Der feine Unterschied · 21. Oktober 2007
Buchdruck (der Druck mit bleiernen Lettern) oder Offset, gibt’s da einen Unterschied, den man sieht? Oder ist das wie bei silbernen Kragenstäbchen: Nur der Benutzer weiß, was in seinen Hemdkragenspitzen steckt.
Woran erkennt man den Einsatz des Buchdruckverfahrens?
Vielleicht an der Prägung?
Man kann den Unterschied sehen und manchmal fühlen, aber an einer kräftigen Prägung erkennt man meistens nur den unsachgemäßen Druck. Wir Drucker sagen, wenn wir so etwas in die Hand bekommen: “Das ist nicht gedruckt, das ist gequetscht.” Und wir wissen, daß dieser Kollege gleichgültig ist gegen die Schrift, denn diese ist ja aus Blei, und solches ist weich. Ohnehin leidet die Schrift immer ein wenig, nutzt sich beim Drucken ab, aber man muß streng achten, daß sie nicht stärker beansprucht wird als wirklich notwendig ist für ein gutes Druckbild. Der feinste Druck ist der, den man an der Schattierung kaum sieht. Die Schattierung sollte man nur auf der Rückseite erkennen, wenn Licht in einem möglichst spitzen Winkel auf das Papier fällt. Dann wird sich bei dünnem Papier eine Schattierung, also eine Spur des mechanischen Drucks, nicht vermeiden lassen. Selbst bei Karton, wenn er eine unglatte Oberfläche hat und die Bleilettern tiefer eingedrückt werden müssen für ein sattes Schriftbild.
Auch andere Merkmale sind so fein, daß sie erst unter der Lupe kenntlich werden. Auf dem Foto ist eine 6p-Schrift zu sehen (Schriftsetzer sagen zu dieser Größe Nonpareille), die Walbaum in kursiv und gewöhnlich. Das große T hat eine Höhe von knapp 2 mm.
Derart stark vergrößert sieht man am Druckbild den leichten Schmitz (die Farbe war recht flüssig, aber nicht so flüssig, daß ich sie mit Bologneser Kreide verdicken wollte), der entsteht, wenn die Walzen einen Teil der Farbe am Rand der Letter abstreifen. Man sieht auch die Unregelmäßigkeit der Typen, die in Jahrzehnten verschieden abgenutzt wurden. Außerdem erkennt man den Bleisatz an der Form der Buchstaben. Die Walbaum von heute, aus dem Computer, sieht anders aus. Sie hat deutlich von ihrem ursprünglichen Charakter eingebüßt. Die originalen Matrizen wurden um 1800 geschaffen. Die Versalien sind breiter und kräftiger gehalten als die Gemeinen (Kleinbuchstaben, Minuskeln) und wirken fast halbfett. Die Schrift weist in der Zurichtung eine gewisse Munterkeit auf, d.h. die Buchstaben stehen nicht alle gleich eng nebeneinander, sondern es entstehen Lücken. Das kleine r beispielsweise ist auf einen so breiten Kegel gesetzt, daß man den Wortzwischenraum etwas mindern kann, wenn es am Schluß eines Wortes steht. Nun, und das kleine f in der Kursiven hat zwar einen Überhang, also die Type
ragt etwas über den Kegel hinaus, aber es trägt Sorge für eine gewisse Luftigkeit, während in der digitalen Variante alle Räume so stark harmonisiert wurden, daß die Schrift weniger lebendig wirkt. Im Bleisatz-Foto ist übrigens eine fi-Ligatur zum Einsatz gekommen, aber anders als in anderen Schriften sind der obere Tropfen des f und der i-Punkt nicht miteinander verschmolzen. Die kursive Bleisatz-Walbaum hat enorme charakterliche Kraft, die digitale zeigt bislang kaum etwas davon, aber vielleicht wird sie einmal ergänzt durch eine Type, die näher am Vorbild steht.
Es sind solche Details, an denen sich die Qualität einer Drucksache vom Bleisatz zeigt, ihr lebendigeres Bild, die leichten, munteren Unregelmäßigkeiten, die dem Bleisatz eigen sind. Es sind nicht die unsaubere Farbe und der schwere Druck. Wer dafür einen Blick entwickelt, zeigt sich als Connaisseur.
— Martin Z. Schröder
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