Abgucken · 2. Juni 2009
Der unbeschnittene Abzug der ersten von zwei Druckfarben wirkt auf mich immer verheißungsvoll. Ich freue mich auf den Eindruck der zweiten Farbe, wenn ein Entwurf sich dann in Gänze zeigt. Dann darf beim ersten Druckgang nichts falsch gewesen sein. Ich bin dann auch immer etwas unruhig und gespannt. Hier entsteht ein Exlibris, ein Bucheignerzeichen. Ex libris — aus den Büchern, also aus der Bibliothek von …
Der ursprüngliche Entwurf war von Valter Falk, einem schwedischen Gebrauchsgrafiker. Jan Tschichold hat sich den Entwurf abgeschaut. In einem Buch über Tschichold zeigt Albert Kapr einen korrigierten Abzug.
Als mir der Gebrauchsgrafiker Dieter Keller davon erzählte, was sicherlich zehn Jahre her ist, bat ich ihn um einen Entwurf für mich und setzte und druckte danach diese Marke. Ich mag den Entwurf heute noch. Er zeigt, woraus Bücher gemacht sind auf dekorative Art, und er bringt dieses schmucke Alphabet zusammen mit dem Namen in eine rechteckige Form. Rechteckig sind auch die Kolumne und das Buch. Durch die Farben sind Schrift und Dekorbuchstaben deutlich unterschieden. Schwarz für die Schrift und Rot für die Auszeichnung bilden das klassische Paar der Farben im Buch.
In seinem Alphabetbuch zeigt Axel Bertram den fertigen Druck des Tschichold-Exlibris. Übrigens ohne Valter Falk zu erwähnen. Vielleicht, weil das Abschauen zur guten Typografie gehört, weil man nur daraus lernt und die zeitlos gültigen Arbeiten erschaffen kann? Jedenfalls sucht man sich so aus mehreren Büchern die Bilder zusammen, um wiederum selbst abschauen zu können.
Freilich muß man keine Fraktur dafür einsetzen. Hier sind links die Unger-Fraktur und rechts die Walbaum-Antiqua zu sehen. Die Antiqua erlaubt auch den Einsatz von Versalien, also Großbuchstaben, die den hübschesten Gegensatz darstellen zur Kursiven.
In Garamond oder Serifenloser hat dieses Modell leider noch niemand in Auftrag gegeben.
Exlibris drucke ich recht gern. Es sind hübsche Luxus-Drucksachen. Sie sind für Bücher gemacht, und wenn meine Kunden gute Bücher besitzen, die alt werden, weil sie wertvoll sind, und wenn sie dorthinein mit säurefreiem Kleister die Exlibris aus meiner Werkstatt kleben, dann ist das ein hübsches Archiv für meine Arbeiten. Und in einiger Zeit wird niemand mehr einfach sehen, ob solche klassischen Drucke vom Bleisatz mit diesen Schriften und in dieser Typografie nun anno 1809 oder 2009 gedruckt wurden. Und die Schriften-Kenner, die werden vielleicht sagen, wann und wo diese Walbaum und diese Unger-Fraktur gegossen wurden, aber ob das nun im 20sten oder im 21sten Jahrhundert gedruckt wurde — das werden sie auch nicht feststellen können. Das ist hübsch.
— Martin Z. Schröder
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