Mit Hilfe eines Schlauches · 11. November 2008
Damals, als ich angestellter Schriftsetzer in der Druckerei Rapputan in der Friedrichstraße war, 1990 oder so: Wenn mein Kollege, der Drucker, und ich (der Setzer) gegen 11 Pause machten (der Arbeitstag reichte von 6 bis 15 Uhr), ließ er, mein Kollege, den Heidelberger (Drucktiegel, produziert 1926 bis 1985) manchmal weiterlaufen. Wenn er zum Beispiel Kohlenzettel druckte, die in großer Auflage hergestellt und an Berliner Haushalte verteilt wurden. Plötzlich, und hatte er auch gerade von seiner Stulle abgebissen, sprang er auf und rannte zur Maschine. Wenn er nicht gerade abgebissen hatte und was sagen konnte, rief er: “Ein Geräusch!” Manchmal hörte ich es dann auch, etwa wenn ein Bogen in die Walzen geraten war. Meistens aber war es ein leises Klirren, Schleifen oder Quietschen, das nur er, der Drucker hörte. So ein Heidelberger macht schöne Geräusche durch das Ansaugen des Bogens, das Drehen des Propellers, der die Bogen an die Anlage und in die Auslage führt, das Rollen der Walzen und das Klappen des Tiegels. Kürzlich suchte ich etwas in meinem Druckerlehrbuch und las mich mal wieder fest (Foto). Die Vorstellung, daß ein Drucker mit einem Schlauch im Ohr um seine Maschine herumläuft, ist eine erheiternde. Es muß sich um große Schnellpressen gehandelt haben.
Bei meinen Maschinen brauche ich keinen Schlauch, und wenn ich drumherumliefe, stünden sie, denn sie werden durch Muskelkraft angetrieben. Entweder durch den Arm, der den Hebel zieht, oder durch das Treten des Pedals. Aber auch ich weiß inzwischen, wie sich meine Maschinen anhören müssen, und wenn es ein fremdes Geräusch gibt, suche ich die Quelle der Störung. Eine Schraube kann sich gelockert haben. Wenn sie herausfällt, kann es böse enden, deshalb muß man dem Maschinenlauf lauschen. Nun ja, nicht lauschen, man merkt es ja sofort, ein neues Geräusch. Man hört auch, wie dick die Farbe über die Walzen zieht, ob sie mit ihr schmatzen oder leise zischen. Der Drucker ist zumindest immer halb Ohr.
— Martin Z. Schröder
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