Vintage Stencil US No.4 von Andreas Seidel · 15. April 2012
Die Drucke dieser Schablonenschrift zeigte ich ja gestern schon. Der Entwerfer dieser Schrift hat mir noch einige Informationen zukommen lassen. Zuerst weise ich auf diese schöne Broschüre als PDF hin, in dem einige Hinweise schön und bebildert gezeigt werden. Zu den drei dort bebilderten Schnitten kommen demnächst noch zwei hinzu.
Zu den Varianten erklärt Andreas Seidel:
Regular
Hat keine Varianten, dafür saubere Linien und einen vollständigen Type1-Zeichensatz und einige Ornamente.
Paint, Paint Low
Die Schnitte haben vier Varianten der Großbuchstaben und Ziffern. Da diese Vorlagen für diese Buchstaben direkt mit der physischen Schablone erzeugt wurden, gibt es auch nur die Zeichen, die ich mit der Schablone tatsächlich erzeugen kann. Also kein @ oder % Zeichen wie beim Regular Schnitt.
Die Alternativen werden in InDesign automatisch im Text variiert, aber man kann sie auch über OpenType Features oder die Glyphenpalette anwählen.
Die Paint-Low-Variation enthält keine versprengten Objekte innerhalb und außerhalb der Buchstabenformen. Der Font hat daher weniger Pfade und baut sich schneller auf. Wenn die Buchstaben eher in kleinen Graden genutzt werden sollen, ist dieser Font der Paint Version vorzuziehen.
Auch die Holzbuchstabenschrift wird vier Varianten jedes Buchstabens enthalten. Und mehr hat so manche Holzschrift nicht.
— Martin Z. Schröder
Sieht aus wie vom Holz · 14. April 2012
Ersatz ist unbeliebt, wenn man ihn nicht braucht. Falsche Zähne, falsche Perlen, falsche Titel. Während Perlen und Titel bloß Eitelkeit befriedigen, sind falsche Zähne hilfreicher als keine. Alles Drucken ist Reproduktion, ist Abklatsch, ist nicht original — und deshalb vielleicht auch irgendwie “falsch”. Trotzdem werden auch zwischen Reproduktionen manchmal Unterschiede gemacht, die gar nichts mit dem Aussehen der Drucksache zu tun haben. Ist es Bleisatz oder ist es nach einer Vorlage geätzt oder graviert? Ob vom Bleisatz oder von der Platte gedruckt wurde, ist nicht zu unterscheiden, wenn die Zurichtung perfekt und der Bleisatz nagelneu ist und wenn der Druck nicht geprägt wurde. Der Charme des Bleisatzes entsteht durch Unregelmäßigkeit, also weil Buchstaben ungleichmäßig abgenutzt sind, manchmal auch angebrochen. Solche Drucke wirken lebendiger. Auch Holzlettern haben ihren Reiz, wie man hier schon oft sehen konnte.
Holzlettern und Schablonenschrift sind hier imitiert worden, und wäre der Druck nicht geprägt, dürfte sogar der Experte Mühe haben, wenn es ihm überhaupt möglich ist, Holzletter von digitalem Nachbau zu unterscheiden. Beim digitalen Satz dieser Schrift werden nämlich Varianten der Buchstaben eingesetzt, es gibt also von jedem Buchstaben mehrere, fast wie im Setzkasten, die unterschiedlich abgenutzt und manchmal auch schadhaft aussehen. Wenn man mit sehr wenig Farbe druckt, zeigen Holzlettern allerdings eine sehr feine Maserung, das können die geätzten nicht, wenn man nicht die Platte noch entsprechend behandelt, also Schleifspuren hineinbringt.
Hier sieht man an den beiden t und den beiden o die Unterschiede. Ein Drucker würde sich bei diesem vergrößerten Bild über die Scharfkantigkeit wundern, denn Holz kann durchaus auch Halbtöne zeigen. Holz würde auch nicht so scharfkantig prägen. Und kein Drucker, der noch alle Ratten im Kronleuchter hat, würde mit Holz zu prägen versuchen. Aber mit dem Imitat ist das möglich, und damit hat der Laie was zu streicheln und der Kenner was zu gucken.
Auch die Beschädigungen wirken in der Vergrößerung zu scharf — man muß aber auch erst einmal auf die Idee kommen, daß es keine Holzlettern sind, um einen Druck solchen Prüfungen zu unterziehen. Die Entwurfsidee läßt sich jedenfalls bestens umsetzen.
Schöpfer aller auf diesem Etikett gedruckten Schriften und Zeichen ist der Berliner Schriftentwerfer und Designer Andreas Seidel. Die Schablonenschrift, in der alle Buchstaben in mehreren Varianten vorhanden sind, heißt Vintage Stencil US No.4 und ist im Fontshop erhältlich.
Die Brotschrift ist die Secca Art Std., und die Ornamente sind unter dem Namen Astype Ornaments Accolades C im Handel bei MyFonts.com und Fontshop.com sowie direkt beim Hersteller astype.de zu bekommen. Noch nicht fertig ist der Holzlettern-Font, den Andreas Seidel in dieser Drucksache eingesetzt hat, die ich als Ansichtssache für einen Papierhersteller angefertigt habe. Darüber demnächst mehr.
— Martin Z. Schröder