Wen grüßt Gott? · 14. November 2007
Betritt ein Schriftsetzer oder ein Buchdrucker oder ein Kenner eine Buchdruckerei (mit „Buchdruck“ ist das Verfahren, die Technologie gemeint, nicht ausschließlich das Drucken von Büchern), so spricht er: „Gott grüß die Kunst!“ darauf schallt es zurück: „Gott grüße sie!“ Und das „sie“ wird kleingeschrieben, denn damit ist ebenfalls die „Kunst“ gemeint, genauer: die Handwerkskunst. Anschließend wünscht man sich als Personen gegenseitig einen guten Tag und dergleichen.
Inwiefern das Handwerk eine Kunst ist? Ein andermal. Es gibt ein Büchlein aus der Schriftgießerei Klingspor mit Texten vom großen Schriftkünstler und Typografen Walter Tiemann, das zur Zeit beispielsweise im PBM bei Georg Kraus erhältlich ist (Dieser Link linkt nur, solange das Büchlein angeboten wird) und worin Tiemann die Begriffe Kunst, Genie, Talent auseinandernimmt und in Zusammenhang mit Religion und mit dem deutschen Wort “Begabung” stellt, ohne die keine Kunst sein könne. Die Handwerkskunst der Schriftsetzerei ist aber noch etwas ganz anderes. Weder ist sie Seiltanzen noch Haarkräuseln, sie wird vielleicht beschrieben mit dem, was Tiemann von Goethe zitiert: “Die Abgründe der Ahnung, ein sichtbares Anschauen der Gegenwart, mathematische Tiefe, physische Genauigkeit, Höhe der Vernunft, Schärfe des Verstandes, bewegliche, sehnsuchtsvolle Phantasie, liebevolle Freude am Sinnlichen – nichts kann entbehrt werden zum fruchtbaren Ergreifen des Augenblicks, wodurch ganz allein ein Kunstwerk, von welchem Gehalt es auch sei, entstehen kann.” Der Typograph Jan Tschichold hat die Typographie eine Schwester der Architektur genannt und zur dienenden Kunst erklärt. Und wenn Tiemann den Goethe nur um einen Satz ausgedehnter wiedergegeben hätte, würden wir sehen, daß Goethe seine Definition von Kunst auf die Wissenschaften übertragen sehen wollte. Und mit Tschichold wiederum, der die Typographie zur Wissenschaft erklärte (und berechenbarer machte), würde sich ein Kreis schließen.
Und das Foto? Schon wieder so ein hölzerner Geselle? Er hört auf die Namen Pinocchio, Burattino und Zäpfel Kern (oder auch nicht), stammt aus meinen frühen Jahren und macht sich unentbehrlich, wenn meine Kunden manchmal so junge Menschen mit sich führen, die man nicht ohne Gefahr frei herumlaufen lassen kann in einer Werkstatt. Der hölzerne Knabe hilft dann ein bißchen, die Zeit auch für Kleinkinder angenehm werden zu lassen.
Zurück zum Gruß: Die oben erwähnte Grußformel aus Rede und Gegenrede wurde früher geübt in der Buchdruckerei im ganzen deutschen Sprachraum. Ich wüßte gern mehr über diese Grußformel, weil ich nicht sicher bin, ob das, was ich geschrieben habe über Sinn von Rede und Gegenrede, mir erzählt wurde von älteren Kollegen oder ob es meine Interpretation ist. Kann jemand helfen?
— Martin Z. Schröder
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