Barmbeker Bleilettern
Meinem Schriftsetzerkollegen Helmut Bohlmann aus Hamburg, der mich neulich in meiner Offizin besuchte, danke ich für eine sehr nette Sendung von Lettern aus dem Handgießgerät. In der grafischen Abteilung des Museums der Arbeit wird mit Besuchern und für Besucher Schrift gegossen, gesetzt und gedruckt. So wie diese Typen sahen vermutlich die Lettern Gutenbergs aus, der das Handgießgerät erfunden hat. Sie müssen Type für Type tüchtig bearbeitet werden, damit man damit drucken kann. Und das Gießen mit diesem Gerät braucht viel Geschick. Mit dem richtigen Schwung muß die Form ausgegossen werden, weil Blei sehr schnell erstarrt. Wenn zu große Hohlräume in der Letter entstehen, hält sie dem Druck der Presse nicht stand.
Helmut Bohlmann hat mir noch einige Fotos übersandt, die den Einsatz des Handgießgerätes zeigen. Ich kann leider keine Erklärungen geben, die über das hinausgehen, was jeder auf den Bildern sieht, also
das Gerät mit der eingesetzten Matritze,
die Schöpfkelle mit dem flüssigen Blei
und die gegossene Letter. Das letzte Foto zeigt den Schatz, den jede Gießerei hütet: die Matrizen, die das Blei zu Lettern machen. Mir fehlen die Fachbegriffe, und so beschränke ich mich heute auf die Veröffentlichung der Illustration. Noch ein Hinweis in eigener Sache: Meine Offizin ist heute von 15 bis 18 Uhr zwar regulär geöffnet, aber ohne mich, weil ich morgen einen Kunsttiefdrucker in seiner Werkstatt in Kopenhagen besuche und heute die Kopenhagener Ny Carlsberg Glyptotek anschauen möchte. Frau Spiess wird in der Werkstatt sein, gibt Mustermappen heraus und verkauft auf Wunsch auch Etuis für Visitenkarten oder unsere Kirschbaumschatulle für Briefpapier.
tags: bleilettern, handgießgerät, museum, schriftguß
sf am 26. Juni 2008 # :
Anmerkung:
Kirsche ist ein edles Holz, jedoch für die dauerhafte Lagerung von Papier nicht geeignet, denn von diesem Holz gehen Emissionen aus (z.B. Essigsäure), auch nach Jahren noch. Das mag für Briefpapier kein Problem sein, denn es wird ja sicherlich bald verschickt, jedoch sollte man keine wertvollen Schriftstücke darin aufbewahren.
Herzliche Grüße!
MZS am 26. Juni 2008 # :
Das Holz ist gewässert, getrocknet, gelagert und vor allem lackiert, davon geht sicherlich keine Emission mehr aus. Wie wäre denn die Emission beschaffen, was genau macht sie mit Papier und mit welcher Art von Papier? Also welcher Grundstoff wäre betroffen? Schon mal vielen Dank!
sf am 27. Juni 2008 # :
Es geht um Schäden an den Wasserstoffbrücken, welche die Zellulosmoleküle verbinden und Papier flexibel machen. Durch Säureeinfluss werden diese Verbindungen aufgespalten und die Struktur verändert sich, das Papier versprödet. Man kennt ja die Vergilbungen am Unterschnitt der Bücher, die lange im Holzregal standen. Der Chemiker Helmut Bansa hat einen anschaulichen Artikel dazu geschrieben. linktext
Die Emissionsmessungen wurden von der Bundesanstalt für Materialforschung- und Prüfung (BAM) durchgeführt, man wollte untersuchen, welche Materialien sich für den Vitrinenbau eignen. Interessant ist, dass aus Eiche und Kirsche die stärksten und am längsten anhaltenden Emissionen ausgehen, während Esche, Ahorn, Kiefer und Birke deutlich weniger ausdünsten. Ob Wässerung diesen Prozess verhindern kann, weiß ich nicht. Bei Lacken gibt es ähnliche Probleme.
Es hängt sicherlich vom Papier und seiner Leimung ab, wann und wie stark sich Schäden bemerkbar machen.
MZS am 27. Juni 2008 # :
Vielen herzlichen Dank! Man erfährt nicht oft solche Neuigkeiten. Leider kann ich den Link nicht öffnen, die Datei sei beschädigt, meldet mir mein Computer. Liegt’s an ihm?
Papier ist kein ewig haltbarer Stoff, aber er bleibt lange stabil, zumal die holzfreien Papiere, die in meiner Werkstatt bedruckt werden. In Bibliotheken bereiten vor allem die Bücher des späteren 19. und des 20. Jahrhunderts Probleme, weil sie aus ligninhaltigem Papier gemacht sind. Papier aus Holzschliff hat einen hohen Ligninanteil, der auf Licht reagiert, die Seiten vergilben und zerfallen. Ein großer Teil der DDR-Literatur ist stark betroffen wegen des minderwertigen Papiers aus den sibirischen Wäldern. Kopf- und Seitenschnitt sind gelber als der Fußschnitt, die Wirkung von Holz ist vielleicht eher theoretischer Natur? Die älteren Bücher aus Hadern (Lumpen) sind davon unbehelligt, Antiquare, die auf alte Bücher spezialisiert sind, zeigen einem gern ihre schneeweißen Bücher des 18. Jahrhunderts und ältere. Ewig frisch wirken die auf Pergament geschrieben und gedruckten Bücher.
Ich könnte wohl garantieren, daß ein frisches holzfreies Blatt auch in einer Kirschbaumschatulle die nächsten 200 Jahre schadlos überdauert. Wenn eine solche Garantie einen Sinn hätte, der Mensch hält einfach noch nicht so lange.
sf am 27. Juni 2008 # :
Das ist wacker gesprochen. Schneeweißes Papier aus dieser Zeit habe ich noch nicht gesehen, es sei denn, die Kollegen haben es mit der Bleiche übertrieben. Es ist immer mehr oder weniger vergilbt. Mir geht es gerade nicht um die dem Papier oft beigefügten Säuren, sondern um vermeidbare Umwelteinflüsse. Auch wertvolles Papier ist davor nicht gefeit. Das sieht man manchmel an den Vorsätzen von Holzdeckelbänden im Vergleich zu den folgenden Seiten.
Meine Bücher zu Hause seh ich mir nochmal an.
Hier der Link, bei mir geht er auf: http://palimpsest.stanford.edu/iada/ta79_001.pdf
Herzliche Grüße!
MZS am 27. Juni 2008 # :
Danke für den neuen Link!
Die dunklen Papier-Seiten am Holzdeckel habe ich auch schon gesehen. Könnte es nicht auch sein, daß die starke Verfärbung zumindest teilweise von der Holzbehandlung stammt, etwa dem Firnis?
Mir geht es als Co-Konstrukteur und Händler der Kirschbaumschatulle für Briefpapier vor allem darum, die Furcht vor Schäden am Papier zu nehmen. Ob ein Blatt Papier in 1000 oder in 500 Jahren zerfällt, dürfte für uns unerheblich sein. Bis dahin sind die größten Teile der heutigen Bibliotheken zu Staub zerfallen. Vielleicht kann man nach dreihundert Jahren die Kirschbaumschatulle für die Muschelsammlung einsetzen und die gehüteten Briefe, sofern diese nicht mit Eisengallustinte geschrieben und davon schon längst aufgefressen wurden, in einem hermetisch abgeschlossenen Panzerschrank sichern.
sf am 27. Juni 2008 # :
Rückwärz geantwortet: Vielleicht eine Papierschürze um den Stoß legen, denn erfahrungsgemäß ist das Wanderung bei direktem Kontakt am Stärksten. Oder die lieben Briefe in eine säurefreie Mappe legen. Und die Muschelsammlung gleich ins Holzkästchen.
Was den Wert einer Sache ausmacht, stellt sich oft erst deutlich später heraus. Sollen sich die Nachfahren mit dem Elend abmühen.
Es ist faszinierend, dass beileibe nicht alle Tinten so aggressiv sind. Da damals jeder selbst mischte, fällt das Ergebnis (sogar innerhalb einer Akte) ganz unterschiedlich aus.
Ich finde das Kästchen auch sehr schön und verstehe das.
Ich würde das Naheliegendere annehmen: dass die Verfärbungen durch das Holz oder die billig produzierten Pappen ausgelöst wurden. Warum sollte der Buchbinder die Oberfläche behandeln, wenn er Leder draufklebt?
(“Agitier’ nur, Väterchen!”)