Divis-Ausgleich
Es lohnt nicht, meinen genau schauenden Lesern dieses Foto als Rätsel zu offerieren. Im obigen Teil der Zeile auf einer Briefkarte steht das Divis (Bindestrich) näher am C als am h, unten wurde der Raum zwischen Divis und C mit einem halben typografischen Punkt, also 0,188 mm erweitert. Die Originalgröße der Schrift beträgt 14p, dieser Schriftgrad heißt Mittel. Bei der Schrift handelt es sich um die Garamond von Typoart.
Da man im Bleisatz jede Letter einzeln in die Hand nimmt, erledigt man solche Feinkorrekturen automatisch mit, setzt also ein Messingspatium oder einen feinen Kartonspan zwischen die Lettern. Sofern man als Schriftsetzer seine Arbeit vernünftig tut. Wenn im Grafikprogramm des Computers solche Harmonisierungen nicht automatisch erfolgen, braucht es einen sehr genau arbeitenden Setzer. Meistens werden solche Feinheiten nicht beachtet. Aber das war früher, als der Bleisatz für die Massenproduktion eingesetzt wurde, auch nicht anders. Vielleicht gibt es heute mehr Designer mit einem Gefühl für die mikrotypografischen Notwendigkeiten als es früher Setzer gab, die sich um derlei kümmerten. Da es aber auch mehr Drucksachen gibt, sieht man die bis ins Detail durchgearbeiteten Drucksachen ebenso selten wie vor hundert Jahren.
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Nicole/momo am 6. August 2008 # :
Ach, wenn man sich all die Bücher und Druckdinge ansieht, dann wachsen einem als Typographieliebhaber (als mehr bezeichne ich mich nicht, ich habe wenig Ahnung, bemühe mich nur) graue Haare. Abgesehen von den minimalistischen Rändern werden auch solche Dinge wie Ausgleich oder die Wahl einer gut lesbaren Schrift nur allzuoft vernachlässigt. Es gilt heute mM viel zu oft: Masse statt Klasse. Nicht nur bei Druckwerken, auch in anderen Bereichen.
Umso schöner ist es, bei Ihnen immerzu Klasse bewundern zu dürfen. Vielen Dank dafür!
MZS am 6. August 2008 # :
Recht vielen Dank!
Handwerk ist Diktatur. Man muß sich Regeln unterwerfen und die eigene Meinung zurückstellen. Die eigene Persönlichkeit setzt sich ohnehin durch und zeigt sich in den Arbeiten, man muß sie unterdrücken, so gut man kann. Was von ihr übrigbleibt, macht die Drucksache individuell.
Weil die Schule für Kinder die Belehrung als Zwang betrachtet, hat sie wenig Ansehen. Belehrung gilt für unfreundlich und wird als Herrschaftskonstruktion betrachtet. Dabei nützen Belehrung und Kritik auf dem Weg zur Vernunft. Sie führen zu den besten Gesprächen.
Olaf Walther am 9. August 2008 # :
Sehr schön, den meisten Menschen fällt so etwas nicht einmal auf, wenn man sie darauf hinweist. Viele (Möchtegern-) Gestalter und Setzer geben auf solche Feinheiten in etwa so viel acht, wie auf den Ausgleich von Versalien. Danke!