Positives Premiumgeschwätz · 10. Juli 2013
Heute versuche ich, die verehrten Leser mit einer wahren Geschichte zu unterhalten. Sie ist gewissermaßen noch warm. Heute erst passiert.
Der ganze Spaß mit dem Forum Gelb beginnt methodisch harmlos. Aufmerksam bin ich bei dem Namen aber doch geworden, denn vor ein paar Jahren amüsierte man sich prächtig über meine Naivität, weil ich glaubte, daß auf einer »Golden Shower Party« mit goldenem Konfetti geworfen werde oder die Gäste Lametta im Haar trügen. Nun, Forum Gelb ist weniger absonderlich, auch wenn der Name gut zur o.g. Veranstaltung passen würde, sondern ein Premium-Magazin von DHL (Paket-Post), erscheinend in einer Auflage von 5000 Stück, das ausschließlich Vorstandsvorsitzender von DAX-Firmen lesen. Bzw. die Mitglieder der Putzkolonne der Poststelle, wo solche Magazine vermutlich landen.
Der Druckereibesitzer freut sich aber trotzdem über gutgemachte Reklame, und die Produzenten dieses Magazins geben an, Auszeichnungen für ihr Heft bekommen zu haben. Der Druckereibesitzer stellt sich vor, daß die Gattin des Abteilungsleiters der Putzkolonne der Poststelle des DHL-premiumwürdigen DAX-Vorstandsvorsitzenden seine Drucksachen entdeckt und eine Kleinigkeit bestellt. Und es weitersagt. Am Ende ist man selbst ein Premium-Mann.
Ich sagte also Fotos zu, eine Auswahl wurde getroffen, nun sollte ich noch große Bilddateien schicken. Jetzt war der Zeitpunkt für die Eingreiftruppe vom Forum Gelb gekommen. Eine Dame derselben griff zum Telefon. Sie fragte mich, ob man mir ein PDF des Heftes geschickt hätte (Ist das eine anerkannte rhetorische Methode, andere Leute zu fragen, ob man ihnen etwas geschickt hat? Zu welchem Zweck?) und zog dann das Gewinnspiel aus der Tasche. Ob ich »Lust« habe, mich an einem solchen zu beteiligen, man werde mich dann auf einer Doppelseite »präsentieren«.
In diesem Moment war die aufwendige Kommunikation als Verkaufsgespräch enttarnt. Es ist durchaus üblich, daß Firmen, die mit Gewinnspielen ihre Produkte anpreisen, diese auch gratis zur Verfügung stellen. Werbung muß bezahlt werden, mit Werbung wird vieles finanziert, ich habe nichts gegen solche Werbung einzuwenden.
Aber wenn man ein Geschäft anbieten will, dann sagt man das anständigerweise an. Damit beginnt ein guter Handel. Und wir hätten Zeit gespart, denn Ein-Mann-Firmen haben in der Regel keine oder nur sehr kleine Werbe-Etats. Ich teilte der Dame am Telefon mit, daß ich ihr Ansinnen für absurd halte und verabschiedete sie. Damit die andere Dame nicht ahnungslos auf meine Sendung wartete, schrieb ich ihr, daß ich von der Hinterhältigkeit ihres Unterfangens unangenehm überrascht sei und ihr natürlich nichts schicken würde. Mir erschien es doch zumindest anständig, sie nicht im Unklaren zu lassen.
Keine halbe Stunde später bemüht sich die kecke Anruferin um Schadensbegrenzung, per E-Mail mit Kopie an den Direktor des Premium-Magazin-Betriebes, der für DHL tätig ist, damit ich auch sehe, wie wichtig der Firma bis in ihre Spitze hinein die Aufklärung ihres oder sogar meines Mißverständnisses ist. (Wo ich früher angestellt war, hat sich die Entschuldigungen für Fehler oder Nachfragen bei Mißverständnissen bei Kunden der Chef nie nehmen lassen.) Mit den Abbildungen habe das Gewinnspiel nichts zu tun. Ich brauchte nichts zu bezahlen, und das mit einem Rufzeichen!
Eine erfreuliche Mitteilung, nicht wahr? Hört man doch immer wieder gern, daß man nichts zu bezahlen braucht, zumal wenn man nichts bestellt hat. Und die Sache mit dem Gewinnspiel, die bezahle DHL. Erneut werde ich gefragt, ob ich nicht »Lust« zum Mitmachen habe, ich komme mir fast vor ein fröhlicher Jungpionier. Oder geht es bei der »Lust« doch um eine bizarre Party? Am Ende dieser Mitteilung wird gehofft, ich möge die Zusammenarbeit wieder positiv sehen. Nunmehr wird mir also ein Auftrag dafür angeboten, daß man für mich wirbt. Nun hält man mich nicht mehr für blöd, sondern für charakterlos.
Daß junge Leute zu klaren Gedanken und Formulierungen nicht in der Lage sind, das kann ich verstehen. Das gehört zur Jugend. Das Denken lernt man erst allmählich. Und daß man sich bei derartigen Verrenkungen, den Schein eines Geschäftes zu vermeiden, verhaspelt, liegt in der Natur der Sache. Schwer auszuhalten ist der Blödsinn von »Lust«, »Zusammenarbeit« und »positiver Sicht« aber, wenn der Chef ihn so offen unterstützt. Zur Niedertracht des Geschäftsmodells, jemandem in den Rücken durch die Brust ins Auge Reklameausgaben abzuschwatzen, kommt die Charakterlosigkeit, den durchschauten Versuch als Mißverständnis tarnen zu lassen. Wie lächerlich wäre denn auch so ein Geschäft? Welcher Unternehmer gibt wohl Geld aus für ein Magazin der Post (das Unternehmen mit den Schlangen an den Schaltern und den häßlichen Briefmarken) in 5000er Auflage, das niemand liest?
PS: Sie müssen nichts bezahlen, auch wenn sie die Lektüre dieses Beitrages nicht bestellt haben!
PPS: Die schnellste Möglichkeit, lästigen Händlern aus dem Wege zu kommen, ist das Unterlassen einer Antwort.
— Martin Z. Schröder
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Sondermarken drucken · 19. Juni 2008
Derzeit ist viel zu tun, ich komme kaum nach mit den Berichten. Meine vier jungen Freitagsgäste kamen vergangenen Freitag auf die Idee, Briefmarken zu drucken. Dazu habe ich den Fundus alter Druckstöcke geöffnet, hunderte kleine Holzstiche und Metallklischees aus Blei, Messing und Kupfer. Stella möchte eine Sondermarke für ihren Vater anfertigen, sie hat aus der Schrift Figaro, die sie in Lucky-Luke-Schrift umbenannte, den Vornamen des Vaters gesetzt und sich dazu für ein Motorrad aus Holz entschieden. Wie filigran dieser Stich gearbeitet ist! Solche Stiche hat man vorgeätzt, ich werde bei Gelegenheit noch einmal in meine Bücher schauen, ob ich eine Beschreibung des Vorganges finde.
Stella hat berechnet, welche Menge an Etiketten sie aus einem Rohbogen schneiden kann und dann an der computergesteuerten Schneidemaschine zugeschnitten. Die Formel dafür hat sie sofort aus dem Hut gezaubert. Die große Schneidemaschine ist durch Lichtschranke und den Zwang zur beidhändigen Auslösung der Schneidvorganges sehr sicher, trotzdem bleibe ich beim Schneiden immer dabei. Mit dem Morgenstern-Werwolf-Büchlein müssen wir morgen aber voran kommen, bis zu den Ferien sind es nur noch vier Termine.
— Martin Z. Schröder