Und das ist nun der Dank
Vor einigen Jahren habe ich schon einmal so eine Karte gedruckt, große rote Lettern, in die klein und in schwarz die Namen der Dankenden eingefügt waren. Eine Kundin erfreute sich an dieser Karte so sehr, daß ich nun eine Variante davon drucke. Dafür muß die Farbe so fett aufgetragen werden, daß man die Drucke nicht stapeln kann. Und würde man so einen Stapel durchschießen, so klebte das eingeschossene Papier an der Farbe fest.
Durchschießen? Einschießen? Vor ein paar Jahren erreichte mich die Anfrage eines Übersetzers. Er war auf einen alten Begriff aus der Druckersprache gestoßen, konnte in modernen Lexika keine Erklärung finden und schrieb mir: Wenn ein Journalist 1937 von „durchschossenen Seiten“ schreibt, was genau meint er damit? Der Sinn ist der: Der Journalist soll eine öffentliche Umfrage beantworten. Er tut dies in einem Artikel, fügt aber hinzu: die Wahrheit „tippt Ihnen aber doch keiner auf die durchschossene Seite“. Was meint er? Wie hieße das auf Englisch?
Die Antwort aus der Druckerey lautete:
Mein Herr, zweierlei Erläuterungen darf ich Ihnen vorlegen: eine Kolumne wird durchschossen, indem man Zwischenräume zwischen die Zeilen legt. Der Zeilenzwischenraum ist der Durchschuß. Im Englischen bloß „space“. Vielleicht hat das, was der Journalist meinte, etwas mit „zwischen den Zeilen lesen“ zu tun? So ganz erschließt sich mir der Zusammenhang aber damit nicht. Eine weitere Bedeutung, die der Sache näher kommt, ist das Einschießen von unbedrucktem Papier zwischen frische Druckbogen, deren Entfernung folglich als Ausschießen bezeichnet wird. In manchen Bildbänden folgt auf einen Kunstdruck eine unbedruckte Seite, diese Art Bücher heißt durchschossene Bände. Auch wenn diese Seiten für Notizen gedacht sind. Geschäftsbücher wurden früher mit Löschpapier durchschossen. Aber ob das eine „durchschossene Seite“ ist? Kann sein. Es ist zwar eigentlich eine eingeschossene Seite in einem durchschossenen Buch, aber die Fachsprache geht manchmal auch verquer. Und nun aus dem Oxford Dictionary:
durchschießen
b (Buchbinderei) interleave
c (Druckw.) space out
einschießen
f (Druckw.) interleave; insert
Holzlettern sind von großem Reiz. In ihnen selbst und auch in ihrem Druckbild kann sich die Handarbeit nicht verstecken. Freilich richte ich die Buchstaben zu, klebe Seidenpapier hinter manche Lettern, um sie zu heben oder zu verkanten, damit sie gut ausdrucken. Aber ich treibe es nur soweit, daß man das Wort gut lesen kann. Das Nicht-Perfekte entspricht unserer Vorstellung von schöner Handarbeit.
In seinem Buch „Handwerk“ (2008) schreibt Richard Sennett: „Angesichts der rigorosen Perfektion der Maschine wurde der Handwerker zu einem Emblem menschlicher Individualität, das seine Grundlage in der positiven Bewertung von Abwandlungen, leichten Mängeln und Unregelmäßigkeiten der Handarbeit hatte.“ (Seite 117) „Erst wenn wir verstehen, wie etwas auf perfekte Weise getan werden kann, vermögen wir die Alternative zu erkennen: ein Objekt, das etwas Besonderes an sich hat und Charakter besitzt.“ (Seite 143)
Diese knallroten „Embleme menschlicher Individualität“ sind besonders eigen. Jeder Abzug weicht vom anderen ab, weil ich alle paar Abzüge neue Farbe auf die Walzen gegeben und verrieben habe, weil ich auch manchmal getrockene Farbpartikel nicht entfernte, wodurch sich noch mehr Unregelmäßigkeiten zeigen. Die Drucke werden nun ein paar Tage trocknen, dann bringe ich schwarze Schrift dazu, der Entwurf dafür steht noch nicht fest.
Meine Kundin wird in die Offizin kommen, und dann entwickeln wir gemeinsam einen Entwurf. Ein bißchen verspielt und Dada. Und weil ich von dem roten Vordruck etliche Exemplare zusätzlich gedruckt habe, ergibt sich auch ein Angebot, Karten einzeln zu kaufen. Dafür überlege ich mir noch einen zweiten Entwurf, den ich dann freilich hier zeigen werde.
tags: ausschießen, danksagung, durchschießen, durchschuß, einschießen, holzlettern, richard sennett
Georg Kraus am 15. August 2008 # :
Nicht billig, aber absolut empfehlenswert, weil es das Graphische Gewerbe vom Bleisatz bis zum hochmodernen Tiefdruck abdeckt:
Michael Nitsche
Polygraph Wörterbuch für die Druckindustrie und Kommunikationstechnik
Polygraph Verlag, Bielefeld
ISBN 3-93493-30-2
Ausschießen — to impose (Subst. imposition)
Durchschuß (Satz) — leading, line spacing, vertical spacing
Durchschuß-Papier — interleaving paper, set-off paper
Georg Kraus