeneinander stehen und nicht erst durch die Bindung zueinander kommen. Dreifarbig: grüne Schrift, violette „Knöpfe“, brauner Faden. Schriften: Pinselschrift Reporter mit Futura. Akzentuierung und leichte Verwirbelung durch Mischung der Schriftschnitte rechts. Figürliche Textfläche, vor dem Satz digital skizziert. Die Skizze wurde mit senkrechten Linien versehen, um sie im Bleisatz exakt nachbauen zu können. Früher hätte man den Text erst glatt abgesetzt, dann eine Skizze geklebt, darauf den Satz neu zusammengebaut, enormer Aufwand. Meine zweite Lieblingsdoppelseite.

Seite 18: Schlüpfrige Lyrik, deren Subtext typografisch eine dritte Strophe bekommen hat. Unten eine auf den Kopf gestellte Ziffer als ornamentales Gegengewicht zur verschnörkelten Überschrift.

Seite 19: Typografische Komik gibt es. Der „O-Ton“ einer Mitarbeiterin einer „sozialen Brennpunkteinrichtung“ in einer arg verschnörkelten Ziergotisch.

Seite 20: Schrift als Ornament. Ein Gedicht in Form eines umsinkenden Kreuzes auf einem Grabhügel. Ob das außer mir noch jemand sieht? An dem Entwurf zweifle ich etwas. Ich finde ihn ja schön, aber ob meine Idee den Leser erreicht? Der Entwurf hat aber einen gravierenden Mangel, den ich nicht rechtzeitig erkannt habe. Kommt jemand drauf?

Seite 21: Rundfunkmanuskript mit hereingereichten Zetteln. Daß manche Texte wirken, als seien sie für den Satzspiegel auf die Zeile genau geschrieben worden, liegt an der Schriftwahl, also der typografischen Bearbeitung.

Seiten 22/23: Typografische Aufteilung eines Textes in seine Bestandteile, Hervorhebungen, typografisches Zitat, also eine zitierte Zeitungs-Überschrift mit dem Gesicht einer Zeitungsüberschrift, akzentuiert durch ein Initial, das sie zum Text macht, weil sie als Text zu lesen ist. Wirr? Na ja, typografisches Denken geht mitunter auch um Ecken. Rechts ein Textblock in Kleinschreibung mit Randausgleich und eingebautem Initial. Weil das Q der kursiven Garamond so einen schönen Schweif hat. Als ich das setzte, wußte ich schon, daß man sich von so etwas eigentlich nicht leiten lassen darf, aber wenn ich doch nun einmal das kursive Q der Garamond setzen kann!

Seiten 24/25: Die achtziger Jahre sind schon so staubig, daß man eine Fraktur einsetzen kann, wenn man ein Punk-Gedicht zitiert, oder?

Seite 26: Sogar eine dreiviertelfette Futura ist durchrüttelbar. Wie zu beweisen war.

Seite 27: Selbst eine gewöhnliche Plattheit wird komisch, wenn man sie ins rechte Licht setzt und sich Zeit nimmt, sie zu lesen. Viel Zeit, denn man muß das ganze Büchlein dafür mehrmals drehen. Aber es lohnt sich.

Seiten 28/29: Zentenar-Fraktur und schmalmagere Futura sind ähnlich hochaufgeschossen, also eng und schmal. Die beiden Zeit-Vorstellungen im Text, also in der Gegenwart erinnerte Vergangenheit, werden in den harmonisch beieinander stehenden und dabei stilistisch so verschiedenen Schriften gespiegelt.

Seite 30: Ein Text als Rahmen für ein Ornament aus Schrift. Und wie bringt man Spannung in eine Fläche? Dafür gibt es Regeln.

Seite 31: Zu so einem Text paßt die WANTED-Assoziation aus Wildwest.

Seite 32: Impressum, brav und nach allen Regeln der Kunst gesetzt.

Den Atlas van de nieuwe Nederlandse vleermuizen von Max Goldt kann man jetzt im Buchhandel, bei Amazon, im Verlag oder gleich hier bestellen.

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Kommentare

  1. CL am 6. September 2008 # :

    Danke, Herr Z.-Schröder.
    Da sage nochmal jemand, Kommentare bewögen(?) nichts.

  2. stralau am 6. September 2008 # :

    Ach das ist ja schön erklärt. Zur Seite 20: Den Grabhügel haben wir nicht erkannt, er ist aber schön. Ein Mangel könnte sein, daß auf den ersten Blick nicht erkennbar ist, ob das „Hallo!“ am Anfang oder am Ende des Textes steht.

  3. Jeeves am 6. September 2008 # :

    Toll & Danke!
    Jetzt kann ich meiner Frau erklären, was an dem Büchlein so bemerkenswert ist. Sie hatte etwas über den Preis gemosert, als ich ihr das dünne Werk zeigte.

  4. MZS am 6. September 2008 # :

    @ stralau

    Ja, genau. So schön ornamental die Schrift dicht gesetzt wirkt: das HALLO! hätte als Überschrift abgesetzt werden müssen, und das VERLEICHNAMT sich als letztes Wort geschmeidiger an den Text fügen. Hier stört der Entwurf das Lesen. Ärgert mich. Nun ja.
    @ Jeeves

    Vielleicht wird es Kapital. Heute kostet die Erstauflage von Max Goldts “Mein äußerst schwer erziehbarer Schwager aus der Schweiz” aus dem Jahr 1984 bei ZVAB 73,50 Euro. Und ist weder limitiert noch bibliophil.

  5. stralau am 6. September 2008 # :

    Es hätte vielleicht auch gereicht, das HALLO! in die andere Richtung laufen zu lassen, dann läse es sich nicht als Fortsetzung von VERLEICHNAMT.

  6. MZS am 6. September 2008 # :

    Ja.

    Können wir die Seite 20 ruhen lassen? Ich fang sonst an zu weinen vor Ärger.

  7. stralau am 6. September 2008 # :

    Oh, Verzeihung bitte. Es sind winzige Details in einem wundervollen Werk. Wenn aber so viel Herzblut drinnen steckt, dann wiegen einem solche Details schwer, ja.

  8. MZS am 6. September 2008 # :

    Nun ja, einmal mußte die Wahrheit ja gesagt werden, und da ist es mir auf diese nette Art am liebsten, vielen Dank!

    Ich war in meine Skizze vom Holzkreuz auf dem Grabhügel zu verliebt und habe zu schnell gedruckt, statt noch eine Nacht drüber zu schlafen und kritisch-kühl die Sache noch einmal anzuschauen. Lehrgeld. Auch eine Kapitalanlage.

  9. CL am 7. September 2008 # :

    zu 4.):
    Es ist sogar ein “schwuler Schwager”, und das Heft fällt, egal wie vorsichtig man es liest, IMMER & SOFORT auseinander.

  10. Connie Müller-Gödecke am 8. September 2008 # :

    Als nunmehr Nummer 31 darf ich meine Freude ausdrücken!

    Ich werde Ihren obigen Eintrag ausdrucken und ins Buch legen, hinter den Umschlag, damit meine Erben dereinst einmal erkennen wieviel Mühe, Liebe und Geduld in einem Druckwerk stecken kann!

    Ich danke Ihnen! Mein Großvater, welcher Schriftsetzer (oder Drucker?) bei Brockhaus in Leipzig war, hätte sich sehr sehr über diese Arbeit gefreut und mir alle Spezialitäten stundenlang detail- und kenntnisreich erklärt… aber leider steht er dafür nicht mehr zur Verfügung… naja, er wäre jetzt auch schon 118 Jahre ;=)

  11. Florian am 10. September 2008 # :

    Erster Eindruck: so klein?! Irgendwie habe ich mir bei all den Beschreibungen immer ein größeres Format vorgestellt – aber sehr fein so.
    Zweiter Eindruck: der Umschlag! Mit der Gestaltung und den Farben habe ich, ich gesteh’s, meine liebe Mühe. Aber vielleicht ändert sich meine Einstellung ja noch.
    Dritter Eindruck: die Erklärungen! Irgendwie würden Sie, glaube ich, am liebsten zu jedem einzelnen Käufer nach Hause gehen und ihm alle Feinheiten persönlich zeigen. Der Enthusiasmus ist schön.
    Nun freue ich mich auf die Lektüre meiner (ha!)
    No. 00000 1

  12. MZS am 10. September 2008 # :

    Vielen Dank!

    Stundenlang über das Büchlein reden könnte ich vielleicht auch, aber das steckt ja zum großen Teil schon im Blog, aufrufbar unter dem entsprechenden tag in der tag cloude ganz unten. Angeregt wurde ich durch Nachfragen von Nicht-Typografen, und natürlich rede ich gern über meine Arbeit, das sieht man ja an dieser Internetseite.

    Das Problem an einer Kritik ist, daß man sie spezifizieren muß, um sie diskutierbar und lehrreich zu machen. Daß jemand Schwierigkeiten mit diesem oder jenem hat, räume ich immer ein, das geht mir ja bei anderen Dingen genauso.

    Wenn mir eine Lampe nicht gefällt, kann ich Kritik an ihrer Funktionalität äußern und an ihrem Entwurf. Zu ersterem ist jeder Lampenbenutzer in der Lage. Möglicherweise nur spendet eine Lampe nicht ungenügend Licht, sondern sie ist für die Beleuchtung des Raumes gar nicht gedacht sondern eine Dekorationslampe. Das ist aber eine Art von Kritik, die sich leicht klären läßt.

    Einer Geschmackskritik am Entwurf läßt sich dagegen nur folgen, wenn man sich an Kriterien orientiert. Wenn eine Lampe im Stil der reinen Funktionalität der 1920er Jahre einen Schirm aus Alabaster hat, kann sie nicht mehr rein funktional sein, sie zitiert die Lampen des Empire durch die Material-Auswahl, sie wird durch das Material ornamental, sie macht eine Anspielung, die über die Funktion hinausgeht.

    Mit dem Umschlag habe ich auch so meine Schwierigkeiten. Ich habe ihn oben gar nicht erwähnt, deshalb trage ich das nach.

    Dem Entwurf lagen zwei Forderungen zugrunde: Er sollte erstens in Material und Farbe mit dem Vorgänger-Band korrespondieren und zweitens einen Kontrast zum klassizistischen Haupttitel bilden. Diesen Buchtitel betrachte ich als einen Text für sich, er hat mit dem Inhalt des Buches nichts zu tun. Im Haupttitel bin ich der Intention des Autors gefolgt, der Titel ist klassizistisch angeordnet (es hat mich einige Zeit gekostet, den Titel in einem schönen Dreizeilenfall anzuordnen, wofür ich auf die Schriftmischung und die Farbzusammenstellung gekommen bin) wie in einem alten Buch. Außen dagegen sollte er rein ornamental angeordnet sein, die Lesbarkeit war zweitrangig. Den Vornamen des Autors habe ich weggelassen, um einen mir günstig erscheinenden Rhythmus der Zeilenlängen und Gewichte zu erreichen. Das Ornament unterliegt aber auch Gestaltungsregeln. Man kann den Text flächig über das Rechteck verteilen, man kann es ebenso gut strukturieren und mit Spannung aufladen durch die Herstellung verschieden großer Flächen. Rechts der grünen Linie zum Rand beträgt der Abstand 40 mm, links etwa das Doppelte (leichte Ungenauigkeiten entstanden produktionsbedingt). In der Höhe wird unten der Rand von rechts wiederholt (40 mm), nach oben ergibt sich vom letzten Buchstaben von Goldt, also vom t bis zur Oberkante wieder das Maß von 80 mm.

    So habe ich den Entwurf aber gar nicht berechnet. Nachdem ich tagelang verschiedene Möglichkeiten skizziert hatte, habe ich beschlossen, mich allein auf mein Gefühl für die räumliche Anordnung zu verlassen. Es ist eher eine künstlerische als eine typografische Arbeit. Ich habe mich selbst mühsam überredet, mich auf mein Formgefühl zu verlassen, habe in dieser Zeit viele Bücher angeschaut und mich auch sonst mit Proportionen befaßt und dann die Elemente dorthin gestellt, wo ich sie für allein richtig ansah.

    Die Farbgebung war ein Wagnis, weil sich auf einen changierenden Karton so wenig zuverlässig drucken läßt. Ich habe feststellen müssen, daß jede Farbe mit jedem Lichteinfall nicht nur den Ton wechselt, wie es alle Farben machen, sondern gleich noch die Intensität, selbst wenn es deckende Farben sind weil die metallgrüne Umgebung enorm stark mitspielt. Außerdem sahen die Farben getrocknet anders aus als beim Drucken mit frischer Farbe. Ich hätte also nach jedem Versuch eine Woche warten müssen, weil die Farben nicht ins Papier schlagen, sondern auf der Oberfläche (oxidativ) trocknen. Das war technisch unmöglich, ich wäre heute noch nicht fertig. Also habe ich gebastelt wie ein naives Kind und so gedruckt, wie mein Gefühl es mir “richtig” nannte.

    In den paar Tagen, die das Büchlein jetzt auf der Welt ist, hat es viel Anerkennung erfahren, was mir freilich lieb ist. Ich werde es demnächst einem strengen Meister unter die Nase halten und hoffe auf Kritik, die mir ein paar Anhaltspunkte gibt. Sobald mir diese Kritik gegeben wurde, lasse ich sie die Blog-Leser wissen. Niemand möge sich zurückhalten, seinerseits hier Anmerkungen zu tun, die er für hilfreich hält.

  13. Florian am 14. September 2008 # :

    Ein komplizierte Sache, die Sie mit ihrem Lampen-Gleichnis anschneiden! Mein Geschmacksurteil über den Umschlag ist ja völlig irrelevant, aber es wirft vielleicht interessante grundsätzliche Fragen auf. Sicher: Über die Funktionalität z. B. einer Lampe lässt sich relativ einfach sprechen. Heikler wird es, wenn es um den Entwurf selbst geht beziehungsweise die Kritik daran. Da bin ich völlig einverstanden, dass es da Kriterien braucht, über die man sich verständigt, ansonsten verbleibt eine Kritik beim subjektiven Geschmacksurteil. Idealiter hat der Betrachter der Lampe – bzw. der Betrachter Ihres Büchleins – die Intention des Entwurfs gründlich verstanden und nachvollzogen. Auf dieser Basis lässt sich dann produktiv über den Entwurf diskutieren.
    Die Wirkung eines Entwurfs hängt jedoch immer von beiden Seiten ab: Der Gestalter möchte eine bestimmte Wirkung erzielen. Der Betrachter jedoch sieht im Produkt vielleicht etwas ganz anderes (auch wenn er sich über die Intention des Gestalters völlig im Klaren ist). Mir scheint, dass Sie sehr viel Wert darauf legen, dass Ihre Entwürfe ›richtig‹ – nämlich so, wie Sie sie intendiert haben – verstanden werden. Dies wird aber nie ganz der Fall sein. Auch wenn Sie den Umschlag noch so minutiös erklären – die Rezeption lässt sich damit letztlich nicht kontrollieren. Im Gegenteil: Eine ausführliche ›Gebrauchsanweisung‹ zeigt nur, dass ein Entwurf eben gerade auf verschiedene Art und Weise ›gelesen‹ werden kann. Oder anders, einfacher ausgedrückt: Für mich ist der Entwerfer keinesfalls der privilegierte Ausleger (s)eines Kunstwerks. Auch die meisten Bücher wissen mehr als ihre Autoren.

  14. MZS am 14. September 2008 # :

    Vielen Dank für den interessanten Kommentar!

    Der Umschlag dieses Büchleins hat sich, wie ich oben schrieb, meiner Kontrolle entzogen; ich habe zwar beschrieben, wie er entstanden ist, aber typografisch ist die Arbeit zu frei, um die Rezeption kontrollieren zu können.

    Bei den Buchseiten geht es mir schon um ein weitergehendes Verständnis, wenn ich sie erkläre, aber nicht um das meines subjektiven Verständnisses von Typografie, das ist nur eine nette Zusatzinformation, die ein Betrachter mit seiner eignen Lesart abgleichen kann. Sondern die Erklärungen erweitern das Blickfeld: der typografische Laie bekommt Zugriff auf eine weitere Dimension der Buchseite; der Experte kann sich ein Bild davon machen, wie ich arbeite und sich eine Meinung bilden, ob die erklärten Absichten ihr Ziel treffen. Ich glaube, daß es sich im Innenteil des Buches nicht um Kunst handelt, sondern um angewandte typografische Kunstgriffe im handwerklichen Sinn. In einem bestimmten Rahmen kann man doch sagen, ob typografisch gut oder schlecht gearbeitet wurde oder zumindest, wie eine Intention umgesetzt wurde.

    Aber auch Kunst braucht kompetente Betrachter, und Gebrauchsanweisungen erweitern immer das Blickfeld. Oft versteht man ohne sie gar nichts, besonders in der modernen bildenden Kunst, besonders in der antiken Literatur. Ach, und sonst auch, ein leerer Kopf sieht und hört ja immer nur einen zu kleinen Teil eines Werkes. Man kennt es doch von sich, wie man Kunstwerke nach Jahren zum zweiten Mal entdeckt.

  15. Florian am 14. September 2008 # :

    »Angewandte typographische Kunstgriffe« – das ist treffend gesagt, wie auch die übrigen Bemerkungen völlig einleuchten. Da stimme ich völlig zu und ich wollte auch keinesfalls einer ›regellosen‹ subjektiven Rezeption das Wort reden. Aber über das Verhältnis von (Selbst-)Erklärungen und Rezeption muss ich noch etwas nachdenken.

  16. Thomas am 21. September 2008 # :

    Ich freue mich jedesmal am Changieren des Umschlags von Nr. 44 und daran, wie genau der i-Punkt im “n” von “van” sitzt und das “Nederlandse”-L neben demselben i. Aber: Müsste auf Seite 13 statt “8ten Mai” nicht “8en Mai” stehen? Die Zahl heißt doch Acht und nicht Ach! Der ansehnliche Bär und die schöne braue Farbe entschädigen allerdings dafür…

  17. MZS am 22. September 2008 # :

    Den im Februar hier angekündigten Hinweis im Impressum auf 8en und 8ten habe ich vergessen. Die Seite mit dem Impressum ist ja auch schon voll. Nun wissen nur die Blog-Leser, daß etwa eine Hälfte der Auflage einen Buchstaben mehr halt als die andere, nämlich ein T. Im o.g. Blog-Eintrag steht mehr dazu. Es gefällt mir, wenn Leser genau hinschauen, besten Dank!

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