Berliner Visitenkarten | Nr. 2 · 21. Mai 2009
Schwarzer Farbschnitt, wie kann man einen schwarzen Farbschnitt so bringen, daß die Visitenkarte nicht düster wirkt? Wie sortiert man welche Gestaltungmittel dazu? Die zweite Visitenkarte der kleinen Serie für R.S.V.P. ist gedruckt, das Modell “Adolf Glaßbrenner”. Der einzige Berliner Lokaldichter, soviel ich weiß. Und fast vergessen. Lebte von 1810 bis 1876 und machte Berliner Figuren wie den Eckensteher Nante und das Blumenmädchen über seine Zeit hinaus bekannt. Nante und Blumenmädchen gab es in meiner Kindheit, also in den 70er Jahren, im Treptower Park als Souvenirpuppen zu kaufen. Noch heute gut lesbar sind Glaßbrenners witzige Geschichten um den Privatier Herrn Buffey.
Der Berliner Don Quixote war ein von Glaßbrenner gegründetes Unterhaltungsmagazin, was drinstand, weiß ich nicht. Die Schrift auf der Visitenkarte ist jünger als Glaßbrenner. Es handelt sich um die Fundamental halbfett kursiv. Sie wurde 1938 erstmals gegossen in der Schriftgießerei Ludwig Wagner, Leipzig. Gezeichnet hat sie Arno Drescher, der auch Maler war. Seine vor der Fundamental entstandene “Super Grotesk” wurde die meistverwendete Serifenlose in der DDR.
Diese Visitenkarte hat ein kleines schwarzes Eselsohr bekommen. So wird ein schlichtes geometrisches Gebilde zum Ornament. Und der Karton ist graublau, das mindert die Härte des Farbschnitts. Mit dem Farbschnitt ist es so eine Sache. Auf den Fotos hier setze ich ihn freilich ins Licht, aber wenn man eine solche Karte in der Hand hält, sieht man den Farbschnitt erst beim dritten Hinschauen, wenn er nicht gerade knallrot ist oder hellgrün. Hat man ihn aber erst einmal entdeckt, kann man ihn nicht mehr übersehen. Man sucht ihn immerzu, weil diese farbige Linie so fein ist, eben nur so fein wie das Papier dick ist, und trotzdem so — hat man sie erst einmal entdeckt — unübersehbar erscheint.
— Martin Z. Schröder
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