Lieber Ferien als Urlaub / Das typographische Quadrat · 11. Mai 2008
Am besten arbeitet es sich, wenn die anderen frei haben. Das Telefon bleibt still, und man hat gar nicht das Gefühl zu arbeiten, weil man nicht muß. Um so schöner ist es dann, mitten in der Woche einen Ausflug zu machen, wenn die anderen arbeiten müssen. Es ist viel schöner als Schuleschwänzen, weil man legal das Terrain verläßt.
Ein homme de lettres hat mir einmal, als ich ihm von meinem Urlaub erzählte, die Belehrung zuteil werden lassen, daß ich nicht Urlaub machte, sondern Ferien, eben weil mich niemand beurlaubt.
Ferien klingt zudem besser, auch wenn man nicht viel davon braucht, weil man sich von einer selbstbestimmten guten Arbeit kaum ausruhen muß.
Gestern war ein Etikett in Quadratform zu drucken. 50 mal 50 Millimeter. Theoretisch. Optisch. Zeichnet man eine senkrechte und eine waagerechte Linie nebeneinander, beide gleich lang, so scheint die senkrechte länger zu sein. Ein Etikett in Quadratform darf nicht rechnerisch quadratisch sein. In der Typographie entscheidet nicht das rechnerische Maß über die Wirkung. Um das Etikett quadratisch scheinen zu lassen, wurde die breite Seite bei 50 mm belassen, die hohe auf 49 mm gekürzt, weil die Perspektive die hohe Seite zu verlängern scheint. Bei 48 mm mal 50 mm wirkt es ebenso unquadratisch wie bei genau gleich langen Seiten. Man muß es ausprobieren und das Gefühl entscheiden lassen. In die Entscheidung einbezogen wird auch die Gestalt des Entwurfs. Ein Quadrat aus waagerechten Linien wirkt schmaler und höher als eines aus senkrechten Linien. Auf das zu druckende Etikett wurden allerdings nur drei kurze Textzeilen in die untere Hälfte gebracht, welche den visuellen Eindruck der geometrischen Form des Papierformats nicht beeinflußten.
— Martin Z. Schröder