Sensation lichte Bigband · 17. Januar 2008
Einige Schriftpakete lagen seit längerem in einer trockenen Ecke. Wann braucht man schon eine Schrift, die Bigband heißt und die in den 1970er Jahren als Reklameschrift ihrer Zeit entworfen wurde? Ich habe mich lange Zeit keinen Deut darum geschert. Aber da ich nun am neuen Büchlein von Max Goldt arbeite, durchforste ich alle Ecken der Werkstatt. Und siehe, wieder wurde es ein Fest, eine “neue” Schrift dem aktiven Bestand einzuverleiben. Wie viele Jahrzehnte mag sie in ihrem braunen Packpapier und ihrem Polster geschlummert haben, nachdem sie von der Schriftgießerei Ludwig & Mayer in Frankfurt am Main gegossen worden war?
Der Schriftentwerfer und Kalligraf Karlgeorg Hoefer (1914–2000) hat sie entworfen, 1974 wurde sie als Bleischrift erstmals gegossen. Später kam eine reine Versalschrift als lichte Variante hinzu. Hier wird unter Hinweis auf die Aufzeichnungen von Kg. Hoefer angemerkt, daß die lichte Variante nie recht angenommen worden war. Als digitale
Schrift liegt sie nicht vor. So ist es also eine nicht einmal ganz kleine Sensation, die lichte Bigband heute gußfrisch in vier Größen, nämlich in Cicero, Tertia, Text und Doppelcicero (12 Punkt, 16p, 20p, 24p) und ausreichender Menge für kleine Texte verarbeiten zu können. Ich stand gestern lang in den Abend hinein in der Werkstatt und füllte zwei Setzkästen mit der lichten Bigband und konnte erst nach Hause gehen, nachdem ich damit fertig war, sie im Winkelhaken hatte, in die Druckform schließen, drucken und sie schwarz auf weiß sehen konnte. Blei ist eben doch magnetisch!
Eine fette plakative Schrift einzusetzen, würde ich mich scheuen, weil sie auch drucktechnisch schwer zu verarbeiten ist. Sie bräuchte viel Farbe und viel Druck – die Wirkungen davon auf der Rückseite des Bogens ließen sich nur schwerlich überspielen.
Die lichte Versalschrift zeigt aber zu meiner Überraschung ein so schönes, ein leichtes, zartes, geschmeidiges, geflechtartiges ornamentales Bild, gerade wenn sie ganz eng steht, ohne Ausgleich der Typen, ohne Zeilenzwischenraum, mit nur gerade der Lesbarkeit genügenden Wortabständen, daß ich mich heute doch enorm daran erfreue. Einen Vierzeiler zum Themenkreis Wasser und Leichen wird
es im Goldt-Büchlein geben, dessen Überschrift mich geradezu aufrief, sie aus der Bigband zu setzen. Ich hab den Text gleich ganz dazu gesetzt und angedruckt. Er läuft zu breit, um so auf eine Seite zu passen, selbst im kleinsten Grad. Aber die Wirkung der Schrift stellt sich ausreichend dar. Ich werde also Entwürfe skizzieren, wie ich die Schrift für diesen kurzen Text einsetzen
und ihre großartige ornamentale Wirkung zur Geltung bringen kann. Ja, mag sie vor 30 Jahren „nie recht angenommen“ worden sein, vielleicht hat man sich an ihren eleganten kalligrafischen Duktus noch nicht gewöhnen können, vielleicht waren die Schriftsetzermeister in den damaligen Druckereien nicht gerne Kinder ihrer Zeit. Hatten sie doch schon lange das Sterben ihres Handwerks vor Augen und fühlten sich durch den Fortschritt permanent bedroht. Heute schon, nur wenige Jahrzehnte später, ist selbst eine derartige Type nicht weniger historisch als eine Fraktur von 1800 und eine nicht weniger exotische Pflanze in einem ebensolchen Schriftengarten, durch den man nur vergnügt wandeln kann.
Für die Überlassung des Scan-Fotos der Bigband mit den Kleinbuchstaben, wie sie als plakative Reklameschrift 1974 zuerst gegossen wurde, danke ich Herrn Schriftsetzer Georg Kraus vom Preußischen Bleisatz-Magazin in Ratingen.
— Martin Z. Schröder

Kommt ein Paket mit Bleilettern · 14. Oktober 2007
Kommt ein Paket aus dem Bleisatz-Magazin in fremde Hände, die es freundlicherweise für mich entgegengenommen haben, werden die Arme lang und die Augen groß. “Ist da Blei drin?” Wenn ich das bestätige, glaubt man mir erst nach kurzer Erklärung. Hier nun ein Paket, das mich am Freitag erreichte. Es enthielt einen Satz der Schrift “Elegance”, von Karlgeorg Hoefer nach seiner eigenen Handschrift
entworfen und 1968 von der Schriftgießerei Ludwig & Mayer in Offenbach (später Frankfurt am Main) gegossen. Ich habe tatsächlich eine gußfrische Schrift aus Ratingen vor mir. Für einen Schriftsetzer und Drucker in Personalunion (auch Schweizerdegen genannt) bedeutet eine gußfrische Schrift doppelte Freude: Der Setzer bekommt weniger schnell schmutzige Hände wie von älteren Schriften, an denen die
Druckfarbe nie ganz abgewaschen werden kann; der Drucker wird wenig Probleme haben mit der Zurichtung der Druckform, weil alle Buchstaben gleichmäßig unbenutzt sind, nicht unregelmäßig abgenutzt wie bei älteren Schriften. Nach dem Auspacken wird die Schrift in einem Steckschriftkasten aufgestellt, sie ist zu groß für den gewöhnlichen Setzkasten, wie er für die kleineren Grade
Verwendung findet. Von manchen Buchstaben würden nicht alle Lettern in einen Kasten passen, und außerdem bietet die breitere Oberfläche der Lettern eine Angriffsfläche. Sie sollte aber keine Kratzer bekommen. Im Steckschriftkasten steht die Schrift sicher vor allen Zumutungen. Wie schön das ist, dieses Auspacken und
Einsortieren: bitte sehen Sie selbst. Die Fotos lassen sich durch Klick vergrößern.
— Martin Z. Schröder
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