Lehrgeld · 22. Juli 2009
Unterläuft dem Drucker ein Fehler, ärgert sich zuerst sein Kunde. Dann ärgert sich auch der Drucker — über sich selbst. Aber Fehler kann niemand ganz ausschließen. Man muß nun vernünftig damit umgehen. Ich habe ein Briefpapier in der falschen Farbe gedruckt, ein Geschenk, das pünktlich eintreffen mußte und nun auch verschenkt wurde — mit der falschen Farbe. Die Erfahrung des Kunden hat jeder schon gemacht, und man kennt Dienstleister, die sich erfolgreich um Wiedergutmachung bemühen, und andere, über deren Ausflüchte und zaghafte Schadensminderung man sich erneut ärgert. Ich möchte nicht zu letzteren gehören.
Es ist ein ordentliches Lehrgeld, das man zahlt, wenn man den Schaden, der ja auch zum Rufschaden werden und sich dadurch vergrößern kann, aus der Welt schaffen möchte. Aber in diesen sauren Apfel muß man beißen, meine ich. Also schrieb ich meiner Kundin dies:
Sehr geehrte Frau L., vielen Dank für Ihre Nachricht. Es tut mir leid, daß ich die Farbe beim Drucken übersehen habe. So etwas darf nicht passieren — aber manchmal passiert es doch, wenn zu viel zu tun ist und man nicht aufpaßt. Ich bitte Sie sehr um Verzeihung. Selbstverständlich möchte ich dieses Versehen ausgleichen. Das Geschenk haben Sie aber nun schon gemacht, und es wäre auch schade, das gedruckte Papier wegzuwerfen. Für die schwarze Farbe läßt sich ins Feld führen, daß sie in der Tradition der Schrift steht. Die Anglaise wurde früher mit schwarzer Tinte in den Kanzleien geschrieben. Aber das ist kein Versuch, mich aus dem Fehler herauszureden. Ich biete Ihnen vielmehr an, einen anderen Auftrag mit demselben Kostenumfang unentgeltlich in meiner Werkstatt drucken zu lassen — ein anderes Briefpapier, Briefkarten oder Visitenkarten. Vielleicht benötigen Sie selbst etwas oder möchten noch eine Drucksache verschenken, in einem halben Jahr ist ja auch Weihnachten. Bitte lassen Sie mich diesen Fehler in Ihrem Sinne ausgleichen.
Nochmals bitte ich um Entschuldigung und bin, freundlich grüßend,
Ihr Martin Z. Schröder
In solchen Fällen frage ich mich, was mich als Kunden vollständig zufrieden stellen würde. Und wenn kein unangenehmer Nachgeschmack bleiben soll, ist es nur das denkbar größte Entgegenkommen, die vollständige Wiedergutmachung. Man knirscht mit den Zähnen und macht sich an die Arbeit, und wenn diese gelingt, hat man daran auch wieder Freude, denn ich mache meine Arbeit ja ohnehin gern. Außerdem dient das Lehrgeld der Vermeidung von künftigen Fehlern. Irgendwann wird es wieder passieren, aber es wird selten bleiben.
Presse Heute im Feuilleton der Süddeutschen Zeitung: Zeichen der Zeit. Gute Typografie ist selten im Internet — aber das muß nicht so bleiben
— Martin Z. Schröder
Kommentare [9]