Die Ur-Futura · 8. April 2010
Heute ein Nachtrag zur digitalen Futura, über die kürzlich hier gesprochen wurde. Meinem Hamburger Kollegen Helmut Bohlmann danke ich für die Übersendung einer Schriftprobe zweier Futura-Schnitte mit Mediävalziffern und den Sonderfiguren, die ich als Lettern noch nie sah und in Druckwerken selten. Hier die Abbildung komplett als PDF. Das Foto rechts läßt sich, wie immer, durch Klick vergrößern.
Die Schrift unserer Zeit — wie stolz das klingt.
Erster Nachtrag am 8.4.
Thomas Gravemaker schickt mir aus Paris neben anderen diese Ansicht (PDF)
Zweiter Nachtrag am 8.4.
Ich füge noch zwei Bilder an. Beide Drucke sind von Bleilettern 1925 entstanden. Von Probegüssen.
Die Futura-Geschichte ist nicht ganz unkompliziert, Christopher Burke hat sie in seinem Buch über Paul Renner, dem die Fotos entstammen, zusammengefaßt. Mir als Drucker scheint der Verlust der Minuskelziffern ein Zeichen für die Gleichgültigkeit der Druckereibesitzer und Schriftgießer nach dem Krieg zu sein. Die ornamentalen Schnörkel sind berechtigt untergegangen (jetzt allerdings digital teilweise wieder zu haben, was auch berechtigt ist), aber eine Schrift ohne zweiten Ziffernsatz ist immer unvollständig.
Die Neufville version ist zwar recht gut, aber von Berthold gibt es auch noch eine version, die auf jeden fall besser ist als die von Linotype.
Nachtrag am 12. 4. von Erik Spiekermann
Als wir bei MetaDesign 1996 eine eigene Futura entwarfen (digitalisiert von Lucas de Groot), hielten wir uns sehr eng an die Bauerschen proben. Leider war der auftraggeber nicht zu bewegen, mediävalziffern einzusetzen. Also haben wir nur für uns wenigstens einen mageren schnitt gemacht, der nicht nur diese ziffern enthält, sondern auch die spitzen bei M,W usw, die bei den fetteren schnitten der praktikabilität zum opfer fielen. In der originalen Futura gab es diese merkmale noch bis zur Halbfetten, die allerdings nicht besonders fett war. Ich lege mal ein pdf bei mit den schnitten, die wir damals gemacht hatten. Es gibt immerhin für jeden davon wahlweise tabellen- oder unterschnittene ziffern.
— Martin Z. Schröder
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Scharfsichtigkeit · 28. Oktober 2007
Die Visitenkarten, die ich gestern im Schöndruck gefertigt habe, waren doch heute schon trocken genug, um die Rückseite zu bedrucken. Die Offizin wird gut beheizt, da trocknet alles schneller als im Sommer, wo es schön kühl ist in der Werkstatt im Souterrain. Ein Foto zeigt drei Abzüge, den zweiten habe ich zuerst gedruckt. Die Postleitzahl hatte ich schon im Winkelhaken ausgeglichen. Wenn man lange mit Schriften arbeitet, kennt man ihre Eigenheiten. Die Ziffern der Futura muß man immer ein wenig spationieren (sperren/erweitern), denn die sind ohne viel Fleisch (Raum um die druckenden Teile einer Type) auf Halbgeviert (die Hälfte der Kegelhöhe, aber was ein Schriftkegel ist, erkläre ich später mal, das führt jetzt zu weit), also: die Ziffern sind eben sehr knapp gebaut. Bestimmte Kombinationen wie 74 oder 76 oder 96 oder 11 ergeben größere Zwischenräume, als etwa 80. Auf dem Bleisatzfoto oben ist es genau zu sehen.
Der dritte Abzug ist nach Korrektur gemacht worden, so wurde dann gedruckt: In der ersten Lücke liegt ein Dreiviertelpunkt, zusammengesetzt aus einem Messing- und einem Neusilberspatium. Die nächsten beiden sind 1 Punkt weit, und zwischen den letzten beiden Ziffern liegt gar nichts. Das Foto mit den aufgefächerten Typen zeigt die Spatien genauer. Ein Viertelpunkt-Spatium hat übrigens eine Stärke von 0,094 mm.
In der ersten Zeile des Fotos von den Abzügen ist die Zahl ohne jeden Ausgleich zu sehen: So geht es nicht! Absolut gleichmäßig muß es nicht sein in so einem kleinen Schriftgrad, eine leichte Unregelmäßigkeit kann charmant sein, aber ohne Harmonisierung sollten Versalziffern in keiner Schrift stehen. (Versalziffern sind so hoch wie Versalien [Großbuchstaben], Minuskelziffern sind gearbeitet wie diese: 012 sind so hoch wie ein n, 34579 haben eine Unterlänge und 68 eine Oberlänge.
— Martin Z. Schröder