Ein Leinenumschlag für die Cordbettwäsche · 8. Oktober 2012
Es ist an der Zeit, die Dokumentation der Herstellung des Büchleins von Max Goldt fortzusetzen. Weil das Einbinden von Bildern auf Facebook so einfach ist, habe ich das Blog vernachlässigt. Nun also in den nächsten Tagen die Rückschau auf die letzten Wochen.
Der Umschlag des neuen Büchleins wird Blau. Fedrigoni liefert einen himmelblauen Feinkarton mit einer harten Leinenstruktur, der mir zur Cordbettwäsche das am besten geeignete Gegenstück zu sein scheint. Hier liegt er im Schlund der Schneidemaschine in seiner Originalgröße 70 mal 100 cm.
Aufgeschnitten sind die 2300 Bogen ein ordentlicher Stapel. Dieser hier ist noch nicht alles.
Und übrig bleibt ein Karton Schnipsel.
Das ist der ganze Stapel aller 2300 Bogen.
In dem Film des vorherigen Eintrages wird das Drucken auf dem Pedaltiegel gezeigt. Weil die Oberfläche des Kartons sehr hart ist, die Farbe also nur durch Luft (oxydativ) trocknen kann, habe ich die Bogen in kleinen Stapeln zum Trocknen ausgelegt.
Der braune Druck auf dem Titel.
Und der braune Druck auf der Rückseite des Büchleins mit einem Text von Max Goldt, welcher mit dem Buch nichts zu tun hat. So ist das.
Am Ende des Tages lagen überall die flachen Stapel der Umschläge herum.
Zum Glück wurde an einem Wochenende gedruckt, so daß die Bogen am nächsten Arbeitstag zusammengepackt werden konnten und nicht störten.
— Martin Z. Schröder
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Vorbeigänger · 6. November 2007
Als ich vor vier Jahren mit meiner Werkstatt in die Räume zog, in denen ich jetzt arbeite, hatte ich erstmals ständigen Sichtkontakt zur Straße. Anfangs fühlte ich mich beobachtet, zumal viele Leute in die Fenster schauten. Ich kam gar nicht auf die Idee, daß sie etwas anderes sehen könnten als mich, bis ich entdeckte, daß man bei Tageslicht gar nicht hineinschauen kann, weil die Fenster spiegeln. Da beobachtete ich die Passanten genauer und merkte, daß sie sich selbst betrachten: Manche Bewohner meiner Straße blicken routiniert in den Spiegel, bevor sie aus der Schonenschen Straße auf die belebte Schönhauser Allee treten: Frisuren werden geordnet, ein junger Vater schaut gern, wie ihm sein Säugling steht, den er vor die Brust gebunden trägt. Kleine Mädchen zupfen an ihrer Kleidung und große nesteln an der Sonnebrille. Halbwüchsige werfen unsichere Seitenblicke.
Wenn ich in der Jahreszeit, da es früh dunkelt, bei Licht arbeite, kann man mir allerdings auf die Finger schauen. Anfangs wurde ich etwas nervös, wenn ich merkte, daß Leute dicht ans Fenster traten und mir zuschauten. Inzwischen habe ich mich daran gewöhnt.
Es ist interessant, wie man die Menschen kennenlernt nur durch Schauen. Mir sind viele Gesichter aus der Nachbarschaft inzwischen so vertraut, daß ich sie, begegne ich ihnen draußen auf der Straße, beinahe grüße. Aber sie kennen mich nicht so gut, und in der Großstadt ist das Grüßen Fremder unüblich. Es gibt Passanten, die kommen so pünktlich zur immergleichen Stunde, daß ich die Zeit daran ablesen kann. Und wenn mal ein regelmäßiger Vorbeigänger fehlt, fällt es mir auf.
Im Sommer, wenn die Tür weit offensteht, um die Wärme hineinzulassen, tönt manchmal das Rumpeln und Klappern meiner großen Maschine auf die Straße, dann bleiben gelegentlich Leute stehen und treten näher und schauen herein, so entwickeln sich doch Grüßbekanntschaften.
Seit vier Jahren arbeite ich dort, und so sehe ich auch werdende Mütter, glückliche Eltern und kleine Kinder die ersten Schritte machen – an ihnen merke ich, wie Jahre vergehen.
Das Foto zeigt neben der großen Haustür die kleine Tür ins Souterrain (man steigt ein paar Stufen hinab in die Offizin) und drei Fenster zur Straße. Zum Haus gehört ein Hofgarten, auf dem eine riesige Eiche, ein Walnußbaum und um eine Bank Sträucher stehen. Wenn mich der Autolärm vorne stört, sperre ich die Tür nach hinten auf. Vor dem Haus steht eine Beton-Straßenlaterne aus der DDR. Als mein großer Pedal-Tiegel (gebaut um 1900 von der Firma Emil Kahle, Leipzig-Paunsdorf) über die Stufen hinab sollte, schlangen wir das Seil für den Seilzug um diese ideal genau vor der Tür stehende Laterne.
Der Kontakt zur Außenwelt aus meiner Offizin beschränkt sich auf drei Ausgänge: zwei Türen und ein Telefon im alten Stil: mit Wählscheibe. Es gibt dort keinen Computer, die Offizin ist nicht online. Wer sie betritt, verläßt heute und kommt nach gestern. Manchmal versagt hinter den dicken Mauern sogar das Handy meiner Besucher.
— Martin Z. Schröder