Eine halbe Sonne aus Blei · 16. Mai 2009
Im März hat mein Kollege Georg Kraus in Ratingen eine neue Gußmaschine in Betrieb genommen und darüber in seinem Tagebuch zum Beispiel hier und auch dort geschrieben. Die genaue Geschichte der Maschine, die 1913 in der Zeitungsherstellung ihren Lauf nahm, stellt mein Kollege an dieser Stelle dar.
In der letzten Schriftlieferung fand ich zu meiner Überraschung ein paar Proben vor. Vielleicht denkt mein Lieferant, ich sei nicht zufrieden, weil ich mich nicht gleich meldete. Aber oft liegen solche Pakete wochenlang unausgepackt, weil mir die Zeit fehlt, die Erwerbungen unterzubringen. Manchmal muß ich aber doch auspacken, wenn der Paketstapel zu groß wird.
Und ich bin angenehm überrascht. Wie Kraus in seinem Blog schreibt, ist die Ludlow-Gießmaschine in Deutschland nicht verbreitet gewesen, mir war sie gänzlich unbekannt, in Ostdeutschland war sie wohl noch seltener. Sie gießt amerikanische Schrifthöhe, das heißt der Körper der Letter (nicht die Höhe der Buchstaben) ist etwas niedriger als die deutschen Typen im Setzkasten. Allerdings ist dieser Höhenunterschied sehr gering und läßt sich ganz leicht ausgleichen, davon habe ich mich überzeugt mit den Proben, die ich nur flüchtig andruckte, um mal zu sehen, worum es da geht.
Die druckenden Teile sind auf eine Blindzeile, eine Art Reglette, wie wir sie nennen, gegossen und werden durch weitere Regletten, die man unter den eigentlichen Druckstock schiebt, gestützt.
Nun wüßte ich ja gern, ob ich die Schmuckelemente auch einzeln bekommen kann.
Letzte Woche frug mich Dale, mein Druckschüler, nach einer Sonne für ein Sonnengedicht in seinem Buch. Ich habe zwar eine Menge Sterne, aber die Sonne nicht. Da kam die Lieferung aus Ratingen gerade recht, denn als Dale mich diese Woche an seine Sonnensuche erinnerte und ob ich nicht doch eine gefunden hätte, konnte ich ihm die Ludlow-Sonnen von Georg Kraus geben. Kann man die nicht trennen?, war Dales erste Frage. Mir fehlt das Werkzeug dafür, man sägt so etwas am besten elektrisch, weil das am saubersten geht. Nun bin ich gespannt auf Bescheid von meinem Lieferanten, ob ich die Schmuckzeichen auch einzeln bekommen kann. Gedruckt haben wir erst einmal alle drei halben Sonnen.
Übrigens ist Dale mit dem Satz bald fertig. Es fehlen noch ein Gedicht, der Haupttitel und das Impressum. Diese drei Druckgänge fehlen auch noch, alles andere liegt schon vor. Dann suchen wir einen schönen Umschlag aus, dann wird gebunden — na, ein Stück Arbeit wird es noch.
Aber wer von uns kann schon ein selbstgeschriebenes, selbstgesetztes, selbstgedrucktes, selbstgebundenes Buch sein eigen nennen? Ich nicht.
— Martin Z. Schröder
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